Dr. Ulrich Kater / Bild: DekaBank AG
Der Herbst ist da, die Tage werden kürzer. Nun gilt es, mit kühlerem und unbeständigerem Wetter zurechtzukommen. So fühlt es sich derzeit auch an den Finanzmärkten an. Geopolitische Spannungen und militärische Konflikte, Wahlausgänge mit schwierigen Regierungskonstellationen, wirtschaftliche Stagnation in Deutschland, ungewohnte Schwäche in China und entsprechende Nervosität bei der dortigen Regierung – die Liste der Unwägbarkeiten ist lang. Dies bringt viel Bewegung an den Märkten. Die Aktienmärkte atmen nach ihren Ende September erreichten Allzeithochs nun etwas durch. Der Goldpreis steigt und steigt. Die Staatsanleiherenditen reagieren auf die überraschend günstigen Inflationsdaten. Die Inflation wiederum profitiert von den – trotz der jüngsten Anstiege immer noch – niedrigen Energiepreisen.
Geldpolitische Lockerung
Die geldpolitische Lockerung bietet für die Finanzmarktteilnehmer eine Haltestange: Die Notenbanken senken die Leitzinsen, manche vorsichtig, manche selbstsicher und manche eilig. Ob dies jedoch die entscheidende Stimmungsaufhellung für einen goldenen Oktober bringen wird, ist fraglich. Unterstützung könnte von der Finanzpolitik kommen. In Europa scheint inzwischen die „finanzpolitische Solidität“ aus dem Wortschatz gestrichen zu sein. Die Begründung für diese Politik sind große strukturelle Umwälzungen wie Klimawandel, Digitalisierung oder Verteidigung. Die erhöhten Staatsdefizite werden jedoch mehr und mehr von den Finanzmarktteilnehmern argwöhnisch beäugt. Die Risikoaufschläge auf französische Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen sind zuletzt über die von spanischen Anleihen gestiegen, was vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Es gilt also, wachsam zu sein. Beim Wetter und an den Börsen könnte es ein wechselhafter Herbst werden. Lichtblick in diesem eher grau gefärbten Bild bleiben die auch im kommenden Jahr sinkenden Notenbankzinsen, die der Weltwirtschaft und damit auch den Aktienmärkten eine wichtige Unterstützung liefern sollten.
Konjunktur Industrieländer
Deutschland
Die letzten Wochen waren fast ausschließlich durch schlechte Nachrichten geprägt: So sank die Unternehmensstimmung in Deutschland abermals spürbar. Die Forschungsinstitute sehen die Zukunft weniger rosiger, und die Krise der Automobilindustrie wird immer spürbarer. Konjunkturelle wie auch strukturelle Probleme haben die deutsche Volkswirtschaft in die Zange genommen. Immerhin besteht Hoffnung, dass die konjunkturellen Bremseffekte im Zeitverlauf abklingen werden. Die sinkende Inflation ermöglicht das Zurückgewinnen verlorengegangener Kaufkraft sowie das Abschmelzen des Zinsberges. Das wird perspektivisch die Konjunktur etwas beleben. Allerdings deckeln die strukturellen Defizite den Wachstums-Spielraum immer stärker.
Prognoserevision: Abwärtsrevision des Bruttoinlandsprodukts.
Euroland
Die größte Belastung für den Euroraum ist derzeit das fehlende Wachstum in Deutschland. Dieser Eindruck wurde durch die Frühindikatoren der vergangenen Wochen bestätigt. Während Deutschland im dritten Quartal der europäischen Wirtschaft keine positiven Impulse gegeben haben dürfte, sieht es bei den weiteren drei großen EWU-Ländern wesentlich besser aus. Die spanische Wirtschaft fährt nach wie vor unter Volldampf, und auch für Italien und Frankreich rechnen wir mit positiven Wachstumsraten. Am europäischen Arbeitsmarkt macht sich die deutsche Schwäche noch nicht bemerkbar. Die EWU-Arbeitslosenquote verharrte im August auf dem Allzeittief von 6,4 %. Die Unterschiede zwischen den vier großen EWU-Ländern sind nach wie vor sehr groß.
Prognoserevision: Abwärtsrevision der Prognosen für BIP und Inflation 2024 und
2025.
