US-Geldpolitik: Unterschätzt der Markt das Inflationsrisiko?

Naomi Fink, Nikko Asset Management
Naomi Fink / Bild: Nikko Asset Management
Es ist nicht zu erwarten, dass die Geldpolitik direkt auf Spekulationen über Trumps künftige Finanzpolitik reagiert. Stattdessen könnte sie die kühleren Preis- und Beschäftigungstrends für eine weniger restriktive Haltung nutzen, solange sie kann.

Fokus auf Inflationserwartungen

Das könnte sich ändern, wenn die Erwartungen einer fiskalischen Lockerung unmittelbar zu steigenden Inflationserwartungen führen. Die Fed wird diese Erwartungen weiterhin beobachten. Derzeit erkennt sie dort keine besonderen Abweichungen, auch wenn das längere Ende der US-Zinsstrukturkurve bereits angestiegen ist. Womöglich wird das Inflationsrisiko vom Markt nicht vollständig eingepreist.
 
Es ist ratsam, die 5-Jahres/5-Jahres-Breakeven-Inflationsrate (BEI) im Auge zu behalten. Dieser Indikator lag seit 2020 meist leicht über der 2-Prozent-Marke, aber innerhalb einer Spanne von 2,5 Prozent. Nach Powells Einschätzung ist dies „konsistent“ mit dem aktuellen Inflationsziel der Fed. Die Fed dürfte ihren Zinssenkungszyklus unterbrechen oder beenden, wenn die Inflationserwartungen höher verankert werden. Ähnlich könnte sie reagieren, wenn die erhöhte Dienstleistungspreisinflation (z. B. die Anpassung der Mieten) bis Januar 2025 nicht wie erwartet nachlässt. Vor der nächsten FOMC-Sitzung werden noch zweimal Inflationsdaten und einmal Beschäftigungsdaten veröffentlicht. Sie werden wichtige Hinweise darauf geben, ob die Fed die Zinsen im Dezember erneut senkt.

Unabhängigkeit der Fed nach Powells Amtszeit in Gefahr

Ein längerfristiges Risiko für Zinssätze und Inflation ist neben der künftigen Finanzpolitik die Haltung des designierten Präsidenten zur Unabhängigkeit der Fed. Powell schloss auf seiner Pressekonferenz einen möglicherweise erzwungenen oder nahegelegten Rücktritt aus. Seine Amtszeit endet 2026. Die Märkte werden aufmerksam verfolgen, ob eine Neubesetzung die Aussicht auf eine weniger unabhängige Fed mit sich bringen könnte. Dies könnte ihre Glaubwürdigkeit bei der Bekämpfung der Inflation untergraben.
Naomi Fink ist Global Strategist bei Nikko Asset Management