Hohe Chancen – hohe Risiken. Kursexplosion bei verheißungsvollen Übernahmen – Kursrutsch, wenn die Akquisition platzt. Kurssprung bei Umsatz- und Ertragsanstieg über den Erwartungen – Kurssturz bei Gewinnwarnungen und Negativkorrektur der Prognose. Nirgendwo sonst sind die Höhen und Tiefen, die Erfolge und Rückschläge so stark ausgeprägt wie im Biotechsektor. Experten schätzen diese Branche als besonders attraktives Feld für Zukunftsinvestitionen ein. Allerdings sprechen die Analysten mit diesem Thema nicht Aktienmuffel und Angsthasen, sondern couragierte, risikofreudige, entschlossen handelnde, zudem geduldige und zur Selbstkontrolle fähige Investoren mit Langzeitanlagehorizont an.
Kein Schnäppchenmarkt
Freilich handelt es sich bei der Biotechbranche keineswegs um einen niedrig bewerteten Nachholsektor. Ganz im Gegenteil. Nach dem verfrühten Boom kurz vor der Jahrtausendwende stieg der Nasdaq-Biotechindex als wichtigster Gradmesser und Richtschnur für medizinisch vorgebildete risikofreudige Investoren von 2010 bis 2015 binnen fünf Jahren um fast 400 Prozent auf 4.000 Punkte. Danach folgte eine scharfe Korrektur bis auf 3.000 Punkte. Aber selbst im jetzt als verhalten zu bezeichnenden Markt bzw. Seitwärtstrend legten Biotechaktien in den letzten sieben Jahren annähernd doppelt so stark zu wie die amerikanische Technologiebörse Nasdaq. Der Biotexindex war um rund 150 Prozentpunkte erfolgreicher als der für wichtige Vergleiche seitens der Experten gern herangezogene S&P 500.
Auch Fonds schnitten überdurchschnittlich ab
Diese Kursrallye betraf nicht nur beste Einzelaktien. Auch die Biotech-Spitzenfonds lagen gegenüber anderen Branchen- und Sektorenfonds großenteils vorn. Sie schafften im Schnitt pro Jahr zwischen 12 Prozent und 20 Prozent. Die 19 Bestplatzierten erzielten 2017 bislang ein Plus von etwa 10 Prozent. Dies ist der Rang 20 von über 180 Vergleichsgruppen. Immerhin verwalten die Biotechfonds weltweit derzeit ein ansehnliches Vermögen von 7,8 Mrd. Euro.
Fonds oder ETFs?
Die aktiv gemanagten Aktienfonds ernten beim
DAX und Dow Jones gewöhnlich keine Lorbeeren und hinken den beiden Leitindizes mit nur je 30 Werten meist hinterher. Hier sind die preiswerten passiv gemanagten ETFs, die zwar den Vergleichsindex nicht schlagen, gegen ihn aber auch nicht verlieren, deutlich im Vorteil. Bei zahlenmäßig großen Indizes wie Nasdaq 100, S&P 500 oder Nikkei 225 zeigen tüchtige Aktienfondsmanager, was sie können. Ihr Augenmerk gilt immer auch der großen Gruppe erfolgreicher Biotechwerte.
Übernahmephantasien kurbeln die Börsen an
Worauf ist die langjährig Rallye der besten Biotechfirmen zurückzuführen? Sie wird angetrieben durch bahnbrechende Forschungserfolge, gefüttert mit milliardenschweren Einnahmen bei behördlicher Zulassung. Man denke an neuartige Krebs-, Hepatitis- oder Diabetes-Therapien, an den Kampf gegen die Alzheimer Demenz und tödlich verlaufende seltene Krankheiten. Hinzu gesellen sich Übernahmefantasien. Die weltmarktführenden Pharmariesen haben das Geld, die innovativen Biotechschmieden den Ideenreichtum, in Neuland vorzustoßen mit sehr unterschiedlichen Forschungsansätzen. Dabei geht es nicht nur um das Gesundheitswesen, um Arzneimittelentwicklung und Diagnostika bei Mensch und Tier, sondern bis hin zu Produkten und Enzymen für die Industrieproduktion im Nahrungsmittelbereich –„Weiße Biotechnologie“ genannt.
Biotech weiter auf der Überholspur
Die weltbekannten Biotechkonzerne
Amgen,
Biogen,
Celgene,
Gilead und
Regeneron haben ihre Erlöse in den letzten sechs Jahren im Schnitt mehr als verdoppelt und ihren Gewinn sogar verdreifacht. Der Fondsmanager Tazio Storni von der Schweizer Pictet-Gruppe glaubt, dass die Biotechbranche dank neuer Technologien, Verfahren und Produkten weiterhin auf dem Vormarsch ist.
Da bleibt nur zu hoffen, dass der unberechenbare US-Präsident Donald Trump, der das Krankenversicherungsmodell „Obamacare“ zu Fall brachte, nicht auch zum Feind von Pharma- und Biotechfirmen mit teuren Arzneimitteln wird. Bis ein Medikament die Marktreife erlangt, vergehen etwa 15 Jahre. Und nur ein von 100 Forschungsprojekten ist siegreich und meistert auch die schwierige klinische Phase III bravourös. Und nur dann winken millionen- oder gar milliardenschwere Einnahmen, immer auch abhängig von der Anzahl der Patienten. Und nur so lange der Patentschutz währt, strömt der Geldfluss; denn längst haben sich die Nachahmer formiert.
Mehr als 600 Biotechfirmen weltweit
Die Auswahl im Biotechsektor ist riesig und verlangt Fachwissen, Marktkenntnis, Geduld, Fingerspitzengefühl und ein glückliches Händchen, nachdem der Zufallsgenerator nicht zu unterschätzen ist. Über 600 börsennotierte Biotechfirmen sind weltweit gelistet. Darunter befinden sich zwei Dutzend deutsche Firmen, am bekanntesten die vier
TecDAX-Mitglieder
Evotec,
Medigene,
MorphoSys und
Qiagen. Fehlt es an Fachwissen und Geld, um klug und vorausschauend breit mit Einzelaktien zu streuen, für den sind ETFs und Aktien-Spitzenfonds eine gute Alternative unter der Voraussetzung, dass langfristig angelegt wird.
Die Biotech-Favoriten globaler Experten
Amgen, ein Produzent biopharmazeutischer Produkte mit Schwerpunkt Hämatologie
Biogen, entwickelt lebensrettende Arzneien mit Schwerpunkt auf Multiple Sklerose
Brain Biotech, ein deutscher Nebenwert der "Weißen Biotechnologie", tätig in Chemie, Kosmetik und Nahrungsmitteln
Celgene, Biopharmazie-Konzern mit Schwerpunkt auf Krebs, Immunkrankheiten und Stammzellen
Ecotec aus dem TecDAX, tätig in der Wirkstoffforschung, Neurowissenschaften, bei Entzündungen und Stoffwechselkrankheiten
Gilead mit Schwerpunkt auf therapeutische Lösungen bei Infektionen und Tumoren
Medigene in der Immun-Onkologie tätig, entwickelt T-Zell-basierte Therapie-Plattformen
MorphoSys, stellt Antikkörper-basierte Produkte her, eigene Antikörper-Bibliothek "Gold-Standard"
Quiagen entwickelt innovative Produkte und Technologien sowie Proben und Tests zur molekularen Diagnostik
Regeneron, tätig in der Arzneimittelforschung, gegen schwere Krankheiten, Antikörper-Technologie*
[*Firmenauswahl aus der Handelsblattgrafik vom 23. Mai 2017/Nr. 101/17]
Im Juni 2014 ist in der Münchner Verlagsgruppe, FinanzBuch Verlag, ein Buch zum Thema erschienen: