Foto: Deutsche Bundesbank
Wer auch immer die Motive der Gedenkmünzen aussucht, die die Deutsche Bundesbank in schöner Regelmäßigkeit herausgibt, hat mit Johann Joachim Winckelmann eine Persönlichkeit gewählt, von der heutzutage bei den meisten Menschen wohl nur noch – wenn überhaupt – der Spruch im Gedächtnis geblieben ist, der auch den Rand der Münze ziert: »Edle Einfalt und stille Größe«. Dass Winckelmann mit diesen Worten ausgerechnet die antike Laokoon-Gruppe beschrieben hat, überrascht uns heutige Betrachter allerdings. Immerhin werden bei dieser Gruppe der kraftstrotzende trojanische Priester Laokoon und seine beiden Söhne von einer Schlange zu Tode gebracht. In wilder Bewegung und expressivem Schmerz versuchen sie dabei, sich den tödlichen Schlangenbissen zu entwinden. Was aber sagt uns heute noch ein Mann, der vor 200 Jahren geboren wurde und warum lohnt es sich, ihm heute noch mit der Ausgabe von Münzen zu gedenken? Im Oktober 2017 soll die Münze fertig sein und kann dann an den typischen Münzstellen erworben werden.
Vom Schuhmacher-Sohn zum obersten Antikenwächter
Die Herausgeber der aktuellen Silbermünzen loben Winckelmann als »Begründer der klassischen Archäologie und Kunstwissenschaften«. Ideen haben ja meistens mehrere Väter und oftmals stehen mit Blick auf die Forschungsleistungen die Jüngeren auf den Schultern der Älteren. So könnten durchaus der griechische Bildhauer Xenokrates aus Athen oder der italienische Künstler und Kritiker Giorgio Vasari aus dem 16. Jahrhundert als Väter der Kunstgeschichte gelten. Johann Joachim Winckelmann, 1717 in Stendal als Sohn eines Schuhmachers geboren, studierte Theologie und Medizin in Halle und Jena, arbeitete als Hauslehrer, Konrektor einer Lateinschule und Bibliothekar, bis er 1755 nach Rom ging, wo er erst in den Dienst des Kardinals Archinto, später von Kardinal Allessandro Albani, trat und Zugang zu den bedeutendsten Kunst- und Antikensammlungen der Stadt erhielt. 1763 stieg er als Ausländer sogar zum Oberaufseher über alle Antiken Roms auf. Auf dem Rückweg einer Deutschlandreise wurde Winckelmann schließlich 1768 Opfer eines Raubmordes, doch dazu später mehr.
Für eine demokratischere Kunst
»Der einzige Weg für uns, groß, ja wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten«, so Winckelmann. Und mit den Alten meinte er natürlich nicht Mantra Malen im Seniorenheim sondern die Kunst des antiken Griechenlands. Geschrieben 1755 leitete Winckelmann somit die Epoche der Klassik ein. Es war auch die Forderung nach einer demokratischeren Kunst, denn Barock und Rokoko standen für Fürstenwillkür und Feudalismus.
Auch Marketinggedanken waren Winckelmann nicht ganz fremd, denn er verfasste selbst eine polemische Streitschrift gegen sein eigenes Werk, die er dann minutiös widerlegte - anhaltende Aufmerksamkeit war ihm so gewiss. Für Winckelmann bestand die Kunstgeschichte aus Entwicklungsgeschichte, aus Entfaltung, Blüte und Verfall. In seinem Hauptwerk, der Geschichte der Kunst des Altertums von 1764, konnte er so auch erstmals die griechische Kunst nach verschiedenen Stilperioden unterscheiden und einzelne Werke datieren. Auch wenn im historischen Teil Winckelmann einige Fehler unterlaufen waren, stieß das Buch auf große Bewunderung unter Zeitgenossen wie Herder, Lessing, Goethe, Schiller und die Romantiker. Und zu den Fehlern äußerte sich Gotthold Ephraim Lessing kongenial (und zum Zitieren bestens geeignet): »Es ist kein geringes Lob, nur solche Fehler begangen zu haben, die ein jeder hätte vermeiden können«!
Silbermünzen mit Ungemach
Warum aber wurde ein armer Gelehrter Opfer eines Raubmordes? Winckelmann, der sich auf seiner Reise in Deutschland zusehends unwohl fühlte und schnellstmöglich zurück ins geliebte Italien wollte, beschloss, in Wien noch eine Audienz bei Kaiserin Maria Theresia zu absolvieren und dann rasch zurückzukehren. Maria Theresia bedachte ihn mit silbernen und goldenen Ehrenmünzen, die ihm zum Verhängnis wurden. Er hatte seinem Faktotum davon erzählt und prompt wurde er nach einem wilden Handgemenge umgebracht.
Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass jetzt ausgerechnet eine silberne Gedenkmünze auf Leben und Werk Winckelmanns hinweisen soll. Hoffen wir einmal, dass es damit zu keinen weiteren Kriminalfällen kommt und ein wenig Gold und Silber runden schließlich jedes Depot bestens ab.
Die Münze - noch etwas Wartezeit
Der Entwurf der Münze stammt von dem Berliner Künstler Andre Witting. Die Wertseite zeigt einen Adler, den Schriftzug „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“, Wertziffer und Wertbezeichnung, das Prägezeichen „F“ der Staatlichen Münzen Baden-Württemberg, Prägestätte Stuttgart, die Jahreszahl 2017 sowie die zwölf Europasterne. Zusätzlich ist die Angabe „SILBER 925“ aufgeprägt.
Der glatte Münzrand enthält in vertiefter Prägung die Inschrift: EDLE EINFALT UND STILLE GRÖSSE.
Die 20-Euro-Münze soll in den beiden Prägequalitäten Stempelglanz und Spiegelglanz in einer Legierung von 925 Tausendteilen Silber und 75 Tausendteilen Kupfer hergestellt werden. Sie hat eine Masse von 18 g und einen Durchmesser von 32,5 mm.
Die Münzen in der Prägequalität Stempelglanz werden zum Nennwert (20 Euro) über die Deutsche Bundesbank in den Verkehr gebracht. Die Ausgabe der Münzen in der Sammlerqualität Spiegelglanz erfolgt zu einem über dem Nennwert liegenden Verkaufspreis. Die Verkaufsstelle für Sammlermünzen der Bundesrepublik Deutschland (VfS) wird über den genauen Preis und die konkreten Bestellmodalitäten rechtzeitig vor Ausgabe der Münze, die für Oktober 2017 vorgesehen ist, informieren.