Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Wir sind nur noch Beobachter bei der EM im eigenen Land – immerhin können wir entspannt zusehen, wie andere Fußball spielen, oder auch nicht. Dafür haben wir jetzt tatsächlich einen Haushalt bekommen, allerdings teilen viele Beobachter keineswegs die Begeisterung der Koalitionäre über diesen „Wumms“ oder das „Gesamtkunstwerk“ (Scholz). „Ein Haushalt voller Unwägbarkeiten“, so drückt es die Börsen-Zeitung diplomatisch aus. Außerdem dürften zwei Meldungen irgendwie zusammenhängen: „3996 Euro pro Monat – so viele Abgaben zahlen die Deutschen“ (Die Welt) und „Das Vermögen der Deutschen stagniert“ (Die Welt einen Tag später). Die Unternehmenspleiten stagnieren leider nicht: „Noch mehr Insolvenzen drohen“, warnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Alles steigt

Es lebe das Wort, so könnte man versucht sein, die Cover der Finanzmagazine dieser Woche zu bewerten, bei denen das grafische Element sich eher in Zurückhaltung übt. Blau-Weiß-Rot zeichnet Der Aktionär die amerikanische Flagge nach, schließlich ist sein Thema: „NASDAQ 25.000 – Tech rules! Rekordjagd bei Nvidia & Co: So kassieren Anleger bis zu 100 Prozent“. Am unteren Bildrand präsentiert Börse Online drei Weltkugeln aus Silber, Gold und Bronze. Keine Anspielung auf die anstehenden Olympischen Spiele in Paris, sondern auf „Rohstoff-Aktien für die Ewigkeit“. Der Begriff „Ewigkeit“ tritt gemeinhin vor allem in der Kirche oder eben auf Finanzmagazinen in Erscheinung, so unsere Beobachtung. Nun denn, beide befassen sich in gewissem Sinne mit den Unwägbarkeiten der Zukunft. Wenn wir es richtig interpretieren in unserer botanischen Ignoranz, macht Focus Money mit einem Edelweiß über der hübschen Headline „Zu schön, um wahr zu sein?“ auf. Was so schön ist? „Aktien steigen, Gold am Allzeithoch, Inflation fällt“, lautet die Begründung. Wir feiern „Kursanstiege wie im Rausch“, heißt es im Heft, sollten aber besser „nüchtern bleiben“. Nun, es ist ja auch noch nicht Wochenende!

Lebenswert

Zum Wochenende fragt das Handelsblatt: „Wo es sich in Deutschland am besten leben lässt“. Als Münchener können wir diese Frage nur als rhetorisch abtun. Auch wenn wir bei der Unterzeile: „Wohnen, Arbeit, Umwelt: 71 Großstädte im Zukunftscheck“ etwas stutzig werden. Tatsächlich nimmt laut Prognos die bayerische Landeshauptstadt „nur“ Rang zwei ein! Aber wer ist die Nummer eins? Berlin, Frankfurt, Hamburg? Weit gefehlt, die liegen auf den Plätzen 7, 14 und 19. Es ist die Stadt Ulm, einen Steinwurf von der bayerischen Landesgrenze entfernt gelegen, die im Ranking den ersten Platz zugesprochen bekommt. „Mit Schwabenmentalität an die Spitze“, benennt diesen Erfolg das Handelsblatt. Interessant sind auch noch die Sieger in einigen Unterkriterien, wie zum Beispiel in Ökologie: Dort ist es Salzgitter (!), während München zu den schlechtesten zehn Städten in diesem Punkt zählt. Apropos schlecht: Auf den hintersten Plätzen finden sich Städte wie Oberhausen, Duisburg, Bottrop und Gelsenkirchen - vielleicht würde es helfen, wenn Schalke aufsteigt?

Kriegerisches Einhorn

Aufhorchen lässt eine Meldung aus der Börsen-Zeitung: „Münchner Rüstungs-Start-up: Helsing sammelt 450 Mio. Euro ein“. Bewertet wird das Unternehmen inzwischen mit 5 Mrd. Euro, womit es zur Riege der Einhörner zählt, die gemeinhin als eher friedlich gelten. Aber den Laien verwundert doch: Helsing setzt auf den Einsatz von KI „auf dem Schlachtfeld“, wie die Börsen-Zeitung etwas martialisch meldet, vor allem mittels autonomer Luftkampfsysteme. Wenn wir das richtig verstehen, werden künftig also unbemannte Drohnen von unbemannten Raketen mittels KI abgewehrt. Wenn die Systeme also quasi automatisch ihre Kämpfe gegeneinander ausfechten, könnten die Menschen ja friedlich leben? Niederlassen mit dem vielen Geld will sich das Unternehmen in Estland, zum Schutz der Nato Nord-Ostflanke, wie es heißt.

E-Type

Wir geben zu, wir sind hin und her gerissen. Gerne ziehen wir gegen überbordende Regulierungen und Vorschriften zu Felde. Insofern ist es nur zu begrüßen, dass jetzt der Justizminister einen Gesetzesvorschlag eingebracht hat, der das Bauen erleichtern, verschlanken und verbilligen soll. „Verzicht auf übertriebene Standards“, berichtet Die Welt darüber. „Gebäudetyp-E-Gesetz“ nennt sich der Entwurf, der wenig mit einem Jaguar E-Type gemein hat. Danach sollen beispielsweise bei der Deckenhöhe, der Anzahl der Steckdosen oder der Fenster Standards auch unterschritten werden dürfen. Wir fänden es aber weiterhin wünschenswert, wenn wir uns in einem Neubau noch ausreichend strecken könnten, ohne mit dem Kopf an die Decke zu stoßen und wenn wir nicht erst zum Verlängerungskabel greifen müssen, um an einer der seltenen Steckdosen anzudocken. Und prinzipiell schauen wir auch gerne durchs Fenster ins Draußen. Das „E“ steht im Übrigen für „einfach“ und „experimentell“. Im Mittelpunkt des Experiments: Der einfache Bewohner.