Aktienrente als verpasste Chance? Auch für Banken?

Karl im Brahm, Objectway
Karl im Brahm / Bild: Objectway
Die Einführung der Aktienrente in Deutschland könnte nicht nur das Rentensystem stärken, sondern auch die Finanzbranche grundlegend verändern. Wir sehen in der Reform eine verpasste Chance für Privatbanken und Fintechs, sollte sie nicht umgesetzt werden. Denn sie hat das Potenzial, das Marktvolumen zu erweitern, die Nachfrage nach innovativen Anlageprodukten zu steigern und die private Vermögensverwaltung in das Bewusstsein neuer Anleger zu rücken. Ohne die Reform könnte der deutsche Wealth-Management-Sektor im internationalen Vergleich weiter zurückfallen – insbesondere gegenüber dem Vorreiter Großbritannien, wo bereits Teile der Rente am Aktienmarkt investiert sind. Finanzunternehmen müssen aber ihre IT und Compliance anpassen, um von einer möglichen Einführung zu profitieren.
Die Aktienrente, auch „Generationenkapital“ genannt, sorgt für lebhafte Diskussionen in Deutschland. Ziel der Reform ist es, einen Teil der staatlichen Rentenbeiträge am Kapitalmarkt zu investieren, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren. Bis 2035 soll dazu ein Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufgebaut werden. Wir sehen darin eine große Chance für den Finanzsektor: Das Konzept könnte nicht nur das Rentensystem stärken, sondern auch die private Vermögensverwaltung revolutionieren. Immer mehr junge Anleger sehen Aktien als Weg, um finanziellen Engpässen im Alter vorzubeugen. Der Trend zeigt, dass deutsche Investoren zunehmend moderne Anlagestrategien nach Vorbild anderer Länder wie Großbritannien akzeptieren, wo die Altersvorsorge fest in den Private Wealth Sektor integriert ist.
 
Seit über 30 Jahren entwickelt Objectway ganzheitliche Finanzlösungen für Privatbanken, Vermögensverwaltung und Wealth Manager. Wir erwarten, dass die Reform die Aktienmarktkultur in Deutschland erheblich beeinflussen wird. Es werden nicht nur Privatbanken, sondern auch Neobroker profitieren: Die Aktienrente kann frisches Kapital in den Markt bringen und die Vermögensverwaltung als alternative Rentenlösung in den Fokus der Anleger stellen. Aber nur technologisch fortschrittliche Unternehmen werden die Lorbeeren ernten können. Wer nicht ausreichend digitalisiert ist, wird von neuen Wettbewerbern überholt werden. Denn: Digitale Banken und Fintechs drängen zunehmend auf den Markt und erhöhen den Druck auf etablierte Anbieter. Finanzinstitute, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen ihre IT-Systeme modernisieren und auf die Zusammenarbeit mit Technologieanbietern setzen, um den Wandel erfolgreich zu meistern.

Von Marktvolumen bis Mentalitätswende: Diese Chancen bringt die Aktienrente für Privatbanken

Auch wenn das Generationenkapital staatlich verwaltet wird, könnte die Einführung tiefgreifende Auswirkungen auf die private Vermögensverwaltung haben – und der Branche den dringend benötigten Digitalisierungsschub sowie neue Einnahmequellen bescheren. Wir sehen dabei drei zentrale Vorteile für Banken: Erstens wird das Marktvolumen steigen, da ein Teil der Rentenbeiträge in Kapitalmarktprodukte investiert wird. Zweitens würde eine höhere Nachfrage nach maßgeschneiderten Anlageprodukten entstehen, die den Bedürfnissen von Pensionsfonds gerecht werden. Drittens könnte die Rolle der Banken in der Altersvorsorge gestärkt werden. Hier können Vermögensverwalter und Banken durch erweiterte Beratungsdienste zu Anlagestrategien, die auf langfristiges Wachstum und Stabilität ausgerichtet sind, punkten: Individuelle Anlagestrategien sollen es den Kunden ermöglichen, ihre finanziellen Ziele besser zu erreichen und eine stabile Altersvorsorge aufzubauen. Wir erkennen auch eine große Chance im potentiellen Wandel der Anlegermentalität: Die Reform könnte das Vertrauen in Aktieninvestitionen stärken, das Bewusstsein für private Altersvorsorge fördern und die Nachfrage nach finanzieller Bildung deutlich erhöhen.

