Börse München - mit der weißen Fahne "Tag der Befreiung"
Am 30. April 1945 zog die US-Armee in München ein und beendete damit das wohl dunkelste Kapitel der bayerischen Hauptstadt, die im Dritten Reich den offiziellen Titel "Hauptstadt der Bewegung" getragen hatte. Drei Divisionen der 7. US-Armee stießen auf so gut wie keinen Widerstand, die Münchner waren trugmüde und demoralisiert. Bis kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner wurden noch alle Versuche einer friedlichen Übergabe von den Nazis unter Gauleiter Paul Giesler unterdrückt, der Aufstand der Freiheitsaktion Bayern in den letzten Kriegstagen blutig niedergeschlagen. An sie erinnert bis heute die "Münchner Freiheit".
 
"Die Wiege der Nazi-Bestie" sei damit gefallen, schrieb der US-General und spätere Präsident Dwigth D. Eisenhower in sein Tagebuch. Die Bevölkerung hieß die GIs begeistert willkommen, wobei diese Begeisterung wohl vor allem der Erleichterung geschuldet war, dass damit die Bombennächte und die Kriegshandlungen vorbei waren. Das Resultat des "1000jährigen Reiches" für die Stadt war ernüchternd: Nur etwa 10 Prozent der Wohnungen in der Altstadt waren noch bewohnbar, fast 300.000 Einwohner obdachlos, 35 Prozent der Läden waren nur noch ein Haufen Schutt und Asche.

Tag der Befreiung oder Tag der Niederlage?

Als offizieller "Tag der Befreiung" wird in vielen Ländern der 8. Mai gefeiert, der Tag, an dem die Kampfhandlungen eingestellt worden waren, nachdem am Vortag die deutsche Armee unter General Jodl die bedingungslose Kapitulationsurkunde in Reims unterschrieben hatte. Damit war der Krieg mit dem Deutschen Reich offiziell beendet. Doch lange Zeit konnte die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Datum wenig anfangen. Erst 1980 änderte sich dies und zum 40. Jahrestag wurde vom Deutschen Bundestag dieses Tages gedacht und Bundespräsident Richard von Weizsäcker nannte ihn in seiner Rede den "Tag der Befreiung" - was allerdings eine kontroverse Diskussion auslöste: Könne man eine totale Niederlage wirklich als einen Tag der Befreiung begehen? Kann man. Im Jahr 2000 betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass ernsthaft niemand mehr daran zweifeln könne, dass dieser Tag ein "Tag der Befreiung vor nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges" sei. In den Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist der 8. Mai unter dieser Bezeichnung ein staatlicher Gedenktag, in Berlin wird dies seit diesem Jahr so sein.

75 Jahre danach - keine Feier wegen Corona

75 Jahre nach der Befreiung Münchens durch die Amerikaner können aufgrund von Corona keine Feierstunden abgehalten, keine Reden geschwungen und keine Demonstrationen durchgeführt werden. Deshalb haben sich der Künstler Wolfram Kastner und der Grafikdesigner Michael Wladarsch zu einer leisen, aber wirkungsvollen Gedenkart entschlossen: Möglichst viele öffentliche Gebäude und auch Privathäuser sollen weiße Fahnen aus den Fenstern hängen lassen, zum Zeichen für den Frieden. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter hat die Schirmherrschaft über diese Aktion übernommen und viele Häuser machen mit: die Staatskanzlei, die Technische Universität, das Stadtmuseum, das Haus der Kunst und die Musikhochschule sowie der Sparkasseverband, um nur einige zu nennen.
 
Auch die Börse München ist mit dabei. Mit ihrem Sitz am Karolinenplatz befindet sie sich im Zentrum des ehemaligen "braunen" Münchens. Nicht weit entfernt liegen das ehemalige Wittelsbacher Palais, zur NS-Zeit Sitz der Gestapo und heute durch den Neubau der BayernLB ersetzt. Das "Braune Haus" als Parteizentrale der NSDAP liegt fast gegenüber, nach dem Krieg abgerissen, an dieser Stelle steht heute das NS-Dokumentationszentrum. Nicht weit vom Karolinenplatz liegt der Königsplatz mit den beiden NS-Gebäuden: Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte und die Abgusssammlung befinden sich im ehemaligen Verwaltungsbau der NSDAP und die Musikhochschule im ehemaligen "Führerbau". Insofern war es der Börse München, die auch noch genau gegenüber dem Amerikahaus liegt, ein Bedürfnis, die weiße Fahne als Symbol des Friedens und gerade auch in diesen Zeiten der Pandemie als Zeichen der Zuversicht zu hissen.