Rekordverdächtige Verdoppler

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Aus! Die WM ist für die deutsche Mannschaft vorbei, Fußballschauen mit schlechtem Gewissen auch. „Der Murks hat ein Ende“ gibt sich die Abendzeitung fast schon erleichtert. Aber, es gab auch erfreuliche Meldungen in der vergangenen Woche, zum Beispiel im Handelsblatt: „Dividenden steigen auf Rekordhöhe“, die 40 Dax-Unternehmen sollen 54 Milliarden Euro ausschütten. Ebenfalls ein positives Zeichen kommt von der Inflation, die Rate lag niedriger als erwartet: „Deutsche Inflation sinkt – Debatte über EZB-Kurs“ titelte die Börsen-Zeitung. Außerdem war noch in der Süddeutschen Zeitung zu lesen: „Flüssiggas aus Katar soll Deutschland helfen“, jetzt also doch. Drei Prozent unseres Jahresverbrauchs kommt per LNG aus dem Wüstenstaat, allerdings erst ab 2026. Was Oliver Stock in Markt und Mittelstand zu der flapsigen Bemerkung (ver)führte: „Rund ums Gas sind sie erfolgreicher als rund um den Fußball“, gemeint hat er die „Kataris“, bei uns ist es ja nicht einmal umgekehrt. Und zum Schluss ein Ausblick, der rundum passt: „2023 kann eigentlich nur besser werden“, lesen wir im Münchner Merkur.

Advent und Geld

Die Adventszeit ist immer auch die Zeit der Weihnachtseinkäufe. Darauf zielen wohl auch die Finanzmagazine ab, denn im Vordergrund steht bei ihnen Geld: Börse Online macht mit einem Bündel Euro-Scheine, Focus Money mit einer Handvoll Euro-Scheinen und Münzen auf. „Verdoppler, Verdreichfacher und mehr“ verspricht uns Börse Online mit: „Keine Aktie über 10 Euro“. Schnäppchen also, und zwar die „unbekanntesten und günstigsten Aktien im Check“. Das toppt Focus Money, denn hier gibt es „Rekorde, Rekorde, Rekorde“, als stehe Olympia vor der Tür. Gemeint sind „Dividenden ohne Ende“. Da käme dann doch eigentlich Dividn raus, oder täuschen wir uns? Einigermaßen wässrig kommt uns dagegen das Nebenwerte-Journal daher, es macht mit der Formel für Wasserstoff H2 auf, eingehüllt in eine Luftblase.

Fahndung 1

Eher an Aktenzeichen XY als an den Finanzsektor erinnert eine Headline in der Börsen-Zeitung: „Sparkassen fahnden nach neuem Präsidenten“. Da der bisherige Präsident Helmut Schleweis nur bis Ende 2023 Vertrag hat, möchte man möglichst schnell einen Nachfolger kreieren. Bisher haben es nur zwei ganz an die Spitze gebracht, die nicht dem Sparkassenlager entstammten: Horst Köhler, der nachmalige Bundespräsident, und Georg Fahrenschon, der vormalige bayerische Finanzminister. Vielleicht wird man sogar unmittelbar in unserer Nachbarschaft am Karolinenplatz fündig, aber dafür braucht es ganz sicher keine Sondersendung aus Aktenzeichen XY.

Fahndung 2

Auch die Schweiz fahndet. Nicht nach einem Präsidenten, sondern nach Milliarden Schweizer Franken. Im März hatte die eidgenössische Bankiersvereinigung (bei uns würde es schnöde Bankenvereinigung heißen) gemeldet, dass zwischen 150 und 200 Mrd. Schweizer Franken russischer Bürger auf Konten des Landes liegen würden. Entdeckt haben die Banken bisher aber nur 46,1 Mrd. Euro, wie die Börsen-Zeitung berichtet, „Wo sind all die Milliarden?“ Problem: Wertpapierbestände werden genauso wenig erfasst wie die Konten russischer Bürger, die eine zweite Staatsangehörigkeit „erworben“ haben.

Statistik

Glaube nur den Statistiken, die Du selbst gefälscht hast, ist ja zum Allgemeinplatz geworden, zugeschrieben wird es Winston Churchill, belegt ist das jedoch nicht, weder statistisch noch sonstwie. Deshalb sollte man ab und zu Statistik hinterfragen, so zum Beispiel beschäftigte sich Die Welt in einem langen Artikel damit, dass fast die Hälfte der Deutschen zwar sparen müsse, dies aber nicht beim Urlaub tun wolle. „Hauptsache weg“ ist der Artikel überschrieben. „Fast jeder Zweite (48 Prozent) plant, auch 2023 genauso viele Reisen zu unternehmen wie in diesem Jahr“, steht da zu lesen. Und mehr als ein Drittel zieht sogar in Erwägung, mehr zu verreisen, als im Vorjahr. Der Haken daran: Es ist eine Befragung der Flug-Suchmaschine Skyscanner. Wenn man also Leute befragt, die einen Flug suchen, um in den Urlaub zu fliegen, ob sie planen, in den Urlaub zu fliegen, wird man wahrscheinlich öfters eine positive Antwort erhalten. Also, nicht fast die Hälfte der Deutschen, sondern fast die Hälfte der Deutschen, die einen Flug suchen, wollen auch in den Urlaub fliegen – das erscheint uns dann eher wenig als viel!

Adventskalender

Kommen wir am Schluss zum Advent zurück. Das mit den Adventskalendern ist ja so eine Sache. Schon ab dem 1. Dezember werden sie quasi verschleudert, der Preisverfall ist geradezu kryptisch. Man könnte natürlich zugreifen und auf das nächste Jahr warten, aber dann entspricht die Schokolade dem Osterhasen, den man an Weihnachten schlachtet. Gut, dass es inzwischen so ziemlich alles in Form von Adventskalendern gibt, Spielzeug und Toilettenartikel, Bierdosen und ein großes Münchner Autohaus stellt sogar 24 Pkw in 24 Schaufenster. Auch Börse Online wartet mit einem eigenen Kalender auf, das erste Türchen gab's im Heft, die anderen sind auf der Website täglich zu öffnen. Dahinter: Jeweils ein „besonderer Anlagetipp“. Uns freute besonders, dass die Nummer 1 einer unserer Börsengänge, die Erlebnis Akademie aus Bad Kötzting im Bayerischen Wald, ist.