Robert Halver, Baader Bank AG
Die Fiskal- und Geldpolitik in China wird auf Anordnung der Regierung in Peking aktiv, um die lahmende Konjunktur zu stabilisieren. Aber ist dieser chinesische "Whatever it takes"-Moment“ wirklich so gewaltig, dass sich Konjunktur und Aktienmärkte nachhaltig erholen?
China all in?
Chinas Aktienmarkt darbte seit Ende 2021 und hat noch im September ein Fünfjahrestief markiert. Viele große Anleger sind sogar seit der Immobilienkrise in chinesischen Aktien untergewichtet.
Sind jetzt die geplanten monetären, fiskalischen und börsenunterstützenden Maßnahmen der chinesischen Regierung der nachhaltige game changer für Konjunktur und Aktien?
Tatsächlich wollen sich viele ausländische Investoren diese Chancen nicht entgehen lassen. Ermutigend für chinesische Aktien ist, dass vor allem frisches Geld insbesondere von Hedgefonds für die Aktienhausse in China verantwortlich ist und weniger Eindeckungen von Leerverkäufen. Tatsächlich sind bei vielen Titeln die Short-Positionen noch so umfangreich, dass eine Rallye-Fortsetzung die Bären derart auf dem falschen Fuß erwischen würde, dass sie ihre Leerverkäufe schnell schließen müssten. Dann nährte die Hausse die Hausse.
Wie nachhaltig ist der chinesische Konjunktur-Aufschwung…
Umgekehrt wird aber auch ein Schuh daraus. Trauen internationale Anleger dem chinesischen Konjunktur- und Aktien-Braten etwa doch nicht und halten daher aus Vorsicht an Leerverkäufen fest? Könnte die Rallye nur ein vorübergehendes Strohfeuer sein?
Denn trotz der ergriffenen Maßnahmen und aller sozialistischen Wohlfühlparolen ist ein fünfprozentiges Wachstum nur offiziell zu erwarten. Einen Aufschwung dieser Größenordnung kann selbst die KP nicht einfach befehlen. Die chinesische Wirtschaftskrise ist tief und ideologisch-struktureller Natur. Mehr als zwei Drittel der Vermögensbildung der Haushalte steckt in Immobilien, deren Preise am Boden liegen oder als Projekte erst gar nicht gebaut werden. Die Frühindikatoren speziell für das Verarbeitende Gewerbe sehen bedenklich aus. Die Gewinne in der Industrie sind im August gegenüber Vorjahr um knapp 18 Prozent gefallen. Teilweise leidet China unter Deflation.
Zudem ist das aktuelle weltwirtschaftliche Umfeld schwierig. Und auch zukünftig wird Amerika seine schroffe Haltung gegenüber China mit z.B. Sanktionen auf High-Tech beibehalten. Und sollte Donald Trump wieder US-Präsident werden, wird er es bestimmt nicht als Heiligenbild an die Wände der KP in Peking schaffen, eher als Konterfei auf der Wurfscheibe.
Ohnehin leidet China unter der weltweiten Unabhängigkeitsbewegung weg vom chinesischen Standort. Der Schalter wurde regelrecht umgelegt. Viele ausländische Unternehmen ziehen ihre Gewinne ab und gehen lieber z.B. nach Indien. Auch ist der Kontrollwahn der KP vielen internationalen Unternehmen zuwider.
Und dann diese vermaledeite Planwirtschaft. In wirtschaftlichen Schwächephasen kann man nicht einfach „planmäßig“ weiter produzieren und versuchen die Überproduktion z.B. an E-Autos an Europa zu verramschen. Die Europäer werden sich mit Zöllen wehren und den preislichen Wettbewerbsvorteil der Chinese egalisieren, wenn die Chinesen nicht einlenken.
