Mario Linimeier/Bild: ApoAsset
In der EU gilt eine Krankheit als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Von diesen Seltenen Krankheiten (Orphan-Erkrankungen) gibt es weltweit rund 7.000. Forschungserfolge in der Medizin ermöglichen immer häufiger ihre Behandlung. Es handelt sich um einen Bereich des Gesundheitssektors mit sehr guten Wachstumsperspektiven.
Die Zahlen machen den Handlungsbedarf deutlich: In rund 50 Prozent der Fälle sind Kinder von Orphan‐Erkrankungen betroffen. Rund 30 Prozent von ihnen sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind. Es handelt sich also häufig um sehr schwerwiegende und lebensbedrohliche Krankheiten.
Bislang sind erst fünf Prozent dieser Seltenen Erkrankungen mit zugelassenen Medikamenten behandelbar. Es besteht somit ein enormer Bedarf an neuen und innovativen Therapien. Allein in den USA, dem größten Healthcare‐Markt der Welt, leiden schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Menschen unter Orphan‐Krankheiten und benötigen wirksame Behandlungsoptionen. In der EU leben ähnlich viele Menschen mit einer Seltenen Krankheit, allein in Deutschland sind es vier Millionen Menschen, so das Bundesministerium für Gesundheit.
Staatliche Unterstützung
Die Seltenheit der verschiedenen Krankheiten erschwert medizinisch und wirtschaftlich die Entwicklung neuer Medikamente und ihre Behandlung. Daher haben die Staaten für die Arzneimittelhersteller verschiedene Anreize geschaffen, damit für diese Nischen‐Indikationen neue Therapien entwickelt werden. So gilt in den USA eine siebenjährige Marktexklusivität. In Europa ist der Schutz sogar zehn Jahre lang gültig. Die Forschung ist aufwendig und von Rückschlägen begleitet, das Skalierungspotenzial erfolgreicher Therapien ist begrenzt. Die Behandlungskosten sind daher nicht mit anderen Medikamenten vergleichbar und können durchaus im sechsstelligen US‐Dollar‐Bereich liegen.
Die öffentliche Hand unterstützt Unternehmen in diesem Bereich mit steuerlichen Vergünstigungen und kurzen Zulassungswegen. In der Regel reichen positive Ergebnisse in kleinen Studien mit wenigen Patienten aus, um eine Zulassung zu erhalten. Für die entsprechenden Biopharma‐ Unternehmen bringt das spürbare Vorteile. Die Entwicklungszeiten sind tendenziell kurz, was sich auch positiv auf die Kosten auswirkt.
Schließlich gelten die Patienten als gut informiert und untereinander eng vernetzt, um sich über Therapieansätze und ‐erfolge schnellstmöglich auszutauschen. Diese Diskussion hilft auch den Unternehmen bei der Entwicklung, Verbreitung und Optimierung der Therapien.
Aussichtsreicher Wachstumsmarkt
Angesichts der genannten Anreize ist die Entwicklung von Orphan‐Arzneimitteln für die Biopharma‐Industrie ein wichtiges Segment. Darüber hinaus ermöglichen neue Erkenntnisse in der molekularbiologischen Forschung die Entwicklung neuer, hochwirksamer Behandlungsansätze ‐ zum Beispiel von Gentherapien oder RNA‐basierten Therapien.
Dies schlägt sich auch in den Umsatz‐Prognosen für das Orphan‐Segment nieder: Der Umsatz für Arzneien zur Behandlung Seltener Krankheiten soll von 150 Milliarden US‐Dollar im Jahr 2020 auf mehr als 240 Milliarden US‐Dollar in 2024 wachsen. Das bedeutet einen Anstieg von 60 Prozent in gerade einmal vier Jahren beziehungsweise von 12,3 Prozent per annum. Zum Vergleich: Der Markt für herkömmliche Medikamente wächst jährlich um sechs Prozent.
Und noch eine Prognose weist auf die stark zunehmende Bedeutung von Therapien zur Behandlung Seltener Krankheiten hin: Der Anteil der Arzneimittel zur Behandlung von Orphan‐Krankheiten am gesamten Medikamentenmarkt soll sich bis 2024 im Vergleich zum Jahr 2010 auf 20 Prozent verdoppeln.
Aktien‐Segment mit Potenzial
Diese Zahlen verdeutlichen das enorme Wachstum dieses Marktsegments. Seltene Krankheiten sind für die entsprechenden Biopharma‐Unternehmen kein Randthema mehr, sondern ein zunehmend wichtiger Teil ihrer Aktivitäten. Sind diese Unternehmen börsennotiert, bieten sie Anlegern die Chance, an diesem medizinisch und sozial wichtigen Marktsegment wirtschaftlich teilzuhaben. Investoren sollten jedoch auch immer bedenken, dass es nicht unerhebliche Rückschlagrisiken gibt, wenn ein neuer und innovativer Wirkstoff nicht die Marktreife erlangt. Daher ist eine breite Streuung anzuraten. Angesichts der Fülle an potenziell bahnbrechenden Medikamenten, die sich derzeit in der Entwicklung befinden, gibt es zahlreiche Investmentopportunitäten.
Mario Linimeier ist Geschäftsführender Gesellschafter und Portfoliomanager der Medical Strategy GmbH, an der die
Apo Asset Management GmbH (apoAsset) beteiligt ist. Der Betriebswirt und Molekularbiologe ist Co-Manager der Biotechnologie-Fonds von Medical Strategy sowie des Gesundheitsfonds
apo Medical Opportunities, den apoAsset und Medical Strategy gemeinsam managen. Er ist seit 2013 bei Medical Strategy, zuerst als Healthcare-Analyst und seit 2016 als Geschäftsführer. Er studierte an der Universität Wien Genetik / Molekularbiologie sowie an der Johannes Kepler Universität Linz und der Seoul National University Wirtschaftswissenschaften.