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Dr. Ulrich Kater / Bild: Deka Bank
Ein Blick auf unsere Prognosezahlen verdeutlicht, dass es für die Analysten in den vergangenen Wochen wenig Überraschendes gab. Weder die Aussichten für das Wirtschaftswachstum noch diejenigen für die Kapitalmärkte mussten nennenswertangepasst werden. Lediglich die Prognosen für die Renditen von deutschen und US-Staatsanleihen haben wir etwas nach unten korrigiert. Damit steht die Weltwirtschaft weiterhin ganz gut da: Die globale Wirtschaftsleistung steigt in diesem und im nächsten Jahr nach Abzug der Inflation um rund 3 Prozent, die Inflationsraten nähern sich in den meisten Ländern weiter den Zielen der Notenbanken an, die Zinsen und Renditen gehen moderat zurück, und an den Aktienmärkten erwarten wir im Trend Kursgewinne.

Es könnte alles so schön sein, wenn da nur nicht die Politik wäre. Die Europa-Wahlen haben unterstrichen, was sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet hatte: Viele Wähler verabschieden sich von der politischen Mitte. Die Parlamentswahlen in Frankreich zeigen für unser Nachbarland einen klaren Rechtsruck. In den USA senden beide Präsidentschaftskandidaten klare Signale, dass sie die Staatsausgaben eher erhöhen als senken wollen. Diese politischen Themen nähren die Sorgen davor, dass die Kapitalmärkte die Staaten für ihre steigenden Staatsschulden mit deutlich höheren Renditen bestrafen könnten. Und das Risiko erneut steigender Inflationsraten würde mit einer starken Ausweitung der Staatsausgaben auch zunehmen.

Alle diese Sorgen sind berechtigt. Doch die befürchtete Entwicklung würde, so sie denn wirklich kommt, schleichend vonstattengehen. Bis politische Ideen in die Realität umgesetzt werden, vergeht oft viel Zeit – und meist werden die Ideen auch nicht in vollem Umfang umgesetzt. Zudem können die Kapitalmärkte, wenn sie den allzu lockeren Umgang mit den Staatsfinanzen mit höheren Renditen quittieren, durchaus eine sehr disziplinierende Wirkung entfalten. Die ehemalige Premierministerin des Vereinigten Königreichs Liz Truss kann davon ein Lied singen. Und schon allein das Wissen um die Sanktionsmechanismen funktionierender Finanzmärkte wird hoffentlich dafür sorgen, dass die Politik es mit den Staatsausgaben nicht übertreibt.

