Was bedeutet der Stress an den Börsen für die Wirtschaft und für Private Assets?

Mike O‘Sullivan, Moonfare
Mike O‘Sullivan / Bild: Moonfare
  • Marktunruhen sind eher Zeichen von Portfoliokrise als Wirtschaftskrise
  • Vorrangig geht es um Abbau von Risiken und nicht um schlechtere makroökonomische Aussichten
  • Volatilität und Risikobereitschaft steigen wieder auf Niveau, das einer chaotischen Welt angemessen ist
  • Situation bietet Gelegenheiten für Private-Equity-Firmen
Das Jahr 2024 war bis vor kurzem ein merkwürdiges Aktienjahr, da die Verteilung der Marktrenditen recht komprimiert war. Es gab seit über vierhundert Tagen keinen einzigen Rückgang des S&P 500 um zwei oder mehr Prozent. Insofern war der jüngste Ausverkauf an den Aktienmärkten überfällig und trägt dazu bei, dass sich die Bewertungen und Risikoaussichten normalisieren. Da der VIX-Volatilitätsindex (am vergangenen Montag) ein Niveau erreicht hat, das zuletzt nur bei den weltweiten Finanz- und COVID-Ausverkäufen übertroffen wurde, haben jedoch einige Marktteilnehmer vor einer Rezession gewarnt und dringende Zinssenkungen gefordert.

Unserer Ansicht nach handelt es sich bei den aktuellen Marktbewegungen jedoch eher um eine Portfoliokrise als um eine Wirtschaftskrise, da sie durch den Abbau von Risiken in den Portfolios und nicht durch eine Reaktion auf die sich verschlechternden makroökonomischen Aussichten getrieben wird.

Die Wertentwicklung von Large-Cap-Aktien mit KI-Bezug hat zu einer extremen Marktkonzentration geführt und in einigen Fällen wurden die Bewertungen übertrieben. Gleichzeitig haben die niedrigen Zinssätze in Japan den Carry-Trade gefördert, was sich unserer Meinung nach für einige Hedgefonds als nachteilig, wenn nicht gar tödlich erweisen wird.
 
Beide Anlagestrategien sind überlaufen, d.h. dass zu viele Anleger in ihnen engagiert sind. Die extreme Marktabschwächung lässt sich dadurch teilweise erklären. In diesem Sinne ist die Marktvolatilität eher charakteristisch für eine Portfoliokrise als für eine Krise der Realwirtschaft.

Spielraum für moderate Zinssenkungen

In dieser Hinsicht gibt es mit Blick auf die privaten Märkte zwei wichtige Faktoren - die Zinssätze und den Konjunkturzyklus. Mit Blick auf den Konjunkturzyklus sind wir der Ansicht, dass wir uns inmitten einer leichten Verlangsamung der US-Wirtschaft befinden. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Frühindikatoren zeigen nach unten und einige Segmente des Immobilienmarktes sind schwach. Der Unternehmenssektor ist jedoch relativ stark. Positiv ist, dass viele der Faktoren, die die Inflation angeheizt haben, nun wieder zurückgehen. In Europa, wo die Wirtschaft im vergangenen Jahr deutlich schwächer war, gibt es Anzeichen für eine leichte Erholung und sogar Spielraum für einen Aufschwung im Kreditzyklus.

Dieses makroökonomische Klima und die durch die Volatilität der Märkte hervorgerufene Unruhe lassen erwarten, dass es Spielraum für eine moderate Senkung der Zinssätze gibt. Wir denken jedoch nicht, dass die Fed eine außerplanmäßige Zinssenkung vornehmen sollte. Allerdings wird sich der Schwerpunkt in den kommenden Sitzungen in Richtung einer tendenziell eher lockeren Geldpolitik verschieben. Darüber hinaus erwarten wir, dass die Bank of Japan in den nächsten Tagen die Volatilität des Yen öffentlich ansprechen und versuchen wird, seinen Fall zu bremsen.

Die wichtigste Variable, die wir beobachten, sind die Risikoprämien im Kreditmarkt. Der Kreditmarkt ist der Übertragungsmechanismus von den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft. Im Großen und Ganzen gibt es zwei Szenarien, die vor uns liegen:
  • Szenario Nr. 1 - Die Risikoprämien bleiben in den USA, Europa und Asien gedämpft, und die Marktvolatilität beginnt abzuflachen, wobei eine geringe Anzahl von Zinssenkungen in den Märkten eingepreist wird. Die makroökonomischen Auswirkungen auf die privaten Märkte sind in diesem Fall gering und große Private-Equity-Investoren könnten das Niedrigzinsumfeld nutzen, um Barmittel zu investieren.
  • Szenario Nr. 2 - Die Risikoprämien weiten sich aus, die Marktvolatilität hält an und überträgt sich auf andere Sektoren wie Finanzwerte. Dies wäre für die Realwirtschaft schädlicher und würde letztlich eine stärkere politische Reaktion erfordern.

Hohe Risikobereitschaft - hohe Volatilität

Insgesamt haben wir den Eindruck, dass die Volatilität und die Risikobereitschaft wieder auf ein Niveau ansteigen wird, das einer chaotischen Welt angemessen ist. Anleger werden vor dem Hintergrund niedrigerer Zinssätze bei der Suche nach Anlagemöglichkeiten umsichtiger vorgehen. Diese „Selektivität“ war bereits in den vergangenen zwei Jahren ein Merkmal der Privatmärkte.

Auf den Privatmärkten wird jede makroökonomische Störung sicherlich Investmentgelegenheiten bieten, und wir schließen nicht aus, dass Private-Equity-Firmen versuchen werden, mehr börsennotierte Unternehmen zu kaufen. Sie werden sich dabei auch stärker auf Unternehmen konzentrieren, die sich auf Anwendungen von KI-basierter Technologie konzentrieren. Hier sind zum Beispiel Verteidigung, Gesundheitswesen und Logistik interessante Sektoren.
Mike O‘Sullivan ist Chefvolkswirt Moonfare. Moonfare hat seinen Hauptsitz in Berlin und ist in 22 Ländern in Europa, Asien und Amerika tätig. Das Unternehmen hat Büros in New York, London, Zürich, Singapur, Paris und Luxemburg. Moonfare bietet qualifizierten Einzelanlegern, Family Offices und ihren Beratern Zugang zu Investitionsmöglichkeiten auf dem Privatmarkt. Bis heute hat Moonfare mehr als 110 Privatmarktfonds von weltweit führenden General Partnern wie KKR, Carlyle und EQT angeboten, wobei der Schwerpunkt auf Private-Equity-Buyout, Venture Capital, Growth und Anlageklassen wie Infrastruktur liegt. Moonfare bietet auch eigene Fonds an, darunter hochgradig kuratierte Co-Investitionen sowie Secondaries.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC S&P 500 5.645,78 N.A.
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