Dr. Jürgen Gros und Dr. Alexander Büchel beim Pressegespräch in München / Bild GVB
Es waren zwei Dinge, die Dr. Jürgen Gros bei Vorlage der Geschäftszahlen der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken besonders bewegten: Zum einen gab er sich angesichts der Bilanz von 2017 bestens gelaunt, zum anderen aber ärgerte ihn die von EZB-Präsident Mario Draghi vorgeschlagene Haftungsunion mit einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung sichtlich. „Statt das Teilen von Haftungsrisiken zu fordern, sollten EU-Kommission und Europäische Zentralbank viel intensiver über Wege zu einer Reduzierung nachdenken“, so Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Das Gesamtvolumen von etwa 1 Bio. Euro an ausfallgefährdeten Krediten in Europa sei höchst ungleich verteilt. So wiesen in Südeuropa viele Banken zweistellige Ausfallquoten auf, während sie in Deutschland bei unterdurchschnittlichen 2 Prozent liegen – bei den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken bewegen sie sich im Übrigen bei gerade einmal 0,4 Prozent! Hier davon zu sprechen, dass die Bankenkrise in Europa überwunden sei, bedeute nur, dass Draghi wohl den Blick für die Realität verloren habe. Und Gros formulierte noch drastischer mit den Worten eines ehemaligen italienischen Trainers vom FC Bayern: „Was erlaube Draghi?“
7-Punkte-Programm gegen faule Kredite
Der Fokus müsse deshalb eindeutig beim Abbau der faulen Kredite und nicht auf einer Verteilung von Haftungsrisiken liegen. Am Ende darf nicht der bayerische Steuerzahler für die Risiken südeuropäischer Banken aufkommen, warnte Gros. So stellte er ein 7-Punkte-Programm zum Abbau fauler Kredite auf:
- Altlasten abbauen: Die Altlasten in den Bankbilanzen müssen abgebaut werden. Vor der Finanzkrise waren im Euroraum 2,8 Prozent der Kredite leistungsgestört, heute sind es 4,6 Prozent. In den USA, im Vereinigten Königreich und in Japan sind lediglich ein Prozent der Kredite notleidend. Die Marke von einem Prozent sollte deshalb auch in der Währungsunion erreicht werden. Zudem sollen in keinem Euroland mehr als drei Prozent der Kredite notleidend sein.
- Probleme auf nationaler Ebene bewältigen: Die überhöhten Risiken in den Bankbilanzen wurden maßgeblich durch Fehlentscheidungen auf nationaler Ebene hervorgerufen. Sie sollten nun auch auf nationaler Ebene bewältigt werden und dürfen nicht in einer EU-Abwicklungsbank vergemeinschaftet werden.
- Gläubigerhaftung stärken: Um staatliche Rettungsaktionen oder eine Vergemeinschaftung der Abwicklungslasten zu verhindern, sollten Bankgläubiger konsequent an Sanierungen und Abwicklungen beteiligt werden. Für den Krisenfall müssen die Institute ausreichend Eigen- und Fremdkapital vorhalten, das Verluste absorbieren kann.
- Instrumente der Bankenaufsicht entschlossen und zielgerichtet einsetzen: Der Abbau notleidender Kredite ist für Banken schmerzhaft und wird deshalb tendenziell hinausgezögert. Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank sollte den Abbau notleidender Kredite daher zielgerichtet vorantreiben. Keinesfalls dürfen die Aufseher dem politischen Druck zur Aufweichung ihres Kurses nachgeben. Außerdem sollten sie ihre Instrumente dort einsetzen, wo Banken und Staaten überhöhte Bestände notleidender Kredite aufweisen.
- Insolvenzrecht verbessern: Das Insolvenzrecht in den Eurostaaten muss harmonisiert werden, ohne Abstriche beim Gläubigerschutz zu machen. Gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten, wird dadurch zügiger eine Sanierung eingeleitet oder der Marktaustritt besiegelt. Auch die Leistungsfähigkeit der Justiz sollte gestärkt werden. Dann können Kreditsicherheiten effizienter verwertet werden, was die Werthaltigkeit der zugrunde liegenden Darlehen erhöht. Dies erleichtert den Abbau fauler Kredite.
- Wachstum beleben: Um das Wachstum anzukurbeln und Risiken vorzubeugen, müssen die Euroländer Strukturreformen umsetzen. Um die Bemühungen auf nationaler Ebene zu fördern, sollten finanzielle Anreize für Strukturreformen geprüft werden – ohne das EU-Budget auszuweiten.
- Staatsfinanzierung angemessen regulieren: Die Bevorzugung europäischer Staatsanleihen muss beseitigt werden. Kredite an Euroländer sollten ab dem ersten Euro risikoorientiert mit Eigenkapital unterlegt werden.
Positive Bilanz für 2017
Doch abschließend zum Positiven, zur Bilanz der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken für 2017. Und die kann sich sehen lassen: Die Bilanzsumme der 244 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken kletterte in Summe um 4,3 Prozent auf 160,1 Milliarden Euro und das Ergebnis vor Ertragssteuern legte um 1,5 Prozent auf 1,48 Mrd. Euro zu. Damit ist es den Volksbanken und Raiffeisenbanken gelungen, eine Antwort auf die herausfordernden Niedrigzinsen zu finden, so Gros. Denn die Genossen konnten das weiterhin sinkende Zinsergebnis durch eine Steigerung des Provisionsüberschusses überkompensieren und gleichzeitig war es auch noch gelungen, die Betriebskosten zu senken.
Das Volumen der ausgereichten Kredite steigerten die Institute gar um 5,8 Prozent auf 96,5 Mrd. Euro, und zwar vor allem im Firmenkundensegment. Hier wurden allein 46,3 Mrd. Euro oder ein Plus von 7,4 Prozent ausgewiesen –ein deutliches Zeichen, wie eng die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit der Realwirtschaft verflochten sind. Der Bestand an verwalteten Kundengeldern legte um 3,5 Prozent auf 124,1 Mrd. Euro zu. Im Rahmen des Allfinanz-Angebotes mit den Partnern konnten die außerbilanziellen Kundenkredite um 7,4 Prozent auf 16,1 Mrd. Euro zulegen. Haupttreiber war dabei die Nachfrage nach Baufinanzierungen.
Papierflut aus Regulierungswahn eindämmen
Am Ende gab Gros aber noch zu bedenken, dass die neue Bundesregierung hoffentlich die bisherigen europäischen Regelwerke auf den Prüfstand stellen müsse, wie schon die Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten vom Herbst 2017 gefordert hatten. Eine solche Evaluierung der Sinnhaftigkeit so mancher Regelung sei dringend geboten. So habe eines der größeren Mitgliedsinstitute ausgerechnet, dass die jüngsten Regulierungsmaßnahmen allein einen Papierstapel von 6 Tonnen nötig machten. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung diese Evaluierung zügig angeht, um noch in dieser Legislaturperiode zu Lösungen zu kommen. Überdies wäre es ja fast ein Novum, wenn eine Bundesregierung die Vorschläge der Wirtschaftsweisen nicht nur einfach in der Schublade versenkte.
Für den Ausblick gab sich Gros optimistisch, die Konjunktur stehe weiter auf Wachstum und die Volksbanken und Raiffeisenbanken wollen allein in diesem Jahr 230 Mio. Euro investieren – davon 100 Mio. Euro in die Weiterentwicklung digitaler und traditioneller Vertriebskanäle.