Zu viel oder zu wenig?

Stimmen zum Zins-Entscheid der Fed
Fed-Chef Jerome Powell bei der Pressekonferenz zum Zinsentscheid
Die Fed hat es wieder getan und den Leitzins erhöht - mit 75 Basispunkten war es den einen genug und den anderen zu wenig, die 100 erwartet hatten. Einen Dämpfer für die Märkte gab vor allem der Ausblick von Jerome Powell, der weitere Zinsschritte für dieses und das kommende Jahr ankündigte. Wir haben die Stimmen einiger Volkswirte eingefangen:

John Vail, Chief Global Strategist bei Nikko AM

Die hawkishe Rhetorik der Fed übt zusätzlichen Druck auf die globalen Volkswirtschaften und die Risikomärkte aus. Sie ist aber angebracht, um eine Inflationsspirale durch Zweitrundeneffekte in den westlichen Industrienationen zu verhindern.
 
Die Rhetorik der japanischen Notenbank BOJ war etwas milder als von einigen erwartet. Ihre Herabstufung der globalen Wirtschaftsaussichten spricht ebenfalls für eine weiterhin „dovishe“ Haltung. Die BOJ wird weiterhin auf Anzeichen nachhaltiger Lohnzuwächse bestehen, bevor sie eine restriktivere Haltung einnimmt. Allerdings wird sie womöglich einige Umstände ändern, indem sie ihre Bilanz durch die Beendigung des Corona-Kreditprogramms abbaut.
 
Der Yen steht vor diesem Hintergrund unter zusätzlichem Druck. Allerdings steht Japan kurz vor der Wiederöffnung für ausländische Touristen, was die Nachfrage nach Yen stark ankurbeln dürfte. Gleichzeitig profitieren Wirtschaft und Handelsbilanz, was die Stimmung für den Yen ebenfalls aufhellen dürfte. Reisen der Japaner ins Ausland wiederum werden durch hohe Reisekosten bei derzeit sinkenden Realeinkommen gehemmt. Devisenhändler befürchten zunehmend Devisenmarktinterventionen, nachdem aus gut platzierten Quellen bekannt wurde, dass das Finanzministerium dafür grünes Licht hat, sollte der Yen zu stark schwanken. Sollte es dazu kommen, dann wahrscheinlich in großem Umfang und kontinuierlich, um dem Eindruck entgegenzuwirken, die Intervention funktioniere oder sei kontraproduktiv.

Paolo Zanghieri, Senior Economist bei Generali Investments

Die Fed bekräftigte erneut, dass die Inflationsbekämpfung eine übergeordnete Priorität darstellt, räumte aber schließlich ein, dass dies mit Kosten verbunden und eine weiche Landung nur schwer zu erreichen sein wird. Sie erhöhte die Zinssätze um die erwarteten 75 Basispunkte auf 3,25 Prozent und plant eine Anhebung auf 4,5 Prozent im Dezember sowie eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte im Jahr 2023.  
 
Die Prognosen für das Wachstum wurden deutlich reduziert – es wird voraussichtlich bis mindestens 2023 unter dem Trend bleiben, während die Arbeitslosenquote steigen wird. Die Inflation hat die Fed nun viel stärker als in der letzten Sitzung prognostiziert. Das langsame Wachstum und die höhere Arbeitslosigkeit, die nun durch die lange Periode erheblicher monetärer Restriktionen hervorgerufen wird, werden von der Fed als das kleinere Übel betrachtet, verglichen mit einer langwierigen Inflationsperiode, die noch viel drastischere Maßnahmen zur Beseitigung erfordern würde.

Thomas Gitzel von der VP Bank

Zaudern gibt es bei der Fed nicht. Auch im September wird der Leitzins um 75 Basispunkte erhöht. Einige Volkswirte hatten im Vorfeld selbst mit 100 Basispunkten gerechnet.

Doch dies sollte keineswegs als Zeichen von fehlendem Willen im Kampf gegen die hohen Inflationsraten gewertet werden. Die Projektionen sprechen eine andere Sprache: Zum Jahresende soll der Leitzins den Fed-Offiziellen zufolge bei 4.4 Prozent liegen. Das Zielband für die Fed Funds Target Rate würde demnach zwischen 4.25 Prozent und 4.5 Prozent liegen. Das sind immerhin satte 100 Basispunkte mehr als in den Juni-Projektionen.

