Dr. Johannes Mayr / Bild: Eyb & Wallwitz
Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und die Krise der Credit Suisse
wecken bei Investoren Erinnerungen an den Beginn der Finanzkrise
2007/08. Ein Blick auf die Details zeigt die Besonderheiten der Fälle.
Die Dynamik der Zinswende und deren Folgen mahnen aber auch zu einem
umsichtigen Risikomanagement.
Zinswende hinterlässt Risse in Bankbilanzen und birgt Risiken für Finanzstabilität
Mit einer Bilanzsumme von rund 210 Mrd. USD (Rang
16. der größten US-Banken) war die SVB ein zentraler Gläubiger für
Risikokapital in der US-Tech Industrie. Auslöser der Krise war eine
Meldung nach hohen Einlagenabflüssen, worauf die Bank mit dem Verkauf
von Anleihen reagierte. Die sich dadurch ergebende Realisation von
Verlusten ließ die Eigenkapitalbasis rasch erodieren, eine geplante
Kapitalerhöhung schlug fehl. Die Bankenaufsicht FDIC musste die Bank
schließen. Auch die Credit Suisse kämpft mit Einlagenabflüssen und leiht
sich zur Stützung 50 Mrd. Euro bei der Nationalbank des Landes. Eine
systemische Bankenkrise scheint zwar in den USA wie auch in Europa wenig
wahrscheinlich. Die Herausforderungen für das Bankensystem und damit
die Finanzstabilitätsrisiken sollten in beiden Regionen aber nicht
unterschätzt werden. Denn die dynamische Zinswende der Notenbanken setzt
die Bilanzen an mehreren Stellen unter Druck. Angesichts der
konjunkturellen Unwägbarkeiten muss die Risikovorsorge angehoben werden.
Gleichzeitig bergen die Bestände von bonitätsstarken Wertpapieren durch
den Zinsanstieg teils erhebliche unrealisierte Verluste. Und die
Einlagenbasis gerät durch die höheren Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt
unter Druck. Darüber hinaus belastet die Abflachung bzw. Inversion der
Zinskurven die Margen und bremst das Neugeschäft. Eine rasche Aufhellung
scheint wenig wahrscheinlich.
Notenbanken zunehmend in Zielkonflikten
Die jüngsten Entwicklungen legen nahe, dass die
Schmerzgrenze für die Finanzstabilität auf einem niedrigeren
Leitzinsniveau liegt als für die Realwirtschaft. Die Bekämpfung der
Inflation kommt deshalb zunehmend in Konflikt mit der Sicherung der
Stabilität des Finanzsystems. Ein möglicher Grund hierfür ist die lange
Niedrigzinsphase im Vorfeld der Krise, welche u.a. zu einem starken
Anstieg der Zinsänderungsrisiken im Bankensystem geführt hat. Angesichts
des kurzfristig kaum abebbenden Inflationsdrucks könnte der Zinsgipfel
zwar etwas niedriger liegen, eine rasche Zinswende halten wir aber
weiterhin für wenig realistisch. Vielmehr werden die Notenbanken
versuchen den Balanceakt zwischen Inflationsbekämpfung und Sicherung der
Finanzstabilität mit temporären und minimalinvasiven Liquiditäts- und
Abschirmungsmaßnahmen zu meistern. Mit weiteren Kollateralschäden muss
deshalb gerechnet werden.
Was heißt das für die Anlage? Vorsicht bei Banktiteln
Die Sorge vor einer neuen Bankenkrise setzt die
Finanzmärkte global unter Druck. Eine Überprüfung des Engagements im
Sektor ist für Anleger deshalb wichtig. Und auch mit Blick auf die
kommenden Monate mahnt die Entwicklung zu einem umsichtigen
Risikomanagement. Denn die Finanzierungskonditionen für die Wirtschaft
stehen noch nicht im Einklang mit den höheren Leitzinsen und müssen sich
wohl noch weiter verschärfen. In jedem Fall nimmt das Risikobewusstsein
an den Kapitalmärkten zu, was prinzipiell nach den letzten Wochen einer
gefühlten „Sorglosigkeit“ ein gutes Zeichen ist. Positiv ist, dass die
Hedge-Funktion von bonitätsstarken Anleihen wieder greift. Denn die
Aussicht auf einen weniger aggressiven Kurs der Notenbanken hat hier zu
teils erheblichen Kursgewinnen geführt. Auch deshalb sind
Wachstumsaktien weniger stark getroffen als Banktitel und andere
zyklische Sektoren. Hier lauern zudem die größten Überraschungsrisiken.
Die Selektion von Monopolisten und Herausforderern in langfristigen
Wachstumstrends (Schumpeter-Ansatz) zeigt in einer solchen Phase seine
Stärke.
Dr. Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der
Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH,
einem der größten in Deutschland für die Finanzportfolioverwaltung
zugelassenen unabhängigen Verwalter mit Sitz in München und
Frankfurt.