USA
Die inoffiziellen Berechnungen zum monatlichen Bruttoinlandsprodukt zeigen, dass sich die US-Wirtschaft insgesamt weiterhin relativ gut entwickelt. Nach einem starken Anstieg im Juli folgte im August eine Stagnation. Auch die ersten Daten für September deuten keine auffällige Schwäche an. Dies gilt insbesondere für den privaten Konsum. Ende September wurde die jährliche Benchmark-Revision veröffentlicht. Laut diesen waren die ersten Jahre des Corona-Aufschwungs nochmals beträchtlich stärker als bislang bekannt. Zudem wurden die Werte für das Sparen der privaten Haushalte deutlich nach oben revidiert. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass den privaten Haushalten die finanzielle Luft schnell ausgeht.
Prognoserevision: Leichte Aufwärtsrevision der Bruttoinlandsprognose für 2024.
Märkt Industrieländer
Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Im September ist die Inflationsrate in der Eurozone überraschend deutlich auf 1,8 Prozent gesunken und lag damit erstmals seit über drei Jahren unterhalb der Zielvorgabe der EZB. Allerdings lag dies erneut vornehmlich an der Energiekomponente. Die für die Geldpolitik ebenfalls wichtige Kernrate hat nur minimal auf 2,7 Prozent nachgegeben. Da sich zuletzt die Frühindikatoren für die Konjunkturentwicklung eingetrübt haben, hat die EZB-Vorsitzende Lagarde in Kommentaren durchblicken lassen, dass bereits auf dem kommenden EZB-Zinsentscheid im Oktober eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte (Bp) anstehen könnte. Wir erwarten neben diesem Schritt auch im Dezember eine erneute Senkung um 25 Bp. Danach rechnen wir im Quartalsrhythmus mit Leitzinssenkungen, bis der Einlagensatz Ende 2025 ein Niveau von 2,0 % erreicht hat. Demgegenüber würden schnellere Zinsschritte oder eine Lockerung bis in den expansiven Bereich unseres Erachtens voraussetzen, dass eine steigende Arbeitslosigkeit dämpfend auf die Entwicklung von Löhnen und Preisen wirkt.
Prognoserevision: Vorgezogene Leitzinssenkung im Oktober
Rentenmarkt Euroland
Die überraschend starke erste Leitzinssenkung der Fed sowie der deutliche Rückgang der Inflationsrate in Euroland unter den Zielwert der EZB haben die Erwartungen an beschleunigte EZB-Leitzinssenkungen beflügelt. In der Folge sind die Renditen von Bundesanleihen und Euroland-Staatsanleihen nochmals kräftig gesunken, sodass der Renditeabstand zwischen 10- und 2-jährigen Bunds wieder positiv wurde. Aufgrund der anhaltenden Persistenz der Kerninflation halten wir jedoch die Marktreaktionen für überzogen. Ab 2025 rechnen wir nur mit quartalsweisen Zinssenkungen der EZB und daher mit zwischenzeitlich etwas ansteigenden Bundrenditen. Die Bundkurve sollte dabei ihre wiedergewonnene positive Ausprägung behalten und tendenziell leicht steiler werden.
Prognoserevision: Niedrigere Renditen, etwas steilere Kurve
Rentenmarkt USA
Die Fed hat im September überraschend den Leitzinssenkungszyklus mit einem großen 50 Basispunkte-Schritt begonnen. Sowohl in unserem als auch im Hauptszenario der Fed sind bei den nächsten Meetings stets 25 Basispunkte-Senkungen enthalten. Allerdings haben verschiedene FOMC-Mitglieder nach dem jüngsten Zinsentscheid ihre Bereitschaft für weitere größere Schritte bekundet, sollten die nächsten Arbeitsmarktberichte Schwächesignale liefern. Damit liegen die Risiken für den Leitzinsausblick zumindest auf kurze Sicht auf der unteren Seite. An den Rentenmärkten wird weiterhin keine starke wirtschaftliche Abschwächung eingepreist.
Prognoserevision: Anpassung des Leitzinspfads bis Ende 2025 um 25 Basispunkte
nach unten.
Dr. Ulrich Kater ist seit 2004 Chef-Volkswirt der
DekaBank.
Er studierte an den Universitäten Göttingen und Köln
Volkswirtschaftslehre und promovierte 1995 am Finanzwissenschaftlichen
Lehrstuhl der Universität zu Köln. Von 1995 bis 1999 war Dr. Kater im
Stab der „fünf Wirtschaftsweisen“ für die Themen Geldpolitik und
Kapitalmarkt verantwortlich. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen
zu den Themen Geldpolitik, Währungspolitik, internationale
Kapitalmärkte, Finanzpolitik, Alterssicherungssysteme und
internationaler Dienstleistungshandel. Hörenswert: Sein Podcast mit
Mikro trifft Makro mit Dirk Huesmann über das Neueste aus der Welt der Finanzen.
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