Norbert Betz / Bild: BBAG/Killius
Guter Rat kann uns teuer kommen, wenn er nur gut gemeint ist, aber in die falsche Richtung führt. An der Börse gibt es immer (mindestens) zwei Meinungen und es ist für Anleger extrem wichtig, mehrere Stimmen einzuholen. Weder Journalisten, noch Analysten oder Bankberater sind gegen falsche Urteile gefeit, überdies haben sie je eigene Interessen. Insofern bleibt es wichtig, sich selbst und vielseitig zu informieren.
Gerne und vehement warne ich vor Kontrolle und dem Kontrollwahn, dem wir so gerne unterliegen und der uns zu falschen Handlungen verführt. Doch jetzt bediene ich mich an einem Lenin zugeschriebenen Statement: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Es geht mir dabei darum, dass Sie nicht blind auf andere hören sollen – manchmal ist es besser, sich taub zu stellen. Und ja, bei mir können Sie natürlich eine Ausnahme machen!
Besser keinen Gebrauchten kaufen?
Als eine Art ehernes Gesetz sollten immer eines berücksichtigt werden: Bei allen Tipps rund um die Börse oder besser rund um die gesamte Kapitalanlage gilt immer, dass der Ratgeber für gewöhnlich ein völlig anderes Interesse hat als derjenige, der den Rat annimmt! Wenn Sie einen Gebrauchtwagen kaufen, ist Ihnen von Beginn an bewusst, dass Ihr Gegenüber den maximal möglichen Preis für seine alte Kiste herausschinden möchte. Dabei übertreibt er die Leistungen des Wagens genauso wie er die Schwächen tunlichst unerwähnt lässt. Das wissen Sie aber und versuchen das Gegenteil: Sie weisen ihn auf Lackschäden und Kratzer, Risse im Polster und eine hacklige Schaltung hin und hoffen so, den Preis drücken zu können. Irgendwo in der Mitte werden sie sich dann einig werden. Wenn ihr Know-how in Sachen Automobile nur so weit reicht, dass Sie mit Kennermiene mit der Fußspitze gegen den Reifen klopfen, sollten Sie Ihren Gebrauchtwagen besser bei einem zertifizierten Händler mit Garantie erwerben als an der Straße, dessen sind Sie sich auch bewusst.
Beratung schützt nicht vor Information
Was bedeutet dies auf die Kapitalanlage übersetzt? Egal ob Sie Informationen aus Zeitschriften oder Magazinen nehmen, Analysten-Reports lesen oder mit einem Berater sprechen, die Journalisten und Banker vertreten auch ihre eigenen Interessen beziehungsweise die ihres Hauses. Das ist deren gutes Recht, ich möchte nicht missverstanden werden, es wäre für Verlage wie für Banken und Kreditinstitute verheerend, wenn ihre Mitarbeiter das nicht täten. Deshalb ist es – wie beim Autokauf – wichtig für Sie, dass Sie sich aus unterschiedlichen Quellen informieren und so mit dem notwendigen Background versehen zielgerichtet in Gespräche gehen oder Fachartikel lesen und bewerten können. Schließlich geht es um Ihr Geld und Ihre Zukunft.
Die Analysen von Analysten
Auch bei Analysten gilt es zu überlegen, wessen Brot sie essen. Sie pflegen zwar umfangreiche Rechenmodelle, vertiefen sich in Gewinn-und-Verlust-Rechnungen, Bilanzen und Kapitalflussrechnungen, außerdem führen sie exklusive Interviews mit Finanzvorständen, doch sind sie auch unabhängig? Oftmals wird ihr Gutachten von dem Unternehmen in Auftrag gegeben, das sie untersuchen sollen. Oder herrschen andere Verbindungen zwischen den Analysten, die oftmals bei einer Bank fest angestellt sind, und dem analysierten Unternehmen?
Analysten geben normalerweise drei „Empfehlungen“ oder „Signale“ vor: kaufen (buy), verkaufen (sell) oder halten (hold). Bei Kaufsignalen nennen sie oftmals noch ein Kursziel. Bei Kauf wie Verkauf sollten Sie auf jeden Fall mehrere Analystenmeinungen vergleichen, denn es kommt durchaus vor, dass Analysten verschiedener Häuser zu konträren Ansichten kommen. Solche Empfehlungen sind also nur eine Information unter anderen!
Übrigens werden auch Rating-Agenturen oftmals von dem Unternehmen, das sie bewerten sollen, bezahlt. Verlassen Sie sich niemals ausschließlich auf das Urteil eines Ratings, das ja nur die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der ein Unternehmen Pleite gehen kann. Leider kann aber auch eine 30-prozentige oder sogar nur 5-prozentige Regenwahrscheinlichkeit dazu führen, dass man nasse Füße bekommt.
Zum guten Rat gehört Demut
Bank- und Sparkassenberater wiederum, die in einer Wertpapierabteilung arbeiten, verfügen über ein fundamentales Wertpapierwissen. Sie müssen inzwischen alle Tätigkeiten für Sie minutiös dokumentieren, Telefonate aufzeichnen und Ihnen Protokolle zum Unterschreiben vorlegen. Das schützt Sie im Zweifelsfall, fördert aber nicht gerade den Gesprächsfluss. Gehen Sie informiert in ein Beratungsgespräch, dann profitieren Sie optimal vom Können Ihres Gegenübers, denn nur dann können Sie ihn angemessen fordern und er Sie fördern.
Journalisten, Analysten, Banker, alle können (und wollen) Ihnen hilfreiche Informationen liefern und alle haben einen Ruf zu verlieren. Im besten Sinne einer guten und langfristigen Geschäftsbeziehung will Sie keiner davon über den Tisch ziehen, das sei klar gesagt. Ein Anleger-Magazin, das permanent Verlustbringer anpreist, wird schnell vom Markt fliegen, dafür sorgen schon die sozialen Medien und Blogger, die solche Dinge rasch und flächendeckend verbreiten.
Ein guter Artikel, ein bedenkenswerter Ratschlag, ist immer auch selbstreflexiv, ja selbstkritisch. Er bringt, basierend auf Zahlen, Fakten und Analysen, Pro- und Contra-Argumente und erläutert, warum er zu welcher Lösung gekommen ist. Der Autor oder Berater behält sich aber vor, dass auch eine andere Lösung möglich ist – eine alternativlose Empfehlung gibt es nicht! Und, ein Blick in die Zukunft erfordert immer ein gerüttelt Maß an Demut, denn niemand weiß, niemand kann wissen, was kommen wird.
Mein Fazit: Je informierter man ist, desto besser kann man Informationen aufnehmen und richtig verarbeiten.
Norbert Betz, Leiter der
Handelsüberwachung an der Börse München, setzt sich seit Jahren mit den
Psychofallen an der Börse auseinander: als leidenschaftlicher Trader wie
als distanzierter Marktbeobachter, als Referent (online und offline)
und Autor.
Gemeinsam mit Ulrich Kirstein hat er
Börsenpsychologie simplified, 2. Auflage 2015,
erschienen im FinanzBuchVerlag, geschrieben. Für die Börse München
außderdem das Booklet Psychofallen an der Börse. Wie wir sie erkennen
und vermeiden. (2. Auflage 2021)