Heiße Aktien

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Obwohl die Infektionszahlen endlich wieder sinken, die wichtigsten Notenbanken ihre ultralockere Geldpolitik beibehalten und einem weltweiten Aufschwung wenig entgegensteht, halten sich die Investoren zurück. Der DAX sank sogar erstmals wieder unter 15.000 Punkte, zumindest kurzfristig – Schock-Absturz nannte es der Focus. Uns sonst? Das Bundesverfassungsgericht pfiff die deutsche Politik zurück, weil sie in Sachen Klimawandel keinen Durchblick habe „Vernichtendes Urteil“ (Focus) oder „Signal an die Klima-Justiz“ (Süddeutsche Zeitung) war zu lesen. Und dann sollen den Impfstoffherstellern die Patente entzogen werden, was bei den Herstellern zu Kursstürzen führte, die  Presse blieb überwiegende kritisch: „Wir dürfen die Patente für die Corona-Impfstoffe nicht freigeben“ (Die Welt), „Was taugt Bidens Plan für die Freigabe der Impfstoff-Lizenzen?“ (Der Tagesspiegel) oder „Die Aushebelung der Marktkräfte bringt keine zusätzlichen Impfdosen“ (Neue Zürcher Zeitung). Man muss schon in die taz blicken, um ein Pro zu finden: „Rechte an Corona-Impfstoffen: Patentierter Massenmord“. Wenn schon, denn schon!

Sicher oder heiß

Die Volatilität an den Märkten ist hoch, die Zukunft unsicher, da freut es uns, wenn Focus Money „Die 100 sichersten Aktien der Welt“ verspricht, die wir hier aber nicht verraten wollen. „Sichern Sie sich langfristige Erträge! Gehen Sie keine unnötigen Risiken ein“, heißt es weiter. Gehen Sie sofort auf Los, quasi. Aber was ist schon unnötig? Meistens ja genau das, was Spaß macht! Mit einem Titelbild, das den Klimawandel bereits vorwegnimmt, aber sich nicht auf das Urteil des Verfassungsgerichts bezieht, sondern auf Hot Stocks, wartet Börse Online auf: „Zwölf heiße Aktien mit viel Luft nach oben“ verspricht die Redaktion – beim Anblick der glühenden Sonne und Kakteen hoffen wir einmal, dass es sich nicht um heiße Luft handelt.

Geheim

Michel Barnier leitete rund vier Jahre die mehr als zähen Austrittsverhandlungen Großbritanniens auf Seiten der EU. Zu beneiden war er oftmals nicht, kaum ist der Brexit 100 Tage alt, hat er „Die große Illusion – Geheimes Tagebuch des Brexits“ veröffentlicht. Der Spiegel lobt es unter der rührenden Überschrift „An diesem Weihnachtsfest bin ich also allein“, die sich nicht auf Großbritannien, sondern auf Barnier bezieht. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heißt es blumig: „Johnsons tote Katze und Frosts kühler Abschied“. Wobei sich dieser Abschied wiederum nicht auf die Katze bezieht! Enthüllungen scheint das Buch allerdings weniger zu bieten, immerhin werden Barnier Ambitionen auf die französische Präsidentschaft nachgesagt, da ist Diplomatie gefragt.

Zeitfallen

Nun ist Freitag und die To-Do-Liste scheint größtenteils abgearbeitet – aber es gibt ja noch den Montag und das Wochenende dazwischen. Sollte die To-Do-Liste jedoch immer länger und die Häkchen immer weniger werden, dann gilt es zu handeln, mahnt Coachin Sabina Nawaz im Manager Magazin unter der Überschrift: „Souverän statt überlastet: Was kann ich wirklich schaffen?“ Sie warnt vor „Zeitfallen“ und dem „Mythos, unentbehrlich oder schlauer als alle anderen zu sein“! Hm.

Verdienst für die Tonne

„Verdienen Sie genug?“ fragt Markt und Mittelstand provokant auf dem Titel, unterstrichen durch einen mittelalten Mann, der uns fordernd, dynamisch und hoffnungsvoll anblickt – wer wollte ihm etwas abschlagen oder gar ein „genug ist genug“ entgegenschmettern? Was ist schon genug? Wir würden es da gerne mit dem Metzger halten: "Darf’s ein bisserl mehr sein?" Um sich zu orientieren, gibt’s im Heft einen „Gehaltsatlas: Wer verdient was im Mittelstand“. Wenig Hoffnung dürften sich Beschäftigte der Modebranche machen, denn dazu heißt es im gleichen Heft: „Vom Laufsteg in die Tonne: Die Modebranche erstickt in Ladenhütern“!

Diese Papiere

Das Zitat der Woche geht an Wirtschaftsminister Peter Altmeier. Dass unser Finanzminister Olaf Scholz keine Aktien hält, ist hinreichend bekannt und dürfte ihm die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer erleichtern. Dass auch Peter Altmeier keine Aktien besitzt, hatten wir fast schon vermutet. Nun aber betonte er, dass er „von diesen Papieren wenig halte“, wie die Berliner Zeitung schrieb. Wir fragen uns, ob man Aktien und Unternehmen trennen kann? Immerhin könne er sein Vermögen dafür jederzeit gut schätzen, so wird Altmeier weiter zitiert, denn er habe nur „ein Sparbuch, ein Bankkonto, eine bescheidene Immobilie“. Und eine nicht ganz so bescheidene Pension, dürfte der ein oder andere denken, der sich selbst um seine Altersvorsorge kümmern muss und dafür zu „diesen Papieren“ greift.