Enguerrand Artaz / Bild: LFDE - La Financière de l’Echiquier
Selten war der Zugang zu Immobilieneigentum für amerikanische Privathaushalte so schwierig. Die Indizes, mit denen diese Zugänglichkeit gemessen wird, sind zwar nicht akkurat, da sie Unterschiede zwischen Regionen, Altersgruppen und Einkommensniveaus verschleiern; doch in jüngster Zeit sind sie auf noch schwächere Niveaus gesunken als auf dem Höhepunkt der Immobilienblase Mitte der 2000er Jahre. Diese Parallele mag alarmierend erscheinen. Im Grunde sind die beiden Situationen jedoch nicht vergleichbar. In der ersten Hälfte der 2000er Jahre hatte die rasante Zunahme von „Subprime“-Immobilienkrediten vielen unterschiedlichen Privathaushalten den Zugang zu Immobilieneigentum ermöglicht, der ihnen zuvor – hauptsächlich wegen unzureichender Einkommen – verwehrt geblieben war. Dies hatte logischerweise schnell die Nachfrage angekurbelt, was wiederum einen starken Preisanstieg nach sich zog, der letztendlich zur Bildung einer Blase führte. Diese platzte schließlich 2007 aufgrund er steigenden Zahl an Haushalten, die ihre Kredite aufgrund der Konjunkturschwäche und der steigenden Arbeitslosigkeit nicht mehr zurückzahlen konnten.
Aktuelle Lage anders als zur „Subprime“-Krise
Der bedeutendste Hemmschuh für den Zugang zu Immobilieneigentum ist der sehr schnelle Anstieg der Kreditzinsen. So ist der 30-jährige Referenzzinssatz von knapp über 3,0 Prozent Mitte 2021 auf heute über 7 Prozent gestiegen; im vergangenen Herbst lag er kurzzeitig sogar bei über 8 Prozent. Gleichzeitig sind die Preise gestiegen, allerdings ohne, dass dies zu einer Blasenbildung geführt hätte. Gründe hierfür sind die veränderten Lebens- und Arbeitsgewohnheiten im Zusammenhang mit der Pandemie und ein relativ knappes Angebot an zum Verkauf angebotenen Wohnungen.
Bezüglich des letztgenannten Punkts verändert sich die Lage momentan. Das Angebot an Bestandswohnungen nimmt zwar zu, liegt aber weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Zudem ist dieser Markt völlig erstarrt: Die Käufer der vergangenen Jahre wollen den Vorteil der sehr niedrigen Kreditzinsen, die 2020 und 2021 zu haben waren, nicht wieder verlieren. Hierdurch werden die Preise künstlich hoch gehalten. Andererseits steigt die Zahl von Neubauwohnungen unablässig und erreichte im Mai ihren höchsten Stand seit 2008. Der seit einem Jahr stabile Medianpreis von Neubauwohnungen ist zum ersten Mal seit 2005 – von der Pandemie abgesehen – unter den Medianpreis von Bestandswohnungen gefallen, was durchaus Symbolcharakter hat.
Drohende Preiskorrektur am amerikanischen Immobilienmarkt
Dieses Umfeld birgt zwar weniger Risiken als das der 2000er Jahre, ist jedoch keineswegs gesund. Mit dem Beginn der Zinssenkungen wird sich diese Situation wahrscheinlich auflösen, was allerdings mit einer deutlichen Preiskorrektur nach unten einhergehen wird. Genau hier liegt jedoch das Hauptrisiko, das der Immobilienmarkt heute für die amerikanische Wirtschaft darstellt. Denn der Anstieg der Immobilienpreise in den vergangenen Jahren war eine der bedeutendsten Triebkräfte für den „Wohlstandseffekt“. Dieser hat die Konsumausgaben der Privathaushalte deutlich angekurbelt, was wiederum das amerikanische Wachstum erheblich stützte. Mit derselben Sogwirkung würde sich ein Rückgang der Immobilienpreise, der absolut logisch und für ein neues Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage erforderlich ist, negativ auf die Ausgaben der Haushalte auswirken und damit auf die Wirtschaftsdynamik der USA.
Privater Konsum zeigt erste Schwächen
Das ist alles andere als eine Banalität: Das BIP stieg im ersten Quartal nur um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das US-Wachstum lässt also allmählich nach und auch der Konsum zeigt immer wieder Anzeichen von Schwäche. Aus makroökonomischer Sicht belegen dies die enttäuschenden Verkaufszahlen im Einzelhandel in jüngster Zeit und der lediglich moderate Beitrag des privaten Konsums zum BIP-Wachstum im ersten Quartal. Dieser war in den beiden vorangegangenen Quartalen mehr als doppelt so hoch gewesen. Aus mikroökonomischer Sicