ChatGPT versus Google: Wie KI-Sprachmodelle Suchmaschinen herausfordern

Rahul Bhushan, ARK Invest Europe
Rahul Bhushan /Bild: ARK Invest Europe
Mit seiner 1997 gestarteten Suchmaschine, die heute unumstrittener Spitzenreiter der Internetsuche ist, wurde Google zu einem der bedeutendsten Wegbereiter der digitalen Revolution. Und doch könnte diese Dominanz herausgefordert werden – durch fortschrittliche KI-Sprachmodelle von Playern wie OpenAI. Denn wenn Internetnutzer den KI-Chat der Suchmaschine für ihre Informationsbeschaffung vorziehen, leiden darunter die Besucherzahlen von Google – und damit verbunden die lebensnotwendigen Werbeeinnahmen. Was bedeutet das für das Unternehmen?
Die Zahlen zeigen die Verbreitung deutlich: Über 90 Prozent aller weltweit getätigten Suchmaschinenanfragen werden über die Google-Suche getätigt, der größte Konkurrent, Microsofts Bing, verzeichnet gerade einmal 3,7 Prozent aller Anfragen. Dass diese Dominanz von den vergleichsweise jungen KI-Generatoren vom Typ large language model (LLM) in Frage gestellt werden könnte, ist durch mehrere Faktoren bedingt. Obwohl sich Google in den letzten zwanzig Jahren in mehreren Branchen als Innovationsführer etablieren konnte – darunter Cloud-Computing, mobile Suchmaschinen und Navigation – erwirtschaftet es immer noch einen Großteil seiner Einnahmen durch Werbung in Zusammenhang mit der Google-Suche. Bedingt durch seinen Wettbewerbsvorteil in der Online-Suche hat Google sein Geschäft sorgfältig auf ein darauf zugeschnittenes Anzeigenformat hin kalibriert und optimiert. Wenn sich das Verbraucherverhalten ändert, könnte diese Fokussierung nachteilig wirken und Googles traditionelle Einnahmequelle herausgefordert werden.

Übertrumpft die „Antwortmaschine“ die Suchmaschine?

Die fortschreitende Entwicklung moderner KI-Sprachmodelle könnte zu so einer Änderung des Verbraucherverhaltens führen, da diese Vielseitigkeit und Nutzerfreundlichkeit bieten, über die Suchmaschinen mitunter nicht verfügen. Beide Modelle greifen auf Informationen zu, die einen überwiegenden Großteil des im Web verfügbaren Materials darstellen, doch anders als herkömmliche Suchmaschinen, die Informationen von Webseiten indizieren und diese mit Schlüsselwörtern abgleichen, ermöglichen Sprachmodelle maßgeschneiderte Antworten auf durch Nutzer gestellte Fragen und fungieren so als ‚Antwortmaschinen‘. Zudem sind sie, anders als Suchmaschinen, in der Lage, völlig neue Inhalte zu generieren. Es sei gut möglich, dass sich Verbraucher für Suchanfragen für KI-Modelle entscheiden, wobei jedoch es auch die Art der Anfrage ankomme – so rechnen wir damit, dass Sprachmodelle aktuell in erster Linie genutzt würden, um Lexika-ähnliche Informationen abzurufen, statt sich etwa über aktuelle Ereignisse zu informieren.

Die Kostenfrage ist entscheidend

Ein entscheidender Faktor für den Vergleich beider Modelle seien auch die Kosten, die diese den Betreibern verursachen. So verursachen Anfragen an LLM-Modelle derzeit höhere Kosten als jene über klassische Suchmaschinen – das bedeute aber auch, dass es für Suchmaschinenbetreiber großen finanziellen Aufwand verursachen würde, LLM-Technologie in ihr bestehendes Angebot einzubinden. Dylan Patel und Afzal Ahmad von Semi Analysis führten eine umfassende und aufschlussreiche Analyse durch, um die potenziellen Auswirkungen auf das etablierte Suchgeschäft von Google zu bewerten, wenn das ChatGPT-Modell augenblicklich in die Google-Suche integriert würde. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Folgen für Google katastrophal sein könnten und in einem Rückgang der Betriebseinnahmen um 36 Milliarden Dollar gipfeln würden.
 
Dazu kämen die notwendigen Investitionen für Rechenleistung im Ausmaß von 500.000 neuen Hochleistungsservern, wenn ChatGPT in jede Suche eingebunden würde. Eine solche finanzielle Umstellung würde eine Verlagerung der Einnahmestrategien und eine völlige Neubewertung der betrieblichen Effizienz erfordern.

Wie geht es weiter?

Ob Google in der Trendwende durch KI erfolgreich bleiben kann, hängt davon ab, ob es seine Chancen nutzen und die aufkommenden Herausforderungen meistern kann. Zu den Chancen sind Googles eigene Entwicklungen im Bereich der KI und des maschinellen Lernens zu zählen – zu den Herausforderungen auch die mittlerweile große Unternehmensstruktur und zahlreichen Mitarbeiter und Führungsebenen, die sich häufig resistent gegenüber Veränderungen zeigen. Um seinen Wettbewerbsvorteil zu wahren, muss der Suchmaschinenriese das disruptive Potenzial der KI nutzen und gleichzeitig innovative Wege finden, sie in sein Geschäftsmodell zu integrieren. Dies könnte die Entwicklung neuer Monetarisierungsstrategien für die KI-gesteuerte Suche oder die Nutzung seiner riesigen Datenbestände umfassen, um unvergleichliche personalisierte Dienste anzubieten.
Rahul Bhushan ist Global Head of Index von ARK Invest Europe, vormals RizeETF. Bevor Bhushan Rize ETF mitgründete, war er bei Legal&General Investment Management in London als Senior Product Spezialist für die Entwicklung neuer, vor allem thematischer und nachhaltiger Anlagestrategien tätig. Bhushan startete seine Karriere beim internationalen Finanzdienstleister Nomura. 2016 stieg er beim ETP-Anbieter ETF Securities ein. Als Director und ETF-Produktspezialist war er dort mitverantwortlich für den Aufbau und die Verwaltung der Canvas-ETF-Platform, die der US Vermögensverwalter Legal&General Investment Management im März 2018 von ETF Securities für 3,5 Milliarden Euro erwarb. Bhushan absolvierte sein Masterstudium im Bereich Finanzen an der renommierten IE Business School in Madrid. Zuvor studierte er Internationales Management und Französisch an der Universität von Bath, Großbritannien.
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