Jörg Dehning / Bild: DJE Kapital AG
- Nur „Fast-Fashion“-Händler mit einer überzeugenden Produkt- und „Omni-Channel“-Strategie können in dem äußerst wettbewerbsintensiven Markt noch bestehen. Die Zahl der Mode-Unternehmen, die allein hierzulande von einem Insolvenz-Verfahren betroffen sind bzw. waren, ist lang und reicht von Hallhuber, Gerry Weber über Wormland bis hin zu Peek & Cloppenburg.
- Zusätzlich droht den angestammten Marktakteuren mit Shein und Temu zunehmende Billig-Konkurrenz aus Fernost. Der Online-Marktplatz Temu, hinter dem das chinesische Internetunternehmen Pinduoduo steht, findet sich in den Ranglisten deutscher Online-Marktplätze bereits auf Platz 4, und damit vor Zalando!
- Das potenzielle Marktvolumen für die stationären Mode-Filialisten wird in den nächsten Jahren sicherlich nicht größer werden. Insbesondere die Umsatzproduktivität von Großflächen könnte darunter weiter leiden.
- Auf den Vormarsch sind hier außerdem die sogenannten „Off-Price“ Textilanbieter. So treiben beispielsweise die „Off-Price“-Filialisten Marshalls, TJ Maxx und TK Maxx, die alle zum börsennotierten US-Konzern TJX Companies gehören, ihre Expansion ungebremst voran.
- Der Einkaufsorganisation kommt aber auch im Hinblick auf die immer häufigeren Störungen im Bereich der Lieferketten eine zunehmende Bedeutung zu. Immer noch stauen sich die Frachtschiffe auf beiden Seiten des Panama-Kanals.
- Der Jahresstart 2024 verlief für die Modebranche mehr als holprig.
- Generell wird sich branchenweit aber das „Auf und Ab“ bei der Umsatzentwicklung vor dem Hintergrund der ziemlich hartnäckigen Inflation und der eher verhaltenden Konsumstimmung vermutlich fortsetzen.
Der überraschende Managementwechsel bei dem größten schwedischen Textilanbieter und die dort eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen lassen aufhorchen. Zeigen sie doch, dass sich der Textilhandel weiterhin im Umbruch befindet. Während die Corona-Pandemie temporär vor allem die reinen Online-Anbieter wesentlich gestärkt hatte, gewinnen nun im Zuge der überhöhten Inflation preisaggressive Konzepte an Bedeutung. Zweifelsohne stehen angesichts der Kaufkraftverluste beim Konsumenten die Ausgaben für Mode aktuell nicht an erster Stelle. Nur „Fast-Fashion“-Händler mit einer überzeugenden Produkt- und „Omni-Channel“-Strategie können in dem äußerst wettbewerbsintensiven Markt noch bestehen. Die Zahl der Mode-Unternehmen, die allein hierzulande von einem Insolvenz-Verfahren betroffen sind bzw. waren, ist lang und reicht von Hallhuber und Gerry Weber über Wormland bis hin zu Peek & Cloppenburg.
Konkurrenz aus China
Zusätzlich droht den angestammten Marktakteuren mit Shein und Temu zunehmende Billig-Konkurrenz aus Fernost. Der Online-Marktplatz Temu, hinter dem das chinesische Internetunternehmen Pinduoduo steht, findet sich in den Ranglisten deutscher Online-Marktplätze bereits auf Platz 4, und damit vor
Zalando! Sowohl Temu als auch Shein treten nur als Vermittler auf. Deren Bekleidung wird direkt aus den asiatischen Fabriken nach Nordamerika oder Europa verschickt. Kosten für Einkäufer, Zwischenhändler und Zwischenlager entfallen. Die Shopping-Apps bieten zudem mit Hilfe von Gutschein-/Rabatt-Lotterien ein ganz neues Shopping-Erlebnis. Die Nutzung von Influencern, unter anderem bei TikTok, erhöht zugleich die Beliebtheit bei der jüngeren Kundschaft.
