Es könnte aber auch anders kommen. Konsumenten sind flexibel. Aus Gründen des Kaufkraftverlustes und aus Zukunftsangst befriedigen sie im Augenblick eher ihre Grundbedürfnisse mit günstigen Artikeln und stellen anderen Schnick-Schnack zurück. Das signalisiert nicht zuletzt eine Konsumstimmung wie auf dem Friedhof. Dieses Kaufverhalten konnte bereits während der Ölpreiskrisen beobachtet werden. Ich erinnere mich, dass damals das Geld zusammengehalten wurde wie ein Schatz. Damit greifen massive Kostenweitergaben der Unternehmen wegen Käuferstreik ähnlich ins Leere wie die Zahnbürste bei fehlenden Zähnen. Es wird z.B. bei Möbeln wahre Rabattschlachten geben.
Und natürlich wird Vater Staat weiter in die Energiepreise eingreifen. Gelbwestenproteste wie in Frankreich sind für an Wiederwahl denkende Politiker nicht erwünscht. Zunächst kommt es zu einer Strompreisgrenze. Sinnvoll wäre es zudem, auf die „Von hinten durch die Brust ins Auge“-Gasumlage zu verzichten. Welchen Sinn macht es, erst die Gaskunden zu schröpfen und anschließend Wohltaten zu verteilen? Der Staat sollte sich wie jetzt im Falle
Uniper direkt an den Gaslieferanten beteiligen, wie bei Strom auch eine Gaspreisgrenze einführen und die darüberhinausgehenden Kosten vorübergehend auf den eigenen Deckel schreiben. Ja, das klingt zugegebenermaßen nicht nach Marktwirtschaft. Doch muss die mittelständische Industrie als unser größter Schatz mit gewaltiger Beschäftigung gestützt werden. Daran darf sich kein Wirtschaftspolitiker versündigen.
Wichtig dabei ist genauso, dass Politiker der Bevölkerung reinen Wein einschenken. Der Staat ist niemals in der Lage ist, Verbraucher finanziell so zu stellen wie vor der Energiekrise. Sonst übermannte uns die Staatsverschuldung, die als Bumerang von Steuererhöhungen zurückkommt.
Grundsätzlich muss in puncto Energiepolitik pragmatisch schlaues Denken sture parteipopulistische Prinzipientreue ersetzen. Jede vorhandene Energieform muss maximal genutzt werden. Mit dieser „Wir haben verstanden“-Energiepolitik würde man ebenso den Terminmärkten für Strom und Gas Energie nehmen, die ansonsten die Preise aufheizen könnten wie Durchlauferhitzer das Badewasser. Und man würde auch Putin Dampf aus dem Kessel nehmen. In diesen wirtschaftlichen Zeiten geht es nämlich auch um Psychologie. Ludwig Erhard wusste das. So manchem seiner Nachfolger scheint es aber weniger um die Wirtschaft als um den Titel des Moralweltmeisters zu gehen.