Am Anleihemarkt sind bis zu 10 Prozent Rendite möglich

Gabriele Foà, Algebris Investments
Gabriele Foà /Bild: Algebris Investments
Die Inflation sinkt, eine schwere Rezession ist nicht in Sicht: Das Umfeld für die
Anleihemärkte ist derzeit günstig. Für besonders interessant halten wir Schwellenländerpapiere in Lokalwährung – sehen aber auch bei nachrangigen europäischen Bankanleihen sehr viel Potenzial
.
Weltweit sinkt die Inflation. In den USA liegt sie derzeit bei etwa 5 Prozent und in Europa bei rund 6 Prozent – nach Spitzenwerten von 9 Prozent im Sommer 2022 beziehungsweise 11 Prozent im Oktober vergangenen Jahres. Die Kerninflation beträgt jeweils 5 Prozent. Zum Ende des Jahres dürfte die Teuerung sowohl in den USA als auch in Europa zwischen 3,5 Prozent und 4 Prozent liegen.
 
Die Konjunktur verlangsamt sich inzwischen und die Zentralbanken befinden sich sehr nahe am Ende
ihres Zinserhöhungszyklus: Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte zwischen 3,75 Prozent und 4
Prozent die Zinserhöhungen beenden, die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) bei rund 5,5 Prozent. In den kommenden sechs Monaten wird es aber wohl keine Zinssenkungen geben.
 
Stabile Zinssätze sind eine sehr gute Nachricht für die Anleihemärkte. Dort bieten sich Anlegern aktuell Renditen von 5 Prozent auf der eher sicheren Seite des Spektrums bis hin zu 10 Prozent bei riskanteren Papieren. Die Bewertungen sind im Vergleich zum historischen Durchschnitt durchwegs interessant.Und die Konjunktur wird zwar schwächer, bricht aber nicht ein: DieEinkaufsmanagerindizes deutenderzeit sowohl in den USA als auch in Europa auf ein Nullwachstum hin – aber nicht auf eine von vielen Marktteilnehmern befürchtete Rezession

Schwellenländer im Zinszyklus weit fortgeschritten

Ein äußerst interessantes Segment am Anleihemarkt sind Schwellenländerpapiere in lokaler Währung. Da die Inflation früher anzog als in den Industrieländern, begannen die meisten aufstrebenden Volkswirtschaften bereits 2021 mit einer sehr aggressiven geldpolitischen Straffung. Ein Beispiel: Brasilien begann das Jahr 2021 mit Zinssätzen von 2 Prozent – 2022 waren es schließlich 14 Prozent. Infolgedessen sank die Inflation von ihrem Höchststand von 14 Prozent auf aktuell unter 4 Prozent.
 
Die Schwellenländer starteten also ein Jahr vor den entwickelten Volkswirtschaften ihren Straffungszyklus. Daher können sie auch entsprechend früher die Zinsen senken. Diese Dynamik zeigt sich beispielsweise auch in Mexiko, Kolumbien und Peru. Vor diesem Hintergrund sehen wir attraktive Opportunitäten bei Lokalwährungsanleihen. Zu dieser Einschätzung trägt auch die Währungskomponente bei, die aus unserer Sicht positiv zur Wertentwicklung beitragen könnte.

Europäischer Bankensektor zeigt sich robust

In Europa werden sich aus unserer Sicht mehrere Anlageklassen besser entwickeln als in den USA. Zunächst einmal waren die Sorgen um den Bankensektor im März und April in den USA einfach konkreter. Die Bilanzen regionaler US-Institute sind in gewissem Maße unausgeglichen, was sich negativ auf die Kreditvergabe auswirkt.
 
Auch auf unserer Seite des Atlantiks hallte der Stress im US-amerikanischen Bankensystem nach. Da die europäischen Institute aber in den vergangenen 15 Jahren regelmäßig Stresstests unterzogen wurden, ist das System solider und ihre Bilanzen sind deutlich stärker. Vor dem Hintergrund der robusten Fundamentaldaten und der stark gestiegenen Spreads halten wir nachrangige Bankanleihen aus Europa für sehr interessant.“
Gabriele Foà ist Portfoliomanager bei Algebris Investments