Globale Erholung: Nicht genug für den Standort Deutschland

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht / Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Infolge fehlender binnenwirtschaftlicher Wachstumsimpulse wie zum Beispiel eine kräftige Investitionsdynamik hat sich der Einfluss der globalen Konjunktur auf die deutsche Wirtschaft erhöht. Von einem spürbaren konjunkturellen Rückenwind ist 2024 und 2025 dennoch nicht auszugehen. Denn die weltweite Wachstumsbeschleunigung sollte sich in Grenzen halten und Unsicherheit über den US-Konjunkturverlauf deutet auf Abwärtsrisiken hin.

Die erwartete Konjunkturerholung wird also nicht ausreichen, um die Transformation der Wirtschaft spürbar voranzutreiben. Die Reformbereitschaft muss deshalb uneingeschränkt stark bleiben. Die IKB erwartet ein BIP-Wachstum für Deutschland von 1,4 Prozent im Jahr 2025.
Anzeichen für eine zyklische globale Konjunkturerholung häufen sich. So haben sich Stimmungsindikatoren stabilisiert bzw. hellen sich wie in China schon seit längerem auf, während sich die US-Wirtschaft weiterhin als robust erweist. Somit nehmen auch die globale Industrieproduktion und der Welthandel wieder Fahrt auf. Von diesen Entwicklungen dürfte die offene deutsche Wirtschaft profitieren. Im Verlauf des Jahres sollte sie sich beleben, und damit würde sich ein höheres BIP-Jahreswachstum im Jahr 2025 ergeben. Wie stark die deutsche Erholung sein wird, ist jedoch unsicher. Denn, wie in den letzten Monaten viel diskutiert, gibt es diverse strukturelle Wachstumsbremsen am Standort Deutschland. Doch auch wenn das deutsche Potenzialwachstum niedrig ist und gemäß dem jüngsten Sachverständigengutachten weiter sinkt, wird eine zyklische Erholung die negativen strukturellen Effekte zumindest kurzzeitig abmildern. Doch wie viel Hoffnung sollte auf die globale Erholung als Treiber für die deutsche Konjunktur gesetzt werden?

Gerade die deutsche Wirtschaft wird aufgrund ihres hohen Offenheitsgrades besonders von der Weltwirtschaft beeinflusst. Dies war zumindest historisch der Fall. Abwanderungen der Industrie, hohe Direktinvestitionen bzw. ein Kapazitätsaufbau im Ausland sowie ein zunehmender Protektionismus und Einfuhr-Substitutionen in China und den USA könnten jedoch den Einfluss globaler Zyklen reduziert haben. So besteht die Gefahr eines geringeren Effektes der globalen Erholung auf den deutschen Export und damit auf die Industrie in Deutschland. Auch bleibt grundsätzlich abzuwarten, wie stark die Belebung der Weltwirtschaft im Umfeld einer US-Abkühlung ausfallen kann. Zwar überrascht die US-Wirtschaft noch immer positiv. Allerdings ist von einer restriktiveren Fiskalpolitik spätestens nach der US-Präsidentenwahl Ende 2024 auszugehen. Dennoch erwartet die IKB insgesamt ein höheres globales Wachstum im Jahr 2025 (s. Tabelle 1).
Um die Impulse der globalen Erholung auf die deutsche Wirtschaft zu bestimmen, wurde die Sensitivität der deutschen Dynamik zum globalen Wachstum empirisch geschätzt. Im Fokus steht die Frage, wie stark Deutschland von einer weltweiten Belebung profitieren könnte. Hierbei geht es weniger um detaillierte Einflüsse, sondern um die Frage, wieviel Auftrieb die deutsche Wirtschaft von der Weltwirtschaft erhalten könnte, bzw. wie sich die Sensitivität in den letzten Jahren entwickelt hat. Empirische Ergebnisse zeigen, dass sich der Einfluss des globalen Wachstums nach der Finanzkrise deutlich erhöht hat. Eine stärkere Abhängigkeit ist ebenfalls nach der Corona-Pandemie zu erkennen, auch wenn sie in der kurzen Zeit etwas nachgelassen hat. Auch ist der Erklärungsgrad deutlich höher als in der Phase 2000 bis 2007. So spielt seit der Finanzkrise das globale Wachstum eine deutlich größere Rolle für das deutsche BIP als zuvor. Schätzungen deuten darauf hin, dass ein Anstieg des Welt-BIP-Wachstums um 1 Prozentpunkt zu einem Anstieg des deutschen BIP um rund 1,5 Prozent führt. Gewichtet man diesen Einfluss mit dem Erklärungsgrad des weltweiten BIP-Wachstum, ergibt sich immer noch ein Plus von rd. 0,8 Prozentpunkten. Der erwartete Anstieg des Welt-BIP-Wachstums im Jahr 2025 beträgt allerdings nur 0,2 Prozentpunkte (siehe Tabelle 1), der Effekt auf das deutsche BIP wäre dann ein Plus von 0,3 Prozentpunkten. Insgesamt ergibt sich nach der Modellschätzung und der Annahme eines globalen Wachstums im Jahr 2025 von 2,7 Prozent ein deutsches BIP-Wachstum von rund 1,1 Prozent. Mit einer leichten Belebung der Investitionen und eines stabilen Konsums sollte die deutsche Wirtschaft 2025 nach IKB-Prognose um 1,4 Prozent wachsen.

