Erneut schwacher IPO-Markt im Jahr 2023 – Belebung im Jahresverlauf 2024 erwartet

Jens Hecht, Kirchhoff Consult AG
Grafik: Kirchhoff Consult
  • Drei Börsengange im Prime Standard 2023 – deutlich weniger als im Schnitt seit 2010.
  • Gesamtemissionsvolumen sinkt auf 1,9 Milliarden Euro – der zweitniedrigste Wert der letzten 10 Jahre.
  • Negative Kursentwicklung aller Börsenneulinge.
  • Kirchhoff Consult erwartet bei stabileren Rahmenbedingungen etwa 10 IPOs im Jahr 2024.
  • Markt für neue Mittelstandsanleihen: Deutliche Erholung 2023 auf weiterhin niedrigem Niveau.
Im Jahr 2023 sind in Deutschland nur drei Unternehmen im Prime Standard an die Börse gegangen (Schott Pharma, ThyssenKrupp nucera und Ionos Group). Das sind zwar zwei mehr als im Vorjahr, aber deutlich weniger als der langjährige Durchschnitt seit 2010 von sieben Börsengängen. Das Gesamtemissionsvolumen sank deutlich auf 1,9 Milliarden Euro (2022: 9,1 Milliarden Euro) – der zweitniedrigste Wert der letzten zehn Jahre. Im Vorjahr gelang der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG der zweitgrößte jemals in Deutschland durchgeführte Börsengang, während in diesem Jahr kein Milliarden-IPO gelang.

Politische Unsicherheiten verhinderten Börsengänge

Wie bereits im Vorjahr entwickelte sich der deutsche IPO-Markt 2023 sehr schwach. Die Gründe dafür liegen weniger in der Entwicklung des Aktienmarktes, der sich vor allem in der ersten Jahreshälfte und im November stark präsentierte. Wichtiger waren die hohen politischen Unsicherheiten, steigende Zinsen und die schwächelnde Gesamtwirtschaft. Investoren agierten daher sehr zurückhaltend. Sobald wir hier wieder positivere Signale sehen, wird sich der IPO-Markt beleben. Viele Unternehmen sind in Wartestellung.

Alle Neuemittenten mit Kursverlusten

Die Kursentwicklung der drei Börsenneulinge im Jahr 2023 war seit ihrem IPO jeweils negativ. Im Mittelwert verloren die Aktien 15,6 Prozent (Stand: 30.11.2023). Damit setzte sich der Trend der Vorjahre fort: Nur 38 Prozent der Unternehmen, die seit 2019 im Prime Standard an die Börse gingen, verbuchten im Jahr des IPOs Kursgewinne. Der DAX 40 hingegen legte im Jahresverlauf 16,5 Prozent zu (Stand: 30.11.2023). Die Aktienkurse entwickelten sich somit trotz gestiegener Zinsen, Konjunkturschwäche und internationalen Konflikten robust.

Wieder mehr neue Mittelstandsanleihen

Am Markt für neue Mittelstandsanleihen wurden bis Ende November 23 neue Anleihen begeben – im Gesamtjahr 2022 waren es nur 16. Das Gesamtemissionsvolumen belief sich auf 1,03 Milliarden Euro – eine Steigerung auf deutlich mehr als das Doppelte (2022: 400 Millionen Euro). Der Anteil der Vollplatzierungen lag auf dem niedrigen Vorjahresniveau bei 44 Prozent (2022: 44 Prozent). Dabei erreichten die Unternehmen dennoch insgesamt 84 Prozent des angestrebten Zielvolumens und damit deutlich mehr als im Vorjahr (2022: 64 Prozent). Der durchschnittliche Kupon stieg um 0,9 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent. In diesem Jahr kamen mit jeweils fünf Anleihen die meisten aus den Branchen Erneuerbare Energie und Finanzdienstleistungen.

Belebung bei Börsengängen für 2024 erwartet

Nachdem bereits das Jahr 2022 schwierig für Börsengänge war, setzte sich diese Entwicklung 2023 fort. Auffällig war, dass die drei Unternehmen, die erfolgreich im Jahr 2023 an die Börse gegangen sind, aus drei verschiedenen Branchen stammen. Das zeigt die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts für Unternehmen, die mit ihren individuellen Geschäftsmodellen überzeugen. Für das Jahr 2024 gibt es bereits eine lange Liste von Unternehmen, die einen Börsengang vorbereiten oder anstreben. Sie könnten die sich ergebenden Fenster am Kapitalmarkt für ihren IPO nutzen. Zur Kandidaten-Pipeline zählen Unternehmen aus dem Mobilitätssektor wie DKV Mobility und Flix, Solarisbank (Fintech) und Personio (Personalsoftware).

Ob sich die Gelegenheit zum Börsengang bietet, wird dabei von der Robustheit des Aktienmarktes gegenüber den schwierigeren wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen abhängen. Die Weltwirtschaft und insbesondere die deutsche Konjunktur haben sich merklich abgekühlt. Geopolitische Konflikte wie in der Ukraine und im Nahen Osten sorgen für weitere Verunsicherung. Zudem sind die Leitzinsen 2023 von der EZB auf 4,5 Prozent angehoben worden, sodass andere Assetklassen gegenüber Aktien an Attraktivität gewonnen haben. Dennoch erwarten Analysten, dass der DAX bis Jahresende 2024 bei deutlich über 17.000 Punkten liegen wird.

Kirchhoff Consult geht unter diesen Bedingungen für 2024 von einer Belebung am IPO-Markt aus – allerdings erst im zweiten Halbjahr. Dabei sollten sowohl die Anzahl der Börsengänge als auch das Platzierungsvolumen steigen. Der Markt für neue Mittelstandsanleihen dürfte aufgrund des Zinsumfelds ein unter dem Niveau von 2023 liegendes Volumen erreichen.

Investoren achten in den letzten Jahren bei Börsenkandidaten verstärkt auf die Gewinnaussichten, ESG-Kriterien sowie das Kurspotenzial. Eine intensive Vorbereitung, gutes Timing und vor allem eine realistische Bewertung sind daher entscheidend für einen erfolgreichen Börsengang. Es gibt einige vielversprechende Unternehmen, die diesen Weg eingeschlagen haben. Wir rechnen daher für 2024 mit etwa 10 Neuemissionen.

Die vollständige Studie finden sie hier.
Jens Hecht ist Managing Partner bei Kirchhoff Consult AG. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Augsburg und Hohenheim. 2001 erhielt er das amerikanische Berufsprädikat für Finanzanalysten und Portfoliomanager „Chartered Financial Analyst“ (CFA) des CFA Institute. Nach dem Studium arbeitete Hecht zunächst bei der Corporate Finance Boutique Blättchen & Partner aG, Leonberg, bevor er Anfang 2000 zur Kirchhoff Consult aG wechselte.

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