Zukunft der Altersvorsorge: Nimmt Deutschland das britische Modell zum Vorbild?

Mit einem Volumen von verwalteten Vermögenswerten in Höhe von 9,1 Billionen Pfund  ist Großbritannien der größte Markt Europas und ein Paradebeispiel für das Potenzial einer Reform der Altersvorsorge. Der 2015 eingeführte Freedom Pension Act privatisierte die Rentenvorsorge und bietet den Briten seitdem flexible Zugriffsmöglichkeiten auf ihre Altersguthaben. Dies hat Vermögensverwaltungsfirmen erheblich beeinflusst und erhöhte so die Bedeutung von Private Wealth Managern. Für die Unternehmen eröffnete sich die Möglichkeit, Kunden bei der Verwaltung dieser neu zugänglichen Gelder zu beraten. Diese erhöhte Flexibilität hat die Bedeutung von Investmentmanagement-Dienstleistungen gesteigert, da viele Rentner ihre Pensionsgelder investieren möchten. Vermögensverwalter profitierten so von einer intensiveren Kundenbindung und konnten erhebliche Mittelzuflüsse verzeichnen, da Privatpersonen fachkundige Beratung zur Verwaltung ihrer Altersvorsorge suchen. Doch diese Flexibilität birgt auch Risiken. Die Möglichkeit, jederzeit auf das Rentenkapital zuzugreifen, kann dazu führen, dass Menschen ihr Erspartes zu früh abrufen und riskieren, nicht genügend Mittel für den Ruhestand übrig zu haben. Daher sind umfassende Beratungsdienste unerlässlich, um sicherzustellen, dass Anleger informierte Entscheidungen treffen und ihre Altersvorsorge langfristig sichern können.„Dennoch sind die Ergebnisse eindeutig: Der ROI britischer Vermögensverwalter ist fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Das zeigt, dass moderne, risikobereite Anlagestrategien und Produkte sich auszahlen.

Regulatorische Stolpersteine: Können deutsche Vermögensverwalter den Wandel meistern?

Die Einführung eines aktienbasierten Rentensystems in Deutschland bietet Finanzinstituten die Chance, maßgeschneiderte Anlageprodukte für Pensionsfonds zu entwickeln und spezialisierte Beratung mit Fokus auf langfristiges Wachstum anzubieten. Dennoch bringt die Aktienrente auch neue regulatorische Anforderungen mit sich. Die Finanzinstitute müssen sich an die neuesten Compliance-Standards und erweiterte, modernisierte IT-Infrastrukturen anpassen, um die komplexe Verwaltung von Kapitalflüssen und Pensionsfondsanlagen zu bewältigen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, suchen Banken zunehmend nach effizienten, flexiblen und skalierbaren digitalen Plattformen. Diese müssen es ihnen ermöglichen, die betriebliche Effizienz und die vollständige Umsetzung der Compliance-Vorschriften aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die veränderten Bedürfnisse der Kunden im Bereich der Altersvorsorge zu decken. Dieser Wandel unterstreicht die Bedeutung strategischer Partnerschaften mit Anbietern, die zuverlässige digitale Tools und Marktkenntnisse mitbringen. Für Banken sind diese Kooperationen nicht nur wichtig, um die aktuellen Ansprüche der Pensionsbranche zu erfüllen, sondern auch um langfristige, zukunftssichere Lösungen zu entwickeln. Denn: die Aktienrente steht erst am Anfang und wird sich erheblich weiterentwickeln.
Karl im Brahm ist CEO für den DACH-Raum bei Objectway, ein globaler TOP-100-FinTech-Anbieter (IDC FinTech Rankings), der über 1 Billion Euro an Vermögenswerten verwaltet und mehr als 100.000 Anlageexperten (Finanzberater, Privatbankiers, Kundenbetreuer) bei der Verwaltung von über 700 Milliarden Euro AUM für mehr als 5 Millionen Anleger unterstützt. Zu den Kunden zählen mehr als 200 führende Banken, Vermögensverwalter, Asset Manager und Versicherer in der gesamten EMEA-Region. Objectway verfügt über eine globale Organisation mit über 800 Geschäfts- und Technologieexperten, die von Niederlassungen in Italien, Großbritannien, Belgien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Irland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kanada aus arbeiten.