Japans Erholung – aber diesmal richtig!

Naomi Fink, Nikko Asset Management
Naomi Fink / Bild: Nikko Asset Management
Japanische Aktien haben zuletzt von vielen Faktoren profitiert – von der hohen weltweiten Liquidität, der Stärke des Dollars bei schwachem Yen und von der Risikobereitschaft der Anleger aus aller Welt. Diesmal ist es an der Börse jedoch mehr als ein zyklisches Strohfeuer. Dank sei der Reflationsdynamik, die eine strukturelle Erholung untermauert.

BOJ will Wachstum und Reflation

Die Bank of Japan (BOJ) betont immer wieder, dass sie Wachstum und Reflation sehen will, um zu dem Schluss zu kommen, dass Japan seine „verlorenen Jahrzehnte“ wirklich hinter sich hat. Einerseits liegt der Anstieg des Kern-Verbraucherpreisindex seit fast zwei Jahren über dem Inflationsziel der BOJ von 2 Prozent. Welche Beweise, so fragen die Falken, braucht die Zentralbank noch?
 
Die Tauben könnten diese Frage mit dem Hinweis beantworten, dass nicht nur die Energie- und sonstigen Rohstoffpreise zuletzt gedämpfter gestiegen sind, was in vielen Industrieländern eine Disinflation ermöglicht hat, und dass das reale BIP mit dem zweiten negativen Quartal nacheinander in eine technische Rezession zurückgefallen ist.

Deutliche Erholung voraus!

Die Daten zeigen aber auch, dass Japan an der Schwelle zu einer deutlichen strukturellen Erholung steht. Das reale BIP schrumpfte zuletzt zwar gegenüber dem Vorquartal; das nominale Wachstum stieg jedoch um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal bzw. um gesunde 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die Unternehmenserträge in nominalen Werten ausgedrückt werden und die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Umsätze zu höheren Preisen aufrechtzuerhalten, ein Reflationssignal darstellt. Die Unternehmensgewinne stiegen bis zum dritten Quartal 2023 um 20,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Reflationfunke zündet Strukturreformen

Diese Dynamik ist ein echter Unterschied zu den „verlorenen Jahrzehnten“, in denen die Wirtschaft auf Preisrückgänge angewiesen war, um ein schwaches reales BIP-Wachstum zu erzielen, während das nominale BIP-Wachstum negativ blieb. Im deflationären Umfeld war es für Unternehmen vernünftig, an ihren Barmitteln festzuhalten, Ausgaben aufzuschieben und die Aktieninvestoren zu verwässern. Ein nominales Produktionswachstum hingegen schafft Bedingungen, unter denen Unternehmen ihre Barmittel zu Investitionen, Aktienrückkäufen, Lohnerhöhungen und den Verkauf von Überkreuzbeteiligungen nutzen können, um größere Gewinnspannen zu erzielen. Dies sind die Strukturreformen, auf die die Investoren seit Jahrzehnten gewartet haben. Die staatlichen Initiativen zu diesen Reformen setzten den Funken der Reflation voraus, um überhaupt stattfinden zu können. Die gegenwärtigen Bedingungen bieten einen stärkeren Reflationsfunken und sind daher für Strukturreformen förderlicher als in der Vergangenheit.

Den positiven Kreislauf am Leben erhalten: Was muss geschehen?

Der Strukturwandel ist keineswegs abgeschlossen, weder in der Gesamtwirtschaft noch bei den privaten Haushalten. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass das Land aus struktureller Sicht endgültig die Kurve gekriegt hat. Die angespannte Beschäftigungslage derzeit weist zum Beispiel strukturelle Elemente auf. Vor dem Jahr 2021 nahm die Zahl der Arbeitskräfte über ein Jahrzehnt lang ab, während die Erwerbsbeteiligung stieg – vor allem bei Frauen und Personen im Rentenalter. Dies hielt die Lohnentwicklung in Grenzen.
 
Seit 2021 verzeichnen die Nominallöhne Zuwächse. Der Anstieg der Erwerbsbeteiligung ist begrenzt und wird den Lohnanstieg nicht weiter eindämmen können. Die jährliche „Frühjahrsoffensive“ der Gewerkschaften dürfte weitere Lohnerhöhungen bringen. Da die volatileren Komponenten der Inflation gedämpft sind, könnten die Reallöhne noch vor 2024 steigen. Reallohnzuwächse sind für die Konjunkturbelebung von größter Bedeutung, da sie es den Haushalten ermöglichen, Preissteigerungen zu akzeptieren, ohne ihr Konsumvolumen einzuschränken. Dies kann langfristig zu einem Anstieg des Konsums führen.

Zusammensetzung des Wachstums

Seit 2020 tragen die Nettoexporte (die nur 1 Prozent des BIP ausmachen) überproportional zum japanischen BIP-Wachstum bei. Die viel größeren Sektoren der privaten Haushalte und der privaten Nichtwohnungsunternehmen (38 Prozent bzw. 11 Prozent des BIP) leisteten viel kleinere Beiträge. Beide Sektoren haben jetzt das Potenzial, wesentlich mehr zum japanischen BIP-Wachstum beizutragen, wenn die Wachstums- und Reflationserwartungen intakt bleiben.
 
Eine wichtige Hinterlassenschaft der Deflation sind die die massiven Bargeldbestände der Haushalte (über 1 Billion JPY) und der Unternehmen (über 300 Billionen JPY). In der Reflation können die Haushalte ihr Bargeld auf zwei verschiedene Arten besser für sich nutzen: durch mehr Konsum und durch Investments in Finanzmarktanlagen – für mehr Konsum zu einem späteren Zeitpunkt.
Naomi Fink ist Global Strategist  bei Nikko Asset Management.