Zwischen Zinshoffnungen und Bewertungssorgen: Zuversichtlicher Start ins zweite Börsenhalbjahr

Alexander Pirpamer, BlackPoint Asset Management
Alexander Pirpamer / Bild: BlackPoint Asset Management
Nach einem für Anleger erfreulichen ersten Halbjahr scheint die Zuversicht am Markt nach wie vor groß. Warum das trotz teilweise hoher Bewertungsniveaus nachvollziehbar ist und welche Marktsegmente aktuell interessant sind, erläutert Alexander Pirpamer, Geschäftsführer bei BlackPoint Asset Management. Dabei gewährt er einen Einblick in die Ausrichtung des Vermögensverwalters zum Start ins zweite Halbjahr.
Nach einem positiven Kapitalmarktjahr 2023 ist die Zuversicht an den Börsen nach wie vor groß – und das trotz des in den Vereinigten Staaten unverändert hohen Zinsniveaus. Die Märkte haben sich einmal mehr als robust erwiesen. Und betrachtet man die Weltwirtschaft, ist der aktuelle Optimismus unter Investoren durchaus nachvollziehbar. Das Wachstum – wenngleich noch schwach in Deutschland – verbessert sich und in den entwickelten Volkswirtschaften beginnen die ersten Notenbanken, ihre Zinsen zu senken. Dieser globale Trend dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen. Geld wird also wieder günstiger, was für Aktien in der Regel eine positive Nachricht ist.
 
Aber wie geht es nun weiter? Einige Aktien – ein prominentes Beispiel sind hier Titel aus dem US-Technologiesektor – scheinen inzwischen mehr als sportlich bewertet. In den Vereinigten Staaten rückt die Präsidentschaftswahl näher und auch in Europa stehen politische Entwicklungen wie die Parlamentswahl in Frankreich im Fokus. Aber der Reihe nach.

Geldpolitik wichtiger als US-Präsidentschaftswahl

Am 5. November wird in den Vereinigten Staaten gewählt. Wer auch immer am Ende der Sieger sein wird: Es würde uns nicht wundern, wenn die Börsen relativ gelassen reagieren. Zwar mag die Wahl des republikanischen Kandidaten Donald Trump für Sektoren wie den Finanzbereich, Rüstung, Öl und Automobile der bessere Ausgang sein, während der demokratische Amtsinhaber Joe Biden auf Branchen wie das Gesundheitswesen, erneuerbare Energien und Infrastruktur einen positiven Einfluss haben könnte. Den Gesamtmarkt dürfte das jedoch weniger interessieren.
 
Wir beobachten eher die Zinsentwicklung in den Vereinigten Staaten. Zu Beginn des Jahres hatten die Marktteilnehmer noch erwartet, im Sommer bereits die ersten Zinsschritte der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zu sehen. Nun stehen die Zinsen immer noch auf demselben Niveau wie vor sechs Monaten. Ungeachtet dessen entwickelten sich die Aktienmärkte gut. Wir denken: Zinssenkungen sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Entsprechend bleiben wir auch so positioniert, dass unser Fonds von einem Rückgang der Zinsen profitieren kann.

China geht seinen eigenen Weg

Während Länder wie die Vereinigten Staaten ein enorm hohes Haushaltsdefizit fahren, um die Wirtschaft zu stützen, zeigt sich China deutlich sparsamer. Entsprechend angespannt blicken die Investoren auf die wirtschaftliche Situation im Land. Langfristig gehören Papiere aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aus unserer Sicht aber trotzdem ins Portfolio. Das gilt nicht zuletzt wegen der immer noch hohen Wachstumsraten – auch wenn sie sich inzwischen auf einem niedrigeren Niveau befinden als noch vor wenigen Jahren. Der große staatliche Konjunkturschub, der von einigen erwartet wurde, ist bislang ausgeblieben. Allerdings hat die Regierung durchaus Schritte eingeleitet, um den angeschlagenen Immobiliensektor zu stützen.
 
Das spiegelt sich auch in der jüngst positiven Aktienmarktentwicklung wider. Daneben bieten chinesische Aktien einen relevanten Diversifikationseffekt innerhalb eines Aktienportfolios – auch wenn ihre hohe Volatilität nichts für schwache Nerven ist. Im BlackPoint Evolution Fund bevorzugen wir mit Blick auf China die großen Technologiefirmen. Zum Beispiel bringen Alibaba und Baidu aufgrund ihres hohen Innovationspotenzials – auch in den Zukunftsbereichen Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren – ein aus unserer Sicht langfristig großes Potenzial mit sich.

Neutrale Ausrichtung für das zweite Halbjahr

In das zweite Halbjahr starten wir weder besonders defensiv noch offensiv, sondern sind aktuell ausgewogen aufgestellt. Damit sind wir im Vergleich zum Jahresbeginn sogar etwas offensiver positioniert. Auf der Anleiheseite bevorzugen wir weiterhin Zinsrisiken gegenüber Kreditrisiken, da Anleger für letztere aus unserer Sicht aktuell nicht ausreichend entschädigt werden. Damit sichern wir auch ein Stück weit das Aktienportfolio ab. Denn wenn sich die Wirtschaft doch schwächer entwickelt als derzeit erwartet und die Zinsen deutlicher sinken als angenommen, würden unsere Anleiheinvestments stärker profitieren und so das Gesamtportfolio stabilisieren. Der Absicherungscharakter festverzinslicher Wertpapiere spielt also eine Rolle – wobei wir unabhängig davon überzeugt sind, auch dank der hohen laufenden Verzinsung mit unserem Anleiheportfolio Erträge zu generieren. Dazu tragen auch unsere Engagements in ausgewählten Schwellenländern bei, wo wir ausschließlich in Staatsanleihen in Hartwährung und nicht in Unternehmensanleihen oder Lokalwährungen investieren.
 
Auf der Aktienseite setzen wir weiterhin verstärkt auf Titel, die mit Zukunftsthemen verbunden sind und dadurch hohe Wachstumschancen bieten. Werte aus dem Technologiesektor wie das niederländische Unternehmen ASML, das Maschinen zur Chipfertigung herstellt, bleiben unserer Auffassung nach gefragt. Grundsätzlich liegt die Herausforderung aktuell auf der Bewertungsseite. Investoren müssen jeweils im Einzelfall analysieren, ob die Bewertung durch das künftige Wachstum gerechtfertigt ist. Denn auf den aktuellen Niveaus könnten bereits kleine Enttäuschungen zu großen Rücksetzern führen. Umgekehrt gilt es für aktive Manager, Ereignisse wie den jüngsten Rücksetzer am französischen Aktienmarkt auf interessante Gelegenheiten hin zu prüfen.
Alexander Pirpamer ist Geschäftsführer Portfoliomanagement bei BlackPoint Asset Management.