Angesichts dieser mannigfaltigen strukturellen Krise ist der Umfang der konkretisierten Maßnahmen der chinesischen Regierung viel zu klein, um abseits einer Stabilisierung einen Doppel- oder besser Dreifach-Wumms zu erreichen. Die Bazooka muss ausgepackt werden, damit Banken und dem Bau wieder Leben eingehaucht wird, mehr Konsum Chinas Online-Handelsplattformen boomen lässt und Unternehmen wieder Spaß am Investieren haben. Konkret fehlen Maßnahmen zur Verbesserung der Innovationskraft und der Produktivität, zur Förderung von Konsumneigung und Beschäftigung, aber auch zur Erleichterung des Marktzugangs privater und ausländischer Unternehmen und deren fairen Behandlung gegenüber chinesischen Staatsunternehmen. Diese marktwirtschaftliche Flexibilität des Westens scheint jedoch nicht in das ideologisch sture Konzept der Beton-Kommunisten zu passen.
…bzw. Chinas Aktienaufschwung?
Tatsächlich, wenn die ergriffenen Konjunkturmaßnahmen nach Meinung der Anleger überschaubar bleiben, ist mit deutlich mehr Schwankungen zu rechnen. Niemand will der Letzte sein, der einsteigt, aber auch nicht der Letzte, der aussteigt. Die Börse ist gnadenlos.
Überhaupt, in puncto Informationen ist China immer noch eine Wundertüte, bei der man nicht weiß, was drinsteckt. Dagegen sind westliche Aktienmärkte so mitteilsam wie Waschweiber auf dem Wochenmarkt. Indien dagegen weiß, dass ohne Transparenz am Aktienmarkt kein Blumentopf bzw. Sack Reis zu gewinnen ist. Könnte es also sein, dass die veröffentlichten bereits schlechten Daten in Wirklichkeit noch schlechter aussehen?
Übrigens, hat die KP öfter schon die Nase über den „kapitalistischen“ Kapitalmarkt gerümpft. Börsen und Kommunisten verbindet so wenig wie Wasser und Öl. Zur Erinnerung: Die größte Wachstumsgeschichte der Welt, die in den 90er- und Nullerjahren in China stattfand, ist an der Börse in China weitgehend vorbeigegangen. Sicher gab es in China seit 2005 mehrere Super-Rallyes, die trotz mit Schaum vor dem Mund investierenden chinesischen Kleinanleger jedoch allesamt nicht das Zeug hatten, eine nachhaltig solide chinesische Aktienkultur aufzubauen.
Angesichts der dramatischen Aufwärtsbewegung ist mit Verschnaufpausen zu rechnen. Immerhin ist längerfristig von einer Stabilisierung auszugehen, die zwischenzeitlich auch nach oben geht. Denn sicherlich weisen beispielsweise chinesische Top-Tech-Werten gegenüber ihren Konkurrenten aus den USA zu hohe Bewertungsabschläge auf.
Insgesamt bleiben die Lösungen der mannigfaltigen strukturellen und vor allem ideologischen Defizite der Knackpunkt für nachhaltige Performance. Ohne transparente Marktwirtschaft, die die Planwirtschaft in die linke Ecke verdrängt, wird China kaum zum neuen Aktien-Stern am Himmel werden.
Xi Jinping sollte sich ab sofort wieder stark am früheren wirtschaftlichen Modernisierungs- und Öffnungskurs von Deng Xiaoping orientieren.
Im Status Quo bleibt China eine Depotbeimischung. Vorsichtige Anleger sollten breit in den Gesamtmarkt investieren und sich weniger um Einzelschicksale kümmern. Hierbei sind regelmäßige Sparpläne geeignet, um von den Chancen chinesischer Aktien zu profitieren, ohne unnötig hohe Risiken einzugehen.
Ja, der chinesische Aktien-Drache hat ordentlich Feuer gespien. Aber wie so oft im Leben geht es um die Steherqualitäten.
Robert Halver leitet seit 2008 die Kapitalmarktanalyse bei der
Baader Bank.
Mit Wertpapieren und Anlagestrategien beschäftigt er sich in
verschiedenen Positionen – darunter beim Bankhaus Delbrück und der
Schweizer Bank Vontobel – bereits seit 1990. Der wortgewandte
Aktienexperte ist durch regelmäßige Medienauftritte und
Fachpublikationen sowie als Kolumnist einem breiten Publikum bekannt.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725