Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Seltsame Zeiten: Während in Deutschland mehr und mehr Unternehmen Entlassungen und Schließungen melden, berichtet Nvidia in den USA, den Umsatz fast verdoppelt zu haben – und die Börse ist enttäuscht. Während wir hierzulande gerne wirtschaftlich und nicht bei Firmenpleiten wachsen würden – „Insolvenzwelle gewinnt an Kraft“, so die Börsen-Zeitung, reichen in den USA schon nur reduzierte Wachstumsaussichten, damit die Kurse nach unten gehen. „Nvidia schafft neuen Rekord – Kurs der Aktie sinkt dennoch“, fasst es das Handelsblatt zusammen. So hat eben jeder so seine Probleme. Aber vielleicht wollen wir einfach nicht, vermutet zumindest die Börsen-Zeitung: „Deutsche Top-Banker fordern mehr Wachstumsmentalität“. Anleger setzen zudem lieber auf Bitcoin als auf Aktien und nehmen die 100.000er Marke ins Visier: „Dann könnte der Bitcoin über 100.000 Dollar steigen“, verheißt die WirtschaftsWoche und das Handelsblatt fragt: „Wird Trump ein Krypto-Präsident?“ Wir werden sehen.
Neuwahlen und Revolution
Mit „Neuwahl-Gewinner“ macht Börse Online auf. Illustriert mit einer Hand, die einen entsprechend beschrifteten Zettel hereinreicht, Schwarz-Rot-Gold hinterfangen. Wir ahnen, dass weder Scholz, der es inzwischen vom Kanzler zum Kandidaten gebracht hat, noch Merz oder Habeck gemeint sind. Vielmehr: „Regierungswechsel! Egal, welche Koalition kommt: Diese 15 Aktien profitieren: Mit Sicherheit!“ Wir haben uns die Titel selbstverständlich angesehen, verraten aber nur so viel: Ein Baumarktbetreiber ist auch dabei. Offensichtlich gehen die Redakteure von Börse Online davon aus, dass, egal wer regiert, wir verstärkt selbst anpacken müssen, um den Reparaturbetrieb Deutschland wieder auf Vordermann (oder -frau) zu bringen. Mit den Farben der USA spielt hingegen Focus Money und zeigt ein riesiges Bitcoin-B. Die Überschrift dazu lautet „Reich werden mit Donald Trump“, leider nicht „wie“ Donald Trump! Es geht um nichts weniger als die „Bitcoin-Revolution“. Vor hoffnungsfroh hellgrünem Hintergrund fragt Der Aktionär einigermaßen verwirrt: „Was kann man jetzt noch kaufen?“ Denn, „nach Trumps Sieg drehen manche Aktien mächtig auf. Was tun bei Tesla, Palantir & Co?“, kaufen oder nicht?
Kollege KI
Einer der Gründe, das Homeoffice mit dem Office zu tauschen, ist, wie wir an dieser Stelle bereits betont haben, die Sorge bei einer möglichen Beförderung im wahrsten Sinne des Wortes übersehen zu werden. Ein zweiter möglicherweise, dass die Präsenz schlicht der Chef einfordert. Und ein dritter, nicht zu unterschätzender, sich mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen zu können. Was nicht immer mit der Arbeit zu tun haben muss, sondern auch den Sozialkontakten geschuldet ist. Doch da es den idealen Kollegen nicht gibt, schon weil man selbst vom Ideal weit entfernt ist, setzen immer mehr auf Künstliche Intelligenz zum kollegialen Austausch. Platt gesprochen: ChatGPT, Gemini & Co. sind inspirierend und nicht transpirierend. Laut einer Umfrage, die uns Business Insider nahe bringen möchte (aber wahrscheinlich von KI verfasst wurde), hält ein „Viertel der Angestellten ChatGPT für kompetenter als die eigenen Kollegen“. Jeder Fünfte führt sogar zwanglose Gespräche mit Chatbots. Die Untersuchung stammt im Übrigen – ausgerechnet – von einer Jobbörse, Indeed. Denken wir uns das mit dem KI-Kollegen weiter, reicht es vielleicht, wenn sich die Chatbot mit Chatbotin im Büro trifft und sich austauschen?
Bayerisches Weltklima
Ein wichtiges Thema ist die UN-Klimakonferenz COP29 in Baku, ausgerechnet in der Hauptstadt des Öl- und Gaslandes Aserbaidschan. Dort wurde im auf „nur“ 40.000 Teilnehmer beschränkten Kreis eifrig diskutiert und so heftig gestritten, dass die Delegierten nachsitzen mussten: „Weltklimakonferenz geht wegen Billionen-Streit in die Verlängerung“, klärt uns die Süddeutsche Zeitung auf. Die hatte außerdem eine eigene „Sonderveröffentlichung Klimaneutralität“ herausgebracht mit dem eingängigen Slogan: „Bayern an Erde: Cool Down!“ Im Teaser lesen wir zudem Tröstliches, aber auch Wunderliches: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, wird da Hölderlin zitiert, um dann fortzufahren: „erst recht unter weiß-blauem Himmel“. Denn genau dort wird die Gefahr gebannt, treten die Retter auf: „Wie Städte und Gemeinden in Bayern der Erderwärmung Einhalt gebieten wollen“. Wir staunen, bayerische Städte stoppen die Klimaerwärmung und der Rest der Welt kann sich zurücklehnen? Ein gewisses Selbstbewusstsein zeichnet den Freistaat ja durchaus aus.