Doch warum hat die globale Wirtschaftsdynamik eine derartige Bedeutung? Die hohen deutschen Direktinvestitionen im Ausland hätten auf den ersten Blick etwas anderes vermuten lassen. Sicherlich gilt dies für die Industrie, die vielfach ihre Produktion ins Ausland verlagert hat und somit globale Nachfrage weniger aus Deutschland heraus bedient. Auch dies lässt sich empirisch bestätigen. Das BIP beinhaltet jedoch neben Exporten auch andere Komponenten, insbesondere den privaten Konsum aber auch Investitionen. Als Treiber des Wachstums haben diese Komponenten im Vergleich zur Phase 2000 bis 2007 an Einfluss verloren. Vor allem private Investitionen scheinen immer weniger das deutsche BIP-Wachstum zu treiben, was auch ein wichtiger Grund für das sinkende Potenzialwachstum darstellt. Auch mag der private Konsum zwar stabil verlaufen. Doch auch hier fehlen spürbare zyklische Wachstumsbeschleunigungen, um den Einfluss der globalen Konjunktur zu reduzieren. Das Ausland ist also von enormer Bedeutung, weil der zyklische Beitrag inländischer Komponenten nachgelassen hat.
Angesichts abklingender alternativer lokaler Wachstumstreiber hat also die Bedeutung des globalen Konjunkturzyklus zugenommen. So ist es nicht überraschend, dass auch das Exportwachstum an Relevanz gewonnen hat. Der Rückgang deutscher Exporte in den letzten Quartalen hat also das deutsche BIP-Wachstum mangels alternativer Wachstumstreiber besonders belastet. Im Jahr 2024 wird der private Konsum oftmals als stabilisierender Anker für die Konjunktur gesehen, während Investitionen immer noch rückläufig sind. Zu welchem Maße sich dies im Jahr 2025 ändern wird, bleibt vor dem Hintergrund potenzieller Abwanderungen und Direktinvestitionen im Ausland abzuwarten. Doch auch die globale Konjunktur ist mit erhöhten Risiken behaftet – geopolitische Spannungen, eine abkühlende US-Wirtschaft und mögliche US-Handelsrestriktionen könnten bremsen. So wird das globale Wachstum zwar einen positiven Beitrag für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2025 liefern. Dieser wird aber für eine spürbare zyklische Wachstumsbeschleunigung nicht ausreichen. Auf die globale Konjunktur zu hoffen, reicht demnach nicht aus.

Einschätzung:

  • Die Sorge, dass die erwartete Konjunkturerholung den Reformdruck reduzieren könnte, sollte nicht überbewertet werden. Es ergibt sich nur ein moderates Wachstum, da binnenwirtschaftliche Wachstumstreiber fehlen und das globale Konjunkturbild mit Risken behaftet ist. Damit bleibt der Reformbedarf hoch, denn die globale Erholung wird trotz ihres starken Einflusses die deutschen Probleme nicht lösen.
  • Die Gefahr besteht, dass die prognostizierte zyklische Belebung nicht ausreichen wird, spürbare Investitionsimpulse und damit Schwung für die Transformation zu generieren. Die globale Konjunktur deutet auf ein BIP-Wachstum in Deutschland von nur leicht über 1 Prozent im Jahr 2025 hin.
  • Die Wirtschaft braucht eine kräftige Dynamik, um durch höhere Gewinne und Profitabilität die Transformation am Standort Deutschland voranzutreiben. Angebotsreformen, die sich in einer deutlich zunehmenden Investitionsquote zeigen, bleiben absolut notwendig und alternativlos, damit das Potenzialwachstum nicht noch weiter sinkt.
  • Die IKB erwartet aufgrund der weltwirtschaftlichen Impulse und einer leichten Belebung der binnenwirtschaftlichen Kräfte für 2025 ein deutsches BIP-Wachstum von 1,4 Prozent.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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