Haushaltsdefizite in der Eurozone sind im Fokus

Tobias Friedrich, Santander Asset Management
Tobias Friedrich / Bild: Santander Asset Management
  • In Europa stehen die Zeichen auf Aufschwung, aber der Weg ist holprig.
  • Die US-Konjunktur kühlt sich etwas ab.
  • Schwächere Konjunkturvorgaben sorgen für Zinssenkungsfantasien in den USA.
Nach den Fortschritten der vergangenen Monate enttäuschten die Einkaufsmanagerindizes der Eurozone im Juni sowohl im Bereich Fertigung als auch im Dienstleistungssektor. Das aggregierte Niveau ist nach wie vor mit einem positiven BIP-Wachstum in der Eurozone vereinbar, doch aktuell wird keine signifikante Beschleunigung gegenüber den 0,3 Prozent des ersten Quartals 2024 erwartet. Dieses Szenario bleibt sowohl für deutsche Staatsanleihen als auch für Aktien und damit für die Diversifizierung der Finanzanlagen günstig: Positives Wachstum unterstützt günstige Schätzungen für die Unternehmensgewinne, während das BIP-Wachstum, das bei rund 0,3 Prozent gehalten wird, zur Kontrolle der Inflation beiträgt und der EZB hilft, bei Zinssenkungen weiter voranzukommen.

Frankreich, Italien und Co. müssen bei den Haushaltsdefiziten liefern

Der Schwerpunkt des Marktes in Frankreich liegt auf den Vorschlägen, die die Parteien in ihre Wahlprogramme aufnehmen können und die sich auf die Haushaltsbilanz auswirken dürften (indem sie die Ausgaben erhöhen oder die Einnahmen durch niedrigere Steuern senken). Frankreich weist derzeit das höchste Haushaltsdefizit der wichtigsten Länder der Eurozone auf. Nach den während der Pandemie genehmigten außerordentlichen Maßnahmen macht Frankreich im Gegensatz zu anderen Ländern der Eurozone keine Fortschritte bei der Korrektur seines Defizits auf das von der Europäischen Union festgelegte Ziel von 3 Prozent des BIP, was hauptsächlich auf hohe laufende Ausgaben zurückzuführen ist.
 
In diesem Zusammenhang hatte die Ratingagentur S&P das französische Rating aufgrund der „Verschlechterung ihrer Haushaltslage“ bereits Ende Mai auf AA- herabgestuft. Nach den Kalendern der wichtigsten Ratingagenturen wird eine neue Anpassung des Ratings erst im Oktober erfolgen. In diesem Sinne und innerhalb der vor Monaten festgelegten Fristen kündigte die Europäische Kommission jüngst die Eröffnung des Verfahrens aufgrund übermäßigen Defizits (VÜD) gegen Frankreich, Italien und fünf weitere EU-Länder an. Im Juli werden Gespräche zwischen den Ländern und der EU aufgenommen, um sich auf einen konkreten Plan zu einigen – am 20. September müssen die mehrjährigen Haushaltspläne zur endgültigen Genehmigung der EU vorgelegt werden.

Die US-Wirtschaft bleibt trotz erster Schwächesignale robust

Die US-Konjunktur hingegen zeigt erste Anzeichen einer leichten Abkühlung nach einer starken Aufschwungsphase, ein Einbruch ist jedoch nicht zu verzeichnen. Das BIP-Wachstum verlangsamte sich im ersten Quartal leicht, hauptsächlich aufgrund von Schwankungen in den Nettoausfuhren und Lagerbeständen. Und dennoch: Entgegen den Prognosen zeigt nun auch der lange Zeit robuste Dienstleistungssektor Nerven. Gemäß den jüngsten Einkaufsmanagerumfragen ist der entsprechende Index für den Servicesektor unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkten gesunken, ein Terrain, in dem sich das Pendant des verarbeitenden Gewerbes ohnehin schon seit geraumer Zeit bewegt. Auch in den harten Daten sendet die US-Wirtschaft Schwächesignale: So hat sich der Auftragseingang der US-Industrie im Mai um 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat abgeschwächt, während die Analysten einen marginalen Anstieg prognostiziert haben. Die schwächer als erwartet ausgefallenen Konjunkturvorgaben befeuern erneut aufkommende Zinssenkungsfantasien in den USA, obwohl die US-Notenbank Federal Reserve zuletzt betonte, womöglich nur ein einziges Mal in 2024 die Leitzinsen anzupassen. Die US-Wirtschaft scheint sich von einer Phase der Überhitzung in eine Normalisierung zu bewegen. Wir gehen davon aus, dass die Fed sowohl im September als auch im Dezember die Zinsen wird senken können.
Tobias Friedrich ist Senior Manager Products & Markets bei Santander Asset Management.