Rein rechnerisch implizieren die Projektionen eine Zinsanhebung um 75 Basispunkte im November, gefolgt von 50 Basispunkten im Dezember. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es auf beiden Sitzungen um 75 Basispunkte nach oben geht. Das Leitzinshoch würde im Jahr 2023 laut den Projektionen bei 4.6 % liegen, was einem Zielband von 4.5 Prozent und 4.75 Prozent entspricht. Im Jahr 2024 rechnen die Fed-Offiziellen mit einem Leitzinsniveau von 3.9 Prozent.

Die neuen Projektionen für den Leitzins waren durchaus ein kleiner Schock.Doch die Worte an der Medienkonferenz besänftigten. Einige Passagen des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell hatten durchaus gemässigten Charakter.

Aber der Reihe nach: Powell machte nochmals deutlich, dass die Leitzinsen so lange angehoben werde,n bis sie eine Rückkehr zu einer Inflationsrate von 2 Prozent garantieren. Eine Rezession würde dabei in Kauf genommen werden. Doch die Leitzinsen seien am unteren Ende dessen, was als restriktiv bezeichnet werden könne.

Immerhin tauchte also das Wort "restriktiv" auf. Die Fed würde ab einem gewissen Punkt auch pausieren, der Zeitpunkt hierfür sei aber noch nicht erreicht. Das klang dann doch so, als ob die meiste Arbeit der Fed getan sei.

Im kommenden Jahr wird die Fed vermutlich deutlich sanfter agieren und sogar pausieren. An den Finanzmärkten werden solche Botschaften wohlwollend aufgenommen.

Jon Maier, Chief Investment Officer bei Global X

Das Komitee hielt an der gleichen aggressiven Botschaft fest wie in Jackson Hole und bekräftigte, dass der Kurs der Zinserhöhungen auch bei Gefahr einer Rezession fortgesetzt wird. Außerdem wird die Fed ihre Bilanz an Staatsanleihen weiter reduzieren. Mögliche Zinserhöhungen verschieben sich weiter in das Jahr 2023, und Zinssenkungen sind für 2024 möglich. Die langfristigen Zinserwartungen sind unverändert geblieben. Für 2022 und 2023 wurden die Erwartungen für das reale BIP-Wachstum nach unten korrigiert, während sich die Inflationserwartungen nach oben verschoben haben.
 
Langfristig haben sich die Prognosen jedoch kaum verändert und bleiben mehrheitlich im Bereich von 1,8 bis 1,9 Prozent. Zu den wesentlichen Bedenken gehört nun die Angst vor einer Übertreibung. Da die Fed die Leitzinsen anhebt, um die Wirtschaft abzukühlen, gibt es eine natürliche Verzögerung, bis sich die höheren Zinsen in der Wirtschaft durchsetzen. Die Hypothekenzinsen liegen jetzt bei über 6 Prozent und werden voraussichtlich noch weiter steigen, wodurch Aktien, Anleihen und reale Vermögenswerte weiter unter Druck geraten könnten.

Dr. Karsten Junius, Chief Economist Bank J. Safra Sarasin

Die Fed wird die Zinssätze tief in den restriktiven Bereich drücken, um die Inflation auf ein vernünftiges Niveau zu senken. Sie ist jedoch nach wie vor der Ansicht, dass dies nur begrenzte Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote haben wird. Obwohl wir dieses Szenario für plausibel halten, glauben wir, dass es für die Fed schwierig sein wird, einen starken Anstieg bei den Entlassungen zu vermeiden.

Ralf Umlauf und Ulrich Wortberg von Helaba Research

Die US-Notenbank hat das Leitzinsband um 75 Bp. auf 3,00-3,25 Prozent erhöht und wegen der hartnäckig hohen Inflation weitere Schritte in Aussicht gestellt. Entsprechend wurden auch die Leitzinsprojektionen der FOMC-Mitglieder deutlich nach  oben angepasst. Zum Ende dieses Jahres wird ein Leitzins von im Mittel 4,4 % für angemessen erachtet, Ende 2023 von 4,6 Prozent. Die Zinserwartungen haben sich mit der FOMC-Entscheidung, den neuen Projektionen und den Äußerungen von Fed-Chef Powell etwas verstärkt und der Zinsgipfel wird nun im zweiten Quartals 2023 bei etwa  4,65 Prozent gesehen