Volkswirtschaftliche Prognosen - eine Auswahl

Deutschland
Es war nur ein kurzes Aufflackern der Stimmungsindikatoren. Getrieben von der Ausrufung vorzeitiger Parlamentswahlen in Frankreich und der Ankündigung von Zöllen auf chinesische E-Fahrzeuge kippte die Stimmung bei den Unternehmen schnell wieder. Das ifo Geschäftsklima sank zum zweiten Mal in Folge und droht damit, einen neuen Abwärtstrend auszubilden. Das könnte schon im Juli passieren, denn nach dem desaströsen Fernsehduell in den USA deutet nun alles auf eine neue Präsidentschaft Trumps hin, mit all den möglichen negativen Folgen vom Protektionismus bis hin zur Geopolitik.
Prognoserevision: keine
Euroland
Während die Monate April und Mai eher von positiven Überraschungen bei den europäischen Frühindikatoren geprägt waren, gab es nun im Juni kleine Rücksetzer. Die Erholung ist aber nach wie vor intakt, und das Bild einer schwächelnden Industrie und eines starken Dienstleistungssektors hat ebenfalls weiterhin Bestand. Die hohen Inflationsraten gehören der Vergangenheit an, dennoch zeigt sich die Preissteigerungsrate hartnäckig über der EZB-Zielrate von 2 Prozent. Im Juni ist die Inflationsrate etwas zurückgegangen und lag bei 2,5 Prozent nach 2,6 Prozent im Vormonat. Dabei zeigt sich unter den vier großen EWU-Ländern eine hohe Heterogenität. Die Inflationsraten liegen im Bereich von 3,5 Prozent in Spanien und 0,9 Prozent in Italien. Dazwischen befinden sich Deutschland und Frankreich mit jeweils 2,5 Prozent.
Prognoserevision: keine
USA
Das Bruttoinlandsprodukt ist im Mai laut der inoffiziellen Berechnung um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat angestiegen. Dies war zwar ein überdurchschnittlich hoher Zuwachs, lag aber im Rahmen der üblichen Schwankungen. Insgesamt entwickelt sich die US-Wirtschaft derzeit nahezu erwartungsgemäß. Nach den überraschend starken Preisanstiegen in den ersten Monaten des Jahres sorgten die Preisdaten für Mai für Entspannung. Insbesondere der Deflator der privaten Konsumausgaben in der Abgrenzung ohne Nahrungsmittel und Energie stieg gegenüber dem Vormonat nur geringfügig im Zielbereich der Fed an. Damit steigt die Hoffnung, dass in der beginnenden zweiten Jahreshälfte die Leitzinswende erfolgen kann.
Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision der Inflationsprognose für 2024 und 2025
Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Auch nach der ersten Leitzinssenkung im Juni betont die EZB die Datenabhängigkeit ihrer zukünftigen Geldpolitik. Eine weitere Lockerung sei gerechtfertigt, sofern sich der Eindruck erhärtet, dass die Inflation bis Ende nächsten Jahres nachhaltig auf 2 Prozent zurückgehen wird. Allerdings beruht diese Vorhersage auf optimistischen Annahmen über Löhne, Gewinnmargen und Arbeitsproduktivität und ist daher mit Aufwärtsrisiken behaftet. Zudem argumentierte Präsidentin Lagarde, dass sich die EZB aufgrund der robusten Lage am Arbeitsmarkt Zeit nehmen könne, den zugrundeliegenden Trend der Inflation zu beobachten. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit Leitzinssenkungen im Quartalsrhythmus, mit dem asymmetrischen Risiko einer langsameren Lockerung, falls zukünftige makroökonomische Projektionen ein späteres Erreichen des Inflationsziels anzeigen sollten. Der ab September engere Zinskorridor zwischen Hauptrefinanzierungs- und Einlagensatz dürfte aufgrund der hohen Überschussreserven noch keine nennenswerten Auswirkungen auf die Geldmarktsätze haben.
Prognoserevision: keine
Rentenmarkt Euroland
Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen sind die Risikoprämien französischer Staatsanleihen nach wie vor erhöht. Dies strahlt jedoch nicht mehr auf die Renditen von Bundesanleihen aus, nachdem die Flucht in Qualität abgeebbt ist und die EZB keine Bereitschaft zeigt, auf die Entwicklungen in Frankreich zu reagieren. Die hartnäckig hohe Kerninflation dürfte zur Folge haben, dass die Marktteilnehmer weiterhin nur sehr vorsichtig eine zukünftige Lockerung der Geldpolitik vorwegnehmen. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass die von uns erwarteten Leitzinssenkungen im Quartalsrhythmus Abwärtsdruck insbesondere auf das kurze Ende der Bundkurve ausüben sollten. In den längeren Laufzeitbereichen erwarten wir ebenfalls leichte Renditerückgänge, zu denen auch die sich anbahnenden Leitzinssenkungen der Fed beitragen dürften.
Prognoserevision: keine
Rentenmarkt USA
Die Preisdaten für Mai haben für Erleichterung gesorgt. Insbesondere der von der Fed als Inflationsmaß präferierte Deflator der privaten Konsumausgaben in der Abgrenzung ohne Nahrungsmittel und Energie stieg im Mai nur um 0,1 Prozent gegenüber dem Vormonat an. Auch die Berechnungen zur nachfragebedingten Preisentwicklung wiesen einen Zuwachs aus, der mit dem Inflationsziel der Fed vereinbar ist. Den jüngsten Äußerungen der FOMC-Mitglieder ist zu entnehmen, dass die hohen Preisanstiege in den ersten vier Monaten des Jahres zwar noch nachwirken. Aber die Mehrheit der FOMC-Mitglieder präferiert weiterhin eine erste Leitzinssenkung in der zweiten Jahreshälfte.
Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision bei der Zinsprognose für US-Staatsanleihen
Dr. Ulrich Kater ist seit 2004 Chef-Volkswirt der DekaBank. Er studierte an den Universitäten Göttingen und Köln Volkswirtschaftslehre und promovierte 1995 am Finanzwissenschaftlichen Lehrstuhl der Universität zu Köln. Von 1995 bis 1999 war Dr. Kater im Stab der „fünf Wirtschaftsweisen“ für die Themen Geldpolitik und Kapitalmarkt verantwortlich. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Geldpolitik, Währungspolitik, internationale Kapitalmärkte, Finanzpolitik, Alterssicherungssysteme und internationaler Dienstleistungshandel. Hörenswert: Sein Podcast mit Mikro trifft Makro mit Dirk Huesmann über das Neueste aus der Welt der Finanzen.
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