Die riskanten Bereiche des Euro-Rentenmarkts bleiben für uns spannend

Felix Herrmann, ARAMEA Asset Management
Felix Herrmann / Bild: ARAMEA Asset Management
In den USA ist noch immer keine Rezession in Sicht, Europas Wirtschaft hingegen strauchelt. Wir blicken in Richtung Jahresende und erläutern, welche Renten- und Aktienmarktbereiche auf Sicht der kommenden Monate Potenzial bieten könnten.
Sowohl in den USA als auch in der Eurozone hat sich der Fokus klar von Inflations- hin zu Wachstumssorgen verschoben. So richtig schwächeln will die US-Wirtschaft allerdings nicht. Zwar stieg die Arbeitslosenquote zuletzt – Volkswirte sind sich jedoch einig, dass dies dem aufgrund der Immigration stark gestiegenen Arbeitskräfteangebot zuzuschreiben ist. Da das Geld beim US-Verbraucher nach wie vor recht locker zu sitzen scheint, dürfte die US-Wirtschaft wohl auch in den nächsten beiden Quartalen um annualisiert knapp 2 Prozent wachsen. Sollte es so kommen, wäre dies eine ausgesprochen weiche Landung der Wirtschaft.
 
Von solchen Zahlen ist man in Deutschland und der Eurozone weit entfernt. Problem Nr. 1: Die Industrie schwächelt weiterhin bedenklich. Problem Nr. 2: Während die Verbraucherausgaben in der Eurozone stiegen, wuchs das Realeinkommen noch stärker. Das führte – ebenfalls im Gegensatz zu den USA – zu einem Anstieg der Sparquote. Auf kurze Sicht dürfte der private Verbrauch das Wirtschaftswachstum in der Eurozone dennoch stützen.
 
Es ist außerdem zu erwarten, dass sich die Exporttätigkeit allmählich belebt beziehungsweise die Auslandsnachfrage zunimmt, da der Welthandel seine rezessionäre Phase beenden sollte. Die Lockerung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sollte das ihrige tun, um die Wachstumsbremse in einigen Sektoren, insbesondere im Baugewerbe, zu lösen.

Geldpolitik: Zinsniveau dürfte erhöht bleiben

Sowohl in der Eurozone als auch den USA haben die Leitzinssenkungszyklen begonnen. Neben dem Tempo der Senkungen ist insbesondere das Zielniveau am Ende der Senkungszyklen Gegenstand von Diskussionen. Während die EZB angesichts der sehr schwachen Konjunktur gezwungen sein könnte, die Zinsen etwas rascher zu senken als derzeit erwartet, liefert die Fed aufgrund der robusten US-Wirtschaft womöglich weniger Lockerungsschritte als vom Markt erhofft. Am Ende des Zyklus werden die Zinsen weit höher sein als zu Beginn der jüngsten Anhebungszyklen.
 
Da die US-Wirtschaft jedoch vor allem im Bereich des Dienstleistungssektors weiterhin rund läuft, wer-den sich die Währungshüter nicht auf ein bestimmtes Zinssenkungstempo festlegen. Vielmehr wird man den Begriff „Datenabhängigkeit“ weiterhin und oft auf den Pressekonferenzen hören.
 
Die EZB hat derweil früher mit den Leitzinssenkungen begonnen, wirkt im Vergleich zur Fed dennoch eher zögerlich. Das Basisszenario des Marktes von einer Senkung um 25 Basispunkte pro Quartal könnte sich als zu langsam erweisen, falls sich die Konjunktur weiter eintrübt und die Inflation stärker fällt. Wir wären nicht überrascht, sollte die EZB im Laufe der nächsten Monate gezwungen sein, die Zinsen aggressiver zu senken.
 
Ähnlich wie in den USA wird das Zinsniveau auch in der Eurozone am Ende des Zyklus deutlich höher liegen als zu Beginn des letzten Anhebungszyklus.

Renten: je riskanter, desto stärker

Am Rentenmarkt galt im 3. Quartal wie schon in den Vorquartalen: je riskanter das Segment, desto besser die Performance. Der breite Euro-Rentenmarkt liegt seit Jahresbeginn mit 2,4 Prozent im Plus. Hochzins- und Nachranganleihen führen die Performancerangliste mit 6,7 Prozent beziehungsweise 6,0 Prozent an.
 
Die riskanten Bereiche des Euro-Rentenmarkts, also Nachrang- und Hochzinsanleihen, bleiben für uns trotz der recht engen Spreads spannend. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir uns aktuell in der Spätphase des Kreditzyklus befinden, in der die Unternehmen als Reaktion auf die hohen Zinsen vielfach ihre Unternehmensbilanzen reparieren oder bereits repariert haben. Mit anderen Worten: Die Kreditqualität der Unternehmen hat sich verbessert. Erfahrungsgemäß ist die späte Phase des Kreditzyklus nicht die Phase, in der Spreadausweitungen stattfinden – selbst, wenn die Konjunktur etwas schwächelt.
 
Sollten die Spreads – wie von uns erwartet – in den nächsten Monaten also tendenziell konstant bleiben, wird sich die Outperformance von höher rentierlichen Anleihen fortsetzen.

Aktien: gute Voraussetzungen für weitere Kursgewinne

Im vierten Quartal erwarten wir einen starken Aktienmarkt – vor allem in den USA. Dafür spricht eine Vielzahl von Faktoren. Zuversichtlich stimmt uns beispielsweise, dass Zinssenkungszyklen, die in der Vergangenheit nicht mit einer Rezession einhergingen, von einem Anstieg des S&P 500 um 22 Prozent im Jahr nach der ersten Zinssenkung der Fed begleitet wurden. Insbesondere 1995 dient aufgrund des vergleichbaren Makrobildes als eine Art Blaupause bei der Erwartungsbildung.
 
Die Saisonalität spricht ebenfalls für eine gute Performance in den kommenden drei
Monaten: Das vierte Quartal ist historisch mit Abstand das stärkste – wobei einschränkend erwähnt sei, dass der Oktober in US-Wahljahren etwas abfällt.
 
Für Euro-Aktien sind die Aussichten trotz allem gut, wenngleich etwas weniger rosig. Auch in Europa fallen die Zinsen. Die Eurozonenwirtschaft könnte eine Rezession in den kommenden zwölf Monaten vermeiden, womöglich aber nur haarscharf. In Bezug auf die Prognose bleibt China die große Unbe-kannte. Insofern fühlt sich das Kapitalmarktumfeld weit weniger nach „Goldilocks“ an als in den USA.
 
Rückenwind könnten Aktien aus Europa hingegen durch die im regionalen Vergleich sehr günstigen Bewertungen erhalten. Dieser Discount gepaart mit der Erwartung, dass Bewertungen von Aktien in Phasen fallender Zinsen tendenziell steigen, ergibt Spielraum für Kursanstiege.
Felix Herrmann ist Chefvolkswirt von ARAMEA Asset Management

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