Das Umfeld begünstigt aktive Stockpicker

Alexandra Morris, SKAGEN Funds
Alexandra Morris / Bild: SKAGEN Funds
  • Das makroökonomische Bild erscheint klarer und die Inflation geht weiter zurück, der US-Notenbank Fed könnte die sanfte Landung tatsächlich gelingen
  • Die relativen Bewertungen von Substanzaktien sind noch immer auf historischen Tiefwerten und „Value“ eröffnet Investoren enormes Potenzial
  • Aktives Management ist angesichts des hohen Konzentrationsrisikos wichtig
Das makroökonomische Bild wird klarer und die Inflation geht weiter zurück. Viele Beobachter – mich eingeschlossen – glauben inzwischen, dass der Fed eine sanfte Landung gelingen könnte.
 
Bislang war 2023 ein Jahr der Überraschungen. Zum Jahresanfang erwarteten die meisten Ökonomen noch eine weltweite Rezession. Die gängige Meinung war, dass die Notenbanken die Inflation nur bekämpfen können, indem sie über eine Straffung der Geldpolitik die Nachfrage drosseln. Doch die konjunkturelle Verlangsamung konnte zumindest in den USA bislang glücklicherweise vermieden werden.

„Überraschungsindex“ markiert Höhepunkt

In den USA, wo die Zinssätze auf den höchsten Stand seit 2008 gestiegen sind, verzeichnete der „Economic Surprise Index“ in diesem Jahr die positivsten Schocks seit fast zwei Jahrzehnten (COVID ausgenommen). Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen – und da globale Aktien zuvor ihre schlechteste Zwölf-Monats-Rendite seit 15 Jahren erzielt hatten – erwarteten nur wenige zu Jahresbeginn eine positive Aktienentwicklung. Der „Fear & Greed Index“ signalisierte klar „Angst“: Fondsmanager waren in Anleihen übergewichtet und das Put/Call-Verhältnis – ein Indikator für die Nervosität der Anleger – war so hoch wie nie zuvor. Wenn wir jedoch im Jahr bis Ende September springen, verzeichneten globale Aktien seit Jahresbeginn auf Eurobasis Zuwächse von 11 Prozent.
 
Eine weitere Überraschung: die Outperformance wachstumsstarker Technologieunternehmen in einem schwachen Umfeld mit steigenden Zinsen. Noch unerwarteter war der große Beitrag einiger weniger Aktien zum Marktanstieg. Die sieben größten Unternehmen haben in diesem Jahr rund vier Fünftel zum 13-prozentigen Anstiegs des S&P 500 beigetragen – auch das ist ein neuer Rekord.

Starke Fonds-Performance

Zu Beginn des Jahres war ich optimistisch, dass Substanzwerte vor Wachstumstiteln liegen werden. Doch die von wenigen Aktien getragene Kursentwicklung bedeutet auch, dass sich mein Optimismus (bislang) als fehl am Platz erwiesen hat: Growth liegt mit 16 Prozentpunkten vor Value. Diese hohe Konzentration auf einige wenige große Unternehmen hat es Stockpickern schwieriger gemacht, den Markt zu schlagen. Erfreulicherweise liegen trotzdem vier unserer fünf Aktienfonds seit Jahresbeginn als auch über die vergangenen zwölf Monate über ihren Benchmarks. Es passt auch zu unserem längerfristigen Anlagehorizont, dass die meisten unserer Fonds ihre Indizes auch über den Drei- und Fünf-Jahreszeitraum schlagen. Weitere Informationen zu den aktuellen Leistungstreibern und Portfolioaktivitäten der Fonds finden Sie in unseren neuesten Quartalsberichten.

Substanzwerte haben enormes Potenzial

In meinem vorherigen Update schrieb ich über die Risiken, die das Ungleichgewicht am Aktienmarkt und die unsicheren Wirtschaftsaussichten mit sich bringen. Inzwischen bin ich optimistischer. Der S&P 500-Index ist seit seinem Sommerhoch um 7 Prozent gesunken (ab 10 Prozent sprechen wir von einer technischen Korrektur). Zudem ließen die Aktien im dritten Quartal an Schwung nach, die zuvor den Aktienmarkt antrieben. Jeder der „Glorreichen Sieben“ schnitt bei der Aktienkursentwicklung deutlich schwächer ab als in den vorangegangenen sechs Monaten: Die Bewertungen sanken und nur drei der sieben lieferten überhaupt positive Renditen. Dies führte dazu, dass Wachstumsaktien im Laufe des Quartals um drei Prozentpunkte hinter Substanzwerten zurückblieben. Doch noch immer liegen Value-Aktien relativ betrachtet weiterhin nahe eines 30-Jahres-Tiefs und weisen enormes Potenzial auf.
 