Mögliche Abstriche in Sachen Qualität werden angesichts der unschlagbaren Preise wohl häufig akzeptiert, anders ist das rasante Wachstum beider Plattformen nicht zu erklären. Allenfalls ethische Aspekte können die Expansion beider App-Betreiber gefährden. So wurden die Datenaustauschpraktiken der Konzerne bereits mehrfach untersucht. In den USA hat der Kongress ferner die Börsenaufsicht zuletzt aufgefordert, den geplanten Börsengang von Shein aufzuschieben, bis geklärt sei, ob das Unternehmen in seiner Lieferkette keine Zwangsarbeiter einsetzt. Um das Image aufzupolieren, ist Shein deswegen bemüht, sein Markenportfolio über Partnerschaften oder Zukäufe auszubauen. Als Beispiel lässt sich hier die jüngste Kooperation mit Forever21 in den USA oder der Kauf von Missguided in Großbritannien nennen.
Filialschließungen vs. Expansion
Eines dürfte vor diesem Hintergrund jedem klar sein: Das potenzielle Marktvolumen für die stationären Mode-Filialisten wird in den nächsten Jahren sicherlich nicht größer werden. Besonders die Umsatzproduktivität von Großflächen könnte darunter weiter leiden. Entsprechend erscheint es nicht verwunderlich, dass gleich mehrere Modeketten derzeit eine Portfoliobereinigung vornehmen und zahlreiche Filialen schließen beziehungsweise verkleinern. Ob der spanische Hauptkonkurrent
Inditex mit seinen Formaten Zara, Bershka, Stradivarius, Pull&Bear und Massimo Dutti davon zu profitieren vermag, bleibt abzuwarten. Die Spanier hatten aber schon die Corona-Pandemie genutzt, weniger produktive Verkaufsflächen abzustoßen. In der Folge kann sich Inditex im Gegensatz zu seinem schwedischen Mitbewerber bereits im Geschäftsjahr 2024/25 wieder deutlich stärker auf die Expansion konzentrieren. Ein Schwerpunkt dürfte in dem Ausbau des nordamerikanischen Filialnetzes liegen.
Auf dem Vormarsch sind hier außerdem die sogenannten „Off-Price“ Textilanbieter. So treiben beispielsweise die „Off-Price“-Filialisten Marshalls, TJ Maxx und TK Maxx, die alle zum börsennotierten US-Konzern
TJX Companies gehören, ihre Expansion ungebremst voran. In Zeiten hoher Inflation lockt TJX die Kunden vor allem mittels umfangreicher Rabatte auf Produkte von Designer-Labels und Markenherstellern. Die Markenhersteller wiederum nutzen diese „Off-Price“-Plattformen, um unverkaufte Warenüberhänge im Markt abzusetzen. TJX kann dabei weltweit auf seine erfahrenen Sourcing-Manager vertrauen, die stetig versuchen, überschüssige Restposten aufzuspüren.
Lieferketten, Frachtkosten & Währungsexposure
Der Einkaufsorganisation kommt aber auch im Hinblick auf die immer häufigeren Störungen der Lieferketten eine zunehmende Bedeutung zu. Immer noch stauen sich die Frachtschiffe auf beiden Seiten des Panama-Kanals. Aufgrund des Niedrigwasserstands wird dort seit Monaten der Schiffsverkehr eingeschränkt. Zahlreiche Transporte, die eigentlich an der US-Ostküste ankommen sollten, werden jetzt an die Westküste (Long Beach/LA) umgebucht. Europäische Handelsunternehmen beobachten wiederum die weitere Entwicklung am Suez-Kanal ganz genau. Im Moment haben die Angriffe auf die Containerschiffe im Roten Meer noch keinen nennenswerten Einfluss auf die Warenbeschaffung. Die meisten Reedereien leiten allerdings nach dem Beschuss durch die Huthi-Rebellen ihre Schiffe nun über das Kap der Guten Hoffnung um. Dadurch erhöht sich die Fahrtzeit um circa sieben bis zehn Tage. Wegen der längeren Transportwege kann man eine Verschlechterung der Situation für die kommenden Monate trotzdem nicht völlig ausschließen. Gerade wenn die Containerverfügbarkeit sinken sollte, muss zeitverzögert mit negativen Auswirkungen gerechnet werden.
