Von Riesen und Perlen

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Es geht weiter aufwärts an den Märkten diese Woche. Außerdem blicken Anleger interessiert nach Jackson Hole, einen kleinen Ort in den Rocky Mountains, in dem die internationalen Notenbanker urlauben, nein, konferieren. Vor allem von Fed-Chef Jerome Powell erhofft man sich Eindeutiges zu Höhe und Zeitpunkt möglicher Zinssenkungen. Mit einem Hole anderer Art muss sich die deutsche Regierung befassen, zwölf Milliarden Euro beträgt das Haushaltsloch nach derzeitigem Stand und die Koalition könnte gar hinein- oder darüber stolpern: „Habeck ist unzufrieden mit Haushaltskompromiss – und warnt vor Koalitionsbruch“ (Die Welt). Auch andere reagieren pikiert: „Bundesbank kritisiert Haushaltspläne der Ampel“ (Handelsblatt).

3x7

Überwiegend rot sehen Der Aktionär und Focus Money, zumindest auf ihren Titelseiten – dabei haben sich die Märkte doch wieder beruhigt. Aber es geht mit dieser Signalfarbe wohl vor allem darum aufzufallen: Der Aktionär zeigt eine große Glühbirne mit einer leuchtenden „7“ als Glühfaden darin und der naheliegenden Headline: „Einleuchtende Anlageideen“. Die gute alte Glühbirne erfüllt eben noch ihren Dienst, auch wenn sie schon lange nicht mehr leuchtet. Es geht gar nicht um die Magnificent Seven im Magazin, sondern „vom Immobilien-Riesen bis zur Hightech-Perle – diese sieben Firmen sorgen für langfristige Gewinne“. Eine Zielscheibe mit Pfeil im Zentrum unterstreicht bei Focus Money die „21 Volltreffer für Ihr Depot“, samt der Versicherung: „Diese Aktien kaufen die Profis“. Wir sind gespannt, ob es weiter geht mit dem 7er-Einmaleins bei Börse Online, aber hier flüstert uns im Comicstil ein Mann mit Zeigefinger vorm Mund „die aufregendsten Aktien der Superinvestoren“ zu. Denn, „die besten Anleger der Wall Street müssen einmal im Quartal ihre Investitionen melden“. Was für eine Steilvorlage.

Coffee break

In unseren schnelllebigen Zeiten folgen die Trends rasch aufeinander und wir gestehen, nicht alle mitzubekommen. Aber deshalb nutzen wir ja Medien, um möglichst up to date zu sein. So berichtet das des Lifestyles eher unverdächtige Medium Markt und Mittelstand über „Coffee Badging: Der neue Büro-Trend in Zeiten der Hybridarbeit“. Was darunter zu verstehen ist? Ein kurzes Erscheinen im Büro, um dort einen Kaffee (umsonst) zu trinken und seine Anwesenheit zu bekunden, um dann flugs wieder ins Homeoffice zu wechseln. Es gilt als eine kreative Lösung, um die durchs Homeoffice gewonnene Flexibilität zu bewahren. Immerhin beweist man so Präsenz, ohne sie mit Arbeit zu beschweren, der Begriff der „Hybridarbeit“ bekommt eine ganz neue Dimension. Nach Angaben der Videokonferenzfirma Owl Labs nutzen 58 Prozent der Hybridarbeiter diese Strategie. Und je jünger die Kolleginnen und Kollegen desto intensiver! Man will gesehen werden, ohne anwesend zu sein, irgendwie so etwas wie Geisterbeschwörung im Büro. Eine Alternative, um Arbeitnehmer länger ins Büro zu bannen, sei hingegen das „Office Peacocking“. Also das Büro durch gut ausgestattete Küchen und bequeme Sofas besonders attraktiv zu gestalten. Das Problem: Ein kochender, essender und schlafender Kollege ist noch kein arbeitender...

Break (meist) ohne Coffee

Nein, wir wollen es uns nicht zur Gewohnheit machen und an dieser Stelle über die Deutsche Bahn herziehen, das Staatsunternehmen liegt uns am Herzen, ja, wir schätzen es. Geschätzt wird jetzt aber auch, so mussten wir lesen, der Fahrplan. Berechnet werden kann er offensichtlich nicht mehr: „Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt“, staunt die Süddeutsche Zeitung. Wir müssen uns bei jeder Ankunfts- und Abfahrtszeit künftig also ein „ungefähr“ dazu denken. Ob die Bahnvorstände von Computer auf Abakus umgestellt haben? Wir wissen es nicht. Was wir sicher wissen, weil getestet, dass der „Bahn-Service nur ‚befriedigend‘“ ist. So zumindest die Headline in der Abendzeitung, die sich auf die Stiftung Warentest bezieht, die tatsächlich mit dem Zug gefahren sei. „Zu unpünktlich, zu wenig Informationen und zu wenig analog“, so das Testurteil und die abschließende Bewertung: Weder die Deutsche Bahn, noch Flixtrain, der ebenfalls getestet wurde, seien zu empfehlen. Aber was ist die Alternative? Und dass die Bahn zu digital sei, hört man auch eher selten in den langgestreckten Funklöchern auf der Strecke.