Indien auf dem Weg der Vereinigten Staaten

Kristian Heugh, Morgan Stanley Investment Management
Kristian Heugh / Bild: Morgan Stanley Investment Management
Eine junge und wachsende Bevölkerung dürfte in den kommenden Jahren das indische Wachstum stützen. Die Lage im Land erinnert uns an die USA in den 1980er-Jahren. Am Aktienmarkt sehen wir Chancen insbesondere in den Bereichen Luxusgüter, Tourismus und Gastronomie sowie Gesundheitswesen.
 
Im Jahr 2022 lag das indische Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 3,5 Billionen US-Dollar – in den kommenden zehn Jahren dürfte es auf 8,1 Billionen US-Dollar steigen, prognostiziert Morgan Stanley Research. Das Pro-Kopf-BIP könnte im selben Zeitraum von 2.400 US-Dollar auf mehr als 3.600 US-Dollar wachsen. Indiens Premierminister Narendra Modi sagt, das nächste Jahrzehnt kann ‚Indiens Moment‘ werden.
 
Oft wird das Land mit China verglichen. Wir denken aber, dass der Vergleich mit den Vereinigten Staaten der 1980er-Jahre passender ist. Gründe dafür sind das regulatorische Umfeld, der Konsum als treibende Kraft der Wirtschaft und der hohe Anteil privater Unternehmen.

Konsum treibt die Wirtschaft

Indiens Wirtschaft ist ähnlich groß wie die der USA zu Beginn der 1980er-Jahre. Damals wuchs das nominale BIP der Vereinigten Staaten mit durchschnittlich rund 7,6 Prozent jährlich. Die persönlichen Konsumausgaben (PCE) stiegen im Schnitt um rund 8,1 Prozent pro Jahr, manche Teilsegmente sogar um mehr als 10 Prozent. Dies ließ den US-Aktienindex S&P 500 zwischen 1980 und 1990 um durchschnittlich 12,6 Prozent jährlich zulegen. Indien ist jetzt in einer ähnlichen Phase und verfügt im nächsten Jahrzehnt über ein ähnliches Wachstumspotenzial.
 
Der Anteil der Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 8.000 US-Dollar pro Jahr könnte von rund 25 Prozent im Jahr 2021 bis 2031 auf mehr als 50 Prozent steigen. Historisch gesehen besteht ein großer Teil des Warenkorbs in Indien aus Gütern des täglichen Bedarfs.

Hang zu Luxus

Es gibt zunehmend Anzeichen dafür, dass die indischen Verbraucher mehr für Luxusprodukte ausgeben. 2023 beispielsweise eröffnete Apple seine ersten Einzelhandelsgeschäfte in Indien. Im Geschäftsjahr 2023 lagen die dortigen Umsätze des Unternehmens bei schätzungsweise 6 Milliarden US-Dollar. Morgan Stanley Research geht davon aus, dass es in zehn Jahren schon 40 Milliarden US-Dollar sein könnten. Dies wirkt sich auch auf andere Segmente aus, in denen die Verbraucher hochwertigere Produkte kaufen.
 
Ein Hauptnutznießer dieses Trends dürfte der Schmucksektor sein. Gold hat für die Inder eine hohe Bedeutung; das Land ist der zweitgrößte Importeur weltweit. Wahrscheinlich werden die Inder im Zuge des steigenden Wohlstands auch verstärkt Diamantschmuck nachfragen. Das würde die Gewinnspannen der Einzelhändler erhöhen.
 
Immer mehr Inder reisen in- und außerhalb des Landes. Die Investitionen in die Infrastruktur – vor einem Jahrzehnt gab es noch rund 70 Städte mit Flughäfen, 2025 werden es wohl mehr als 200 sein – machen es den Menschen leichter, innerhalb Indiens zu reisen. Dadurch werden zahlreiche Unternehmen entstehen, von Online-Reisebüros bis hin zu Hotelbetrieben. Die Hotelinfrastruktur in Indien ist derzeit begrenzt. Im Jahr 2022 gab es im Land 160.000 Zimmer gegenüber 4,7 Millionen in China. Das spricht für erhebliches Wachstumspotenzial.
 
Der Nahrungsmittelverbrauch machte im Jahr 2019 ein Viertel des indischen BIP aus. 90 Prozent davon entfielen auf selbst zubereitete Mahlzeiten. Restaurants und Essenslieferungen hatten einen Anteil von nur 10 Prozent am gesamten Lebensmittelmarkt. Wir erwarten ein stetiges Wachstum der Branche, angetrieben durch sozioökonomische Faktoren wie zunehmende Urbanisierung, mehr berufstätige Frauen und höhere verfügbare Einkommen sowie die Digitalisierung.
Indiens

Wachsender Gesundheitssektor

Indiens Gesundheitsbranche wuchs in den vergangenen fünf Jahren mit durchschnittlich 12 bis 14 Prozent pro Jahr. Im weltweiten Vergleich ist sie aber noch unterentwickelt. Die Gesundheitsausgaben lagen im Jahr 2022 bei etwa 2 Prozent des BIP gegenüber den USA mit 18 Prozent, Brasilien mit 13 Prozent, dem Vereinigten Königreich mit 11 Prozent und China mit 6 Prozent. Neben den traditionellen Krankenhaus- und Apothekendiensten kann digitale Gesundheit ein interessanter Bereich sein: Die Smartphone-Durchdringung ist hoch, 75 Prozent der Bevölkerung leben außerhalb der städtischen Zentren und die Corona-Pandemie hat die Akzeptanz gestärkt.
Kristian Heugh ist Head of Global Opportunity bei Morgan Stanley Investment Management.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC S&P 500 5.563,1899 N.A.
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