Aufgrund des Geschäftsmodells könnte TJX in diesem Fall sogar von den Warenflussproblemen anderer Händler profitieren, indem man verspätete Warenmengen zu günstigen Konditionen aufkauft. Ferner entfallen beim US-Konzern lediglich rund 25 Prozent der Frachtkosten auf die Schiffsfracht. Solange die Frachtraten nicht wieder die Niveaus der Corona-Krise erreichen, sollte sich der Margendruck seitens der Logistikkosten weitgehend in Grenzen halten, zumal es zuletzt weitere Entlastungen bei den Landfrachtraten gab. Zur Erinnerung: Während des Corona-Lieferketten-Chaos erreichten die Seefrachtraten in der Spitze bis zu 14.000 US-Dollar je 40-Fuß-Container (FFE). Inzwischen haben sich die Frachtraten auf der Asien-Europa-Route erneut vom Zwischentief fast vervierfacht, liegen mit rund 4.500 US-Dollar/FFE aber noch deutlich unter dem letzten Krisenniveau. Bei den Asien-Nordamerika-Routen fand bisher ohnehin „nur“ eine Verdopplung statt.
Ähnlich wie bei TJX verhält es sich bei den Modehändlern, die im Zuge des sogenannten „Nearshoring“-Trends den Wareneinkauf tendenziell eher ins nahe gelegene Ausland verlagert haben. Dabei hat der Modefilialist
Inditex mit Blick auf eine schnellere Sortimentsrotation schon immer einen höheren Anteil seiner Bekleidung in Süd-/Osteuropa beziehungsweise Nordafrika fertigen lassen (rund 50 Prozent Anteil). Darüber hinaus bezieht man derzeit noch nennenswerte Warenmengen aus der Türkei. Das Netto-Asien-Exposure von Inditex dürfte im Einkauf unter 30 Prozent liegen und damit wesentlich unter dem Anteil vieler Wettbewerber. Deren schwedischer Mitbewerber beispielsweise ist demgegenüber mit einem Asienanteil beim Sourcing von geschätzt über 70 Prozent wesentlich stärker dem Risiko von Lieferketten-Unterbrechungen und weiter steigenden Wareneinstandskosten ausgesetzt. Letztlich wirkt sich die regionale Sourcing-Struktur gegebenenfalls über das jeweilige Währungsexposure auf die Entwicklung der Rohertragsmarge aus.
Mit einem US-Anteil von rund 30 Prozent ist bei Inditex trotz der jüngsten US-Dollar-Stärke mit geringeren Margenbelastungen zu rechnen, zumal ein Teil der Wareneinkaufe am Terminmarkt abgesichert wird. Handelsunternehmen wie Primark oder auch
ASOS, die einen größeren Teil ihrer Ware in US-Dollar einkaufen müssen, können irgendwann den Währungsnachteil nur noch an ihre Kunden weiterreichen. Andernfalls riskieren sie ihre avisierten Margenziele. Um die Marge nicht zu gefährden, gilt es in dem immer dynamischeren Modemarkt außerdem die Mieten im Blick zu haben. Nicht wenige kleine Marktakteure klagen inzwischen über zu hohe Index-Mieten. Die Großfilialisten wie Inditex setzen daher schon länger standortabhängig eher auf kürzere Mietlaufzeiten. Dank ihrer solideren Bilanzen werden sie zudem tendenziell als Ankermieter guter Standorte bevorzugt.
Fazit: Holpriger Jahresstart
Der Jahresstart 2024 verlief für die Modebranche mehr als holprig. Neben ungünstigen Wetterkapriolen in den USA aber auch teilweise in Europa, sorgten zuletzt Bauern- und Bahnstreiks auf regionaler Ebene für eine temporär geringere Kundenfrequenz. Angesichts der zudem sehr hohen Vorjahresbasis dürften die deutschen Modehändler im Januar mit dem vom Fachmagazin „Textilwirtschaft“ ermittelten Erlösplus gegenüber dem Vorjahr von +1 Prozent mehr als zufrieden sein. Branchenweit dürfte das Auf und Ab der Umsätze solange weitergehen, wie die Inflation hartnäckig und die Verbraucherstimmung verhalten bleiben. Dies könnte sich auch in den anstehenden Finanzausblicken der Unternehmen widerspiegeln. Ebenso sind Kursrückschläge im Zuge einer Zuspitzung des Nahostkonflikts nicht ganz auszuschließen.
Als Investor sollte man daher innerhalb der Branche unbedingt auf Aktien der Anbieter setzen, deren Lieferketten weniger anfällig sind.
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