Auch das makroökonomische Bild erscheint klarer und die Inflation geht weiter zurück. Viele Beobachter – mich eingeschlossen – glauben mittlerweile, dass der US-Notenbank Fed eine sanfte Landung gelingen könnte. Die Anleger scheinen endlich überzeugt zu sein, dass die Zentralbanker alles tun werden, um den Preisanstieg zu bremsen. In dem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass die Inflationserwartungen nicht so aus dem Ruder gelaufen sind wie in den 1970er Jahren.
Die Fed signalisierte kürzlich, dass der aktuelle Zinserhöhungszyklus vorbei sei – dazu trug auch die Unterstützung durch steigende Renditen langlaufender US-Anleihen bei. Dennoch erwarte ich in absehbarer Zeit keine Zinssenkungen. Die Inflation ist hartnäckig und dürfte weiter über dem Zwei-Prozent-Ziel der Zentralbank bleiben, wie der über den Erwartungen liegende Septemberwert signalisierte. Die Preise für Nahrungsmittel und Wohnen sind immer noch hoch, und der Ölpreis könnte wieder steigen, insbesondere wenn die schreckliche Situation in Israel eskaliert oder sich auf den weiteren Nahen Osten ausweitet.
 
Es ist auch gut möglich, dass die Zentralbanken angesichts der jüngsten Erfahrungen und der unbeabsichtigten Folgen der Förderung von Spekulationen mit Hochrisiko-Kryptowährungen, SPACS und Meme-Aktien davor zurückschrecken, überhaupt zu einem Umfeld sehr geringer Kreditkosten zurückzukehren.
 
Ein Umfeld mit positivem Wirtschaftswachstum und höheren Zinssätzen dürfte angesichts des Rückenwinds für Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Energie, Grundstoffe, Industrie und Basiskonsumgüter sowie des Gegenwinds für Sektoren wie IT weiterhin Substanz- gegenüber Wachstumswerten begünstigen. Darüber hinaus begünstigt das Umfeld die aktive Aktienauswahl, da das Konzentrationsrisiko passiver Anleger weiterhin auf einem Rekordhoch liegt6. Die „Magnificent Seven“ machen mittlerweile 28 Prozent des S&P 500-Index aus und die ungesunde Bewertungslücke zwischen den zehn größten Aktien und dem Rest des Index ist mit Ausnahme der Pandemie immer noch auf dem höchsten Stand seit der Dotcom-Blase.

Vorsicht bleibt weiterhin geboten

Ein paar Ereignisse könnten meinen vorsichtigen Optimismus zunichte machen. So könnten höhere Ölpreise die Inflation ankurbeln, was wiederum zu weiteren Zinserhöhungen und einem langsameren Wirtschaftswachstum führen würde. Und die Volatilität an den Kreditmärkten, wo die Renditen zehnjähriger Anleihen kürzlich ein 16-Jahres-Hoch erreichten, könnte wie schon Anfang des Jahres auf den Finanzsektor übergreifen. Zudem verschärfen sich die geopolitischen Spannungen rund um den Globus erneut. Auch das könnte Anleger aus riskanten Anlagen in sichere Häfen treiben.
Beim Investieren gibt es stets Risiken und zugleich Chancen für diejenigen, die diese erfolgreich bewältigen. Auf dem weiteren Weg wird es zwangsläufig weitere Überraschungen geben – positive als auch negative – aber ich bin zuversichtlich, dass unsere erfahrenen Portfoliomanagement-Teams für unsere Kunden den richtigen Kurs wählen werden.
Alexandra Morris ist seit September 2016 Investment Director bei SKAGEN Funds und leitet das Investment-Team. In dieser Funktion ist sie für die Anlageentscheidungen und Ergebnisse aller SKAGEN Fonds-Teams verantwortlich. Alexandra hat in mehr als 20 Berufsjahren vielfältige Erfahrungen in der Investmentbranche gesammelt – als Portfoliomanagerin, als Broker, als Investor Relations Director genauso wie als Investment Director. Alexandra ist CFA-diplomierte Finanzanalystin und hat an der Universität St. Gallen in der Schweiz studiert. Sie besuchte auch die International Management School von Nycomed.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC S&P 500 N.A. N.A.
close

Populäre Aktien