Kommunikationsordnung für Aufsichtsrat und Vorstand

Dr. Maximilian Degenhart, BEITEN BURKHARDT
Dr. Maximilian Degenhart / Bild:  BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle Entwicklungen der Kapitalmarktkommunikation börsennotierter Unternehmen. Der Aufsichtsratsvorsitzende gerät hierbei stärker in den Fokus. Der Deutsche Corporate Governance Kodex 2017 nimmt diese Entwicklungen nun auf. In der Unternehmenspraxis hat sich dazu noch keine Best Practice herausgebildet. Eine praktikable Lösung und gleichzeitige Stärkung der Corporate Governance ist die Einführung einer unternehmensinternen Kommunikationsordnung.

Aufsichtsräte als Kommunikatoren

Investor Relations Tätigkeiten in deutschen Aktiengesellschaften werden aufgrund der zunehmenden Internationalisierung der Kapitalmarktkommunikation und des Aktionariats herausfordernder. Insbesondere Investoren aus dem angloamerikanischen Raum erwarten hinsichtlich des Investorendialogs ein hohes Maß an Kooperation seitens der Unternehmen. So gerät in der Praxis der Aufsichtsratsvorsitzende als "Chairman of the Board" immer mehr in den Fokus der Stakeholder (Aktionäre, Investoren, Analysten, Proxy Advisors). Es richten sich Gesprächsanfragen mittlerweile auch an den Aufsichtsratsvorsitzenden.

Aktienrechtliche Kontroverse

Die aktienrechtliche Zulässigkeit der Einbindung des Aufsichtsratsvorsitzenden in die Kommunikation mit den Stakeholdern wird kontrovers diskutiert. Die Feinheiten des deutschen zweigliedrigen Verwaltungssystems müssen sich diesen Entwicklungen behaupten. Rechtlich ausgedrückt ergeben sich die Kommunikationsgrenzen des Aufsichtsrats aus der aktienrechtlichen Kompetenzordnung. Diese regelt die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes und das korrespondierende Verbot der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat. Die Kommunikationshoheit des Unternehmens liegt grundsätzlich beim Vorstand als dem gesetzlichen Vertreter des Unternehmens. Aufsichtsratsspezifische Themen sind jedoch von dieser Kommunikationshoheit des Vorstandes nicht vollumfänglich erfasst, hier wird dem Aufsichtsrat eine eigene Kommunikationskompetenz eingeräumt. Das Spannungsfeld liegt also in der Abgrenzung von Kommunikation über Geschäftsführungsmaßnahmen und Kommunikation über aufsichtsratsspezifische Themen.

Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex

Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat jüngst Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschlossen, die diese Entwicklungen aufnehmen. So wurde Ziffer 5.2. DCGK n.F. dahingehend geändert, dass künftig der "Aufsichtsratsvorsitzende in angemessenem Rahmen bereit sein sollte, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen." Die mit dieser Änderung zum Ausdruck gebrachte, grundsätzliche Befürwortung des Kapitalmarktdialogs des Aufsichtsratsvorsitzenden, ist vollumfänglich zu begrüßen.
Die Änderung des DCGK wird umso relevanter, als die Gesprächsanfragen an den Aufsichtsratsvorsitzenden weiter zunehmen werden. So wurde in der Präambel des DCGK die Erwartung an institutionelle Investoren aufgenommen, "ihre Eigentumsrechte aktiv und verantwortungsvoll auszuüben." Institutionelle Investoren und damit auch Proxy Advisors werden zunehmend angehalten, (noch) aktiver auf die Unternehmen zuzugehen.

