Die „Alles“-Rallye an den Börsen und die Frage nach dem Kurssturz?

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Vielen Beobachtern wird angesichts der enormen Kursanstiege der letzten Monate in verschiedenen Kapitalmarktsegmenten fast schwindelig. Allzeithöchststände sind allgegenwärtig, ob bei deutschen, japanischen und US-Aktien sowie bei Gold und Bitcoin. Die Wertentwicklungen einzelner Aktien, wie Nvidia mit einem Kursplus von 100 Prozent seit Herbst 2023 oder des Bitcoin – mit einem Kursanstieg von 63 Prozent im laufenden Jahr nach 155 Prozent im letzten Jahr – legen die Erinnerung an haltlose Kursblasen nahe, die früher oder später platzen müssen. Sicherlich steigt mit derart rasanten Entwicklungen die Wahrscheinlichkeit eines größeren zwischenzeitlichen Rücksetzers. Allerdings fehlen bisher die Anzeichen für allgemeine Übertreibungen an den Börsen, die zu einem länger anhaltenden Abwärtstrend führen könnten.

Gründe, die gegen eine Blase sprechen

  • Einerseits haben Notenbanken den Kapitalmärkten seit 2022 durch restriktive Geldpolitik Liquidität entzogen. Assetpreise sind also nicht rein liquiditätsgetrieben angestiegen, zumal es wieder verzinsliche Anlagealternativen gab.
  • Zudem wird deutlich differenziert. Es steigen nicht blindlings alle Aktiennotierungen wie bspw. zur Zeit der Internetblase Ende der 90er-Jahre, wie der Blick auf die „glorreichen Sieben“, die US-Technologieaktien, die für einen Großteil der Performance des Standardwerteindex S&P 500 im letzten Jahr verantwortlich waren, zeigt. So konnten Apple, Alphabet und Tesla im bisherigen Jahresverlauf nicht an die Kurszuwächse des Vorjahres anknüpfen, während Nvidia, Microsoft, Meta und Amazon weiter zulegten.
  • Auch werden zwar an der Börse weniger die aktuellen Daten als vielmehr die Erwartungen an die Zukunft gehandelt. Allerdings erwirtschaften die meisten heute hoch gehandelten Unternehmen tatsächlich schon ordentliche Gewinne.
  • Zukünftig erwartet werden können aber sinkende Zinsen, vonseiten der Notenbanken ebenso wie bei Renditen von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten und damit auch nachgebende Finanzierungkosten durch Unternehmensanleihen sowie Kreditkonditionen. Diese Zinserwartung gehört auch zu den wesentlichen Kurstreibern in den Segmenten Gold und Krypto-Anlagen, denn die Opportunitätskosten des Haltens von Gold oder Bitcoin im Sinne entgangener Zinsen sinken. Allerdings werden die einzelnen Anlageklassen durch weitere, jeweils individuelle fundamentale Faktoren zusätzlich gestützt. Bei Aktien ist es die in den kommenden Monaten erwartbare Konjunkturerholung, vor allem im Bereich der Industrie. Goldnotierungen profitieren weiterhin von anhaltend hohen Kaufvolumina vieler Notenbanken, die ihre Devisenreserven diversifizierter aufstellen. Und bei Krypto-Anlagen sind es die enormen Kapitalzuflüsse seitdem in den USA Bitcoin-ETFs aufgelegt wurden und damit die Etablierung des Segments zu einer Standardanlageklasse weitergetrieben wurde.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

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NVIDIA Rg 819,60 6,50%
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UC S&P 500 5.110,74 N.A.
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Tesla 157,30 -0,71%
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