Kein glückliches Omen

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Kein Sommerloch in Sicht: Biden gibt ab, Harris greift an, Trump schlägt zurück, so könnte man diese Situation in den USA simplifizieren: „Biden-Rückzug gibt Aktienmärkten neuen Schwung“, freut sich die Börsen-Zeitung und schreibt über Kamala Harris: „Duell zwischen Staatsanwältin und Straftäter“. Doch der Auftrieb an den Märkten hält nicht an, die hochgelobten Tech-Aktien korrigieren mit teilweise zweistelligen Abschlägen, was eher die Medien als die Anleger in Panik versetzt: „Platzt die Blase der Technologiewerte?“ fragt das Handelsblatt. Düster sieht es für die deutsche Wirtschaft aus: „Ifo-Geschäftsklima: Schlechtes Omen für die Konjunktur“, klärt uns die Börsen-Zeitung über den dritten Rückgang dieses wichtigen Index in Folge auf, von „Konjunkturlethargie“ spricht Capital passend zur Sommerpause. Ein weiteres Menetekel: Die Kursstürze zweier deutscher Traditionsunternehmen, wie eine Doppelseite aus der Börsen-Zeitung belegt: „BayWa wird radikal zurechtgestutzt“ steht auf der einen, „Varta-Aktionäre stehen vor dem Totalverlust“ auf der anderen Seite zu lesen. „Absturz eines Bayern-Riesen“, nennt es die Abendzeitung. Immerhin scheint der Riese auf dem Wege der Genesung zu sein: „Gesellschafter-Darlehen verschafft Baywa Luft“ beruhigt das Handelsblatt und das manager magazin überrascht mit „BayWa schreibt wieder schwarze Zahlen“, während die Börsen-Zeitung nachlegt: „BayWa drohen erneut hohe Belastungen“. Ob da am (Michael) Ende ein Scheinriese um die Ecke kommt?

Ausbruch

Einigermaßen bunt kommen die Finanzmagazine der Woche daher: Hurtig auf den schaumbekrönten Wellen tanzt ein Papierschiffchen, geformt aus einer 100-Euro-Banknote, auf dem Cover von Focus Money: „Die besten ETF-Strategien – sicher & stark“, lassen sich augenscheinlich nur schwer visualisieren. Ein Schild im goldenen Lorbeerkranz kredenzt Börse Online mit der Aufschrift: „Die höchsten Dividenden der Welt“, verbunden mit einer „großen Analyse“ und der seltsam anmutenden Zahlenreihe: „10%, 15%, 26% Dividende“. Und dazu: „Kursverdoppler“. Ein Adlerkopf vor US-Flagge auf schwarzem Grund präsentiert Der Aktionär: „Ausbruch. 100 Prozent Gewinn mit den besten amerikanischen Nebenwerten“. Ein goldbetresstes Model mit Hut und Handschuhen zeigt sich auf dem Traders‘ Cover: „Gold – die Chance des Jahrzehnts“. Dazu gibt es noch „Faszination Small Caps“. Wenn das alles keine Sommerlektüre darstellt, was dann?

Beglückt

„Geld schießt keine Tore“, heißt es gerne im Fußballjargon und die Süddeutsche Zeitung zitiert auch noch Paul McCartney mit dem Beatles-Song: „Can’t buy me love, no-no-no, no!“ Der Brite muss es wissen, schließlich verfügt er über ausreichend Money. Trotzdem suggeriert(e) uns die Wirtschaftspsychologie, dass es einen Punkt geben soll, eine Art „Glücksplateau“, ab dem mehr Geld nicht auch mehr Glück verheißt. Eine aktuelle Studie aus den USA belegt jetzt aber, dass dieses Plateau gar nicht existiert, oder extrem hoch ist: Milliardäre seien nämlich glücklicher als Millionäre und diese wiederum glücklicher als die Mittelschicht. Das Glück wächst stetig weiter mit der Fülle im Geldbeutel und dem Freiheitsgefühl, das es vermittelt, so der US-Glücksforscher Matthew Killingsworth, der hoffentlich über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, um Glücksgefühle nicht nur in der Theorie zu erforschen. Abba wusste es offensichtlich schon immer: „Money, Money, Money must be funny / In the rich man’s world. Money, Money, Money always sunny / In the rich man’s world“.

Elektrisiert

„Der große SUV-Irrtum“ lautet der Aufmacher auf der Titelseite des Handelsblattes. Hintergrund: Die deutschen Autobauer setzen bei Stromern zu sehr auf teure SUVs, was sich negativ auf die Absatzzahlen auswirkt. Denn die Verbraucher suchen nach Neuwagen zum Preis von um die 30.000 Euro – und da gibt der Markt derzeit wenig her. Auf Seite 4 lesen wir detaillierter, dass 2019 noch 70 Prozent aller in Europa zugelassenen E-Autos Kleinwagen waren, mit z.B. VW und Renault an der Spitze der Hersteller. Mit Einführung der Kaufprämien änderte sich das Bild, die E-Autos wurden größer und vor allem teurer. Unsere eher simplen Thesen dazu: Je teurer das Auto, desto höher die Kaufprämie und damit die Ersparnis. Von Reichen kann man das Sparen lernen, hieß es schon immer! Zweitens: Gefragt dürfte als E-Auto vor allem der kleine Flitzer für die Stadt sein, da sind riesige SUVs eher unpraktisch. Den hat man gerne zusätzlich in der Garage stehen, meist als Diesel für die weiten Strecken. Logisch, dass chinesische E-Autos jetzt durch Zölle verteuert werden – bis die europäischen Hersteller es wieder schaffen, günstigere Modelle auf den Markt zu werfen.

Alle Wetter

Ältere können sich noch an den bekannten und einprägsamen Spruch erinnern: „Wir fahren bei jedem Wetter“, untermalt mit einem Bild, in dem sich eine Lok durchs Schneetreiben kämpft. Inzwischen ist das Wetter, das zum Extremwetter mutiert ist und als einfaches Wetter gar nicht mehr vorkommt, nicht nur an den hanebüchenen Verspätungen der Bahn Schuld, sondern auch noch am Milliardenverlust der DB AG. Was dem Fußballer der Rasen, ist dem Bahn-Chef offensichtlich das Wetter. „Staatskonzern macht eine Milliarde Verlust“, stellt die Süddeutsche Zeitung fest. Als quasi konkurrenzloser Betrieb im Mittelpunkt der „Verkehrswende“ muss man das auch erst einmal hinbekommen. Und während die Bahn jahrelang händeringend Verstärkung suchte, sollen jetzt 30.000 Mitarbeiter entlassen werden. Wir vermuten, dass das Bordbistro künftig einem Automatencafé weicht, das aber eh von niemanden mehr bestückt wird. Und auf dem Bahnsteig jemanden zu treffen, der Auskunft geben kann, auf welchem Gleis in welcher Wagenreihung zu welcher Zeit der gebuchte Zug nun eigentlich kommt, dürfte auch immer schwieriger werden.