Mehr Fragen als Antworten

Was bedeuten die aufgezeigten Entwicklungen nun aber für die einzelnen Unternehmen? Den Investor Relations- und Rechtsabteilungen in börsennotierten Aktiengesellschaften dürften sich durch diese Änderungen des DCGK mehr neue Fragen stellen, als Antworten gegeben werden:
  • Was tun bei einer konkreten Gesprächsanfrage an den Aufsichtsratsvorsitzenden?
  • Müssen sich Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstand vorab abstimmen?
  • Muss der gesamte Aufsichtsrat eingebunden werden?
  • Nach welchen Kriterien wird über die Annahme oder die Absage von Ge-sprächsanfragen entschieden?
  • Über welche Themen darf von welchem Organ gesprochen werden? 
  • Welches Organ definiert die Themen?
  • Müssen Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstand das Gespräch gegebenenfalls zusammen führen und wer entscheidet hierüber?
In den Unternehmen herrscht hinsichtlich der praktischen Handhabung kein einheitliches Bild. Teilweise beharren Vorstände auf der alleinigen Befugnis zur Kapitalmarktkommunikation, teilweise treten Aufsichtsratsvorsitzende sehr prominent in Erscheinung.

Vorbereitung ist alles

Eindeutig ist in diesem Zusammenhang nur eins: Die Unternehmen müssen vorbereitet sein.
Hierfür ist die Erarbeitung und Verabschiedung einer unternehmensinternen Kommunikationsordnung das effektivste und gleichsam transparenteste Mittel. Eine solche Kommunikationsordnung sollte folgende Inhalte haben:
  • Unternehmensinterne Zuständigkeiten;
  • Kriterien für den Umgang mit Gesprächsanfragen;
  • Kommunikationskompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden;
  • Kommunikationskompetenzen des Vorstandes;
  • Ausgestaltung der Gespräche; sowie
  • Transparenzgrundsätze.

Stärkung der Corporate Governance

Neben der faktischen Erleichterung des Umgangs mit konkreten Gesprächsanfragen, schafft eine Kommunikationsordnung Rechtssicherheit und Transparenz gegenüber dem Kapitalmarkt und stärkt dadurch die Corporate Governance des Unternehmens. Die von Vorstand und Aufsichtsrat verabschiedete Kommunikationsordnung beugt zudem internen Konflikten hinsichtlich der Kapitalmarktkommunikation vor und gewährleistet die Einhaltung der "One Voice Policy" des Unternehmens.

Ansätze einer Praktiker-Kommission

Anhaltspunkte für eine solche Kommunikationsordnung bieten auch die im Herbst 2016 veröffentlichten Leitsätze einer hochkarätigen Praktiker-Kommission (Initiative "Developing Shareholder Communication"). Diese Leitsätze sollen eine praktische Orientierungshilfe über die Kapitalmarktkommunikation der Unternehmen geben und hierfür einen flexiblen Rahmen bilden. Details zu den Leitsätzen finden Sie hier!

Fazit

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die skizzierten Entwicklungen börsennotierte Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen, diese aber mit entsprechender Vorausschau und Vorbereitung zu bewältigen sind. Die Einführung einer Kommunikationsordnung ist hierfür ein rechtssicheres, transparentes und effektives Mittel.
Dr. Maximilian Degenhart ist Rechtsanwalt bei BEITEN BURKHARDT in München und Mitglied der Praxisgruppe Bank-/Finanzrecht & Kapitalmarktrecht. Sein Tätigkeitsbereich umfasst neben dem Bank- und Kapitalmarktrecht auch das Gesellschaftsrecht. Er berät nationale und internationale Mandanten insbesondere im Aufsichtsrecht, in Fragen der Kapitalmarkt-Compliance und zu Corporate Governance Themen, bei der Durchführung von Hauptversammlungen sowie in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten.

Dr. Maximilian Degenhart studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Salzburg, Bonn und Köln und promovierte 2011 an der Philipps-Universität Marburg. Vor seiner Tätigkeit bei BEITEN BURKHARDT arbeitete er als Mitarbeiter eines Mitglieds des Deutschen Bundestages sowie im Konzernvorstandsstab eines börsennotierten Finanzdienstleisters. Seit 2015 ist er bei BEITEN BURKHARDT tätig.