Deutsche Wirtschaft: Wieder ein verlorenes Quartal

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht / Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Das zweite Quartal 2024 ist ein weiteres Mahnmal für die deutsche Wirtschaftspolitik. Dies gilt weniger, weil das BIP leicht zurückgegangen ist, sondern weil die Ausrüstungsinvestitionen weiter sinken. Und dies, obwohl die europäische sowie globale Wirtschaft schon länger durchaus positive Konjunkturimpulse senden. Infolge der fehlenden Investitionsbereitschaft partizipiert Deutschland aber immer weniger von der Außenwirtschaft bzw. zeigt keine eigene Wachstumsdynamik. Die Investitionsquote sinkt und mit ihr das Potenzialwachstum sowie die Fähigkeit des Standorts zur Transformation. Wie lange die deutsche Industrie an dem Standort festhält, bleibt abzuwarten, aber es wird sicherlich nicht endlos sein.
Auch wenn die BIP-Zahlen für das zweite Quartal enttäuscht haben, völlig überraschen sollten sie im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht. Das Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,1 Prozent erfordert zwar eine IKB-Prognoseanpassung für 2024 von 0,4 Prozent auf rund 0 Prozent. Der grundsätzliche Ausblick bleibt aber unverändert: Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Wachstumsimpulsen, und sie partizipiert nicht am internationalen konjunkturellen Aufschwung. Sehr wohl zeigt sich dieser in allen anderen großen Volkswirtschaften der Euro-Zone, denn alle haben sich in den letzten Quartalen stetig bzw. positiv entwickelt. Während diese Länder einen gewissen Gleichlauf aufweisen, scheint sich die deutsche Wachstumsdynamik dagegen entkoppelt zu haben. Die Wachstumsunterschiede in Abb. 1 zeigen sehr deutlich, dass die deutsche Wirtschaft aktuell durch Struktur- bzw. Angebotsprobleme ausgebremst wird und Konjunkturimpulse keinen ausreichend großen Einfluss haben, um dem europäischen Gleichlauf auch nur ansatzweise folgen zu können (siehe auch Globale Erholung: Nicht genug für den Standort Deutschland).
 
Nun kann argumentiert werden, dass es an kräftigen Konjunkturimpulsen vor allem aus dem Ausland fehlt und gerade diese notwendig sind, damit es zur typisch deutschen Erholung aufgrund der Exportstärke kommt. Allerdings konnte die US-Wirtschaft ihr Wachstum im zweiten Quartal deutlich steigern, und auch Chinas Wachstum konnte mit knapp unter 5 Prozent im Jahresvergleich überzeugen, wenn auch nicht positiv überraschen. Doch was ist hier die Aussage? Nur wenn es die anderen Länder durch ausreichend große Nachfrageimpulse richten, wächst die deutsche Wirtschaft? Wie schon oft betont, wird die globale Konjunkturerholung nicht ausreichend kräftig ausfallen können, damit dieses deutsche Wachstumsmodell im Umfeld eines schwachen Investitionsverhaltens erfolgreich ist. So ist laut IKB-Schätzungen ein globales Wachstum der Industrieproduktion von rund 4 Prozent nötig, nur um das Produktionsniveau am Standort Deutschland halten zu können. Von solch einer Dynamik ist die Weltwirtschaft in diesem Jahr und angesichts protektionistischer Tendenzen auch in den nächsten Jahren weit entfernt. Die Weltkonjunktur wird und kann das Problem des niedrigen deutschen Wachstums nicht lösen, gerade weil es angebots- und nicht nachfragebestimmt ist. So sinkt der weltweite Exportanteil der deutschen Wirtschaft nun schon länger. Das heißt, auch wenn die globale Konjunktur deutlich zulegen würde, Deutschland scheint immer weniger davon zu profitieren. Anpassungen in den Handelsbeziehungen mit China sowie den USA sind sicherlich mögliche Gründe hierfür. Da jedoch fast 40 Prozent der deutschen Exporte in die Euro-Zone geliefert werden und sich die Anteile zwischen der EU, USA und China in den letzten Jahren nicht grundsätzlich verschoben haben, liegt es nahe, dass es auch Angebotsdefizite sind: Fehlende Investitionen und damit eine nicht ausreichende Kapazitätsausweitung im Verarbeitenden Gewerbe belasten Exporte.
Unabhängiges nachhaltiges Wachstum wird durch eine Angebotsausweitung in Form von Innovationen sowie stärkerer technologischer Wettbewerbsfähigkeit, also folglich Produktivitätsverbesserungen, erzielt, für die vor allem Investitionen nötig sind. Dies gilt gerade für eine Wirtschaft, deren Potenzialwachstum unter Druck geraten ist. Und das sind die eigentlich schlechten Nachrichten der aktuellen deutschen BIP-Entwicklung. Denn laut dem Statischen Bundesamt ist für das BIP-Minus hauptsächlich ein Investitionsrückgang bei Bauten und Ausrüstungen verantwortlich. Zudem gibt es weiterhin keine Anzeichen für eine zügige Erholung der Ausrüstungsinvestitionen. Doch gerade diese ist notwendig, um das Potenzialwachstum zu stärken und die Transformation voranzubringen. Somit war auch das zweite Quartal für die Transformation und Stärkung des Wachstumspotenzials ein verlorenes Quartal. Deutschland hinkt weiterhin den Investitionserfordernissen hinterher. Anstatt die Investitionsquote auszuweiten, ist diese im zweiten Quartal weiter gesunken. Doch überraschend ist dies nicht. Die vielen Investitionsbremsen sind bekannt. Tragisch ist, dass sie auch im zweiten Quartal nicht entschlossen angegangen wurden.
Das aktuelle ifo Geschäftsklima hat sich erneut eingetrübt, sodass auch im dritten Quartal mit keiner schnellen Wende beim Investitionsverhalten zu rechnen ist. Im Gegenteil: Die Konjunkturrisiken für die Weltwirtschaft bleiben hoch, und verbesserte Rahmenbedingungen für den Standort Deutschland sind kaum erkennbar. Auch werden weitere Zinssenkungen der EZB kein Treiber für Investitionen sein. Schließlich sind laut Bundesbankumfrage (siehe Konjunkturerholung: Verschnaufpause oder erhöhter Handlungsdruck?) die Gründe für die fehlende Investitionsbereitschaft nicht zu hohe Finanzierungskosten. Investitionshemmnisse sind neben dem schwachen Makro-Umfeld vor allem die bekannten Standortdefizite. Zwar ist laut IKB-Umfrage auch weiterhin von einer hohen Loyalität für den Standort Deutschland im gehobenen Mittelstand auszugehen. Doch global agierende erfolgreiche Unternehmen werden sich bei ihren Wachstumszielen nicht von einem einzelnen Standort einengen lassen. Somit besteht weiterhin uneingeschränkter Handlungsdruck, die Rahmenbedingung für den Industriestandort Deutschland zu stärken. Dies gilt vor allem, weil die globale Konjunktur nicht für ausreichend Auftrieb sorgt und die deutsche Wirtschaft nun schon viel zu lange stagniert. In den letzten acht Quartalen ist die deutsche Wirtschaft nicht gewachsen. Die IKB bleibt dennoch zuversichtlich, dass sich eine gewisse Stabilisierung bei den Investitionen in den kommenden Quartalen ergeben wird, und erwartet ein BIP-Wachstum von um die 1 Prozent im Jahr 2025. Trotz der niedrigen Konjunkturprognose überwiegen Abwärtsrisiken. Es liegt an der Politik, für Aufwärtsrisiken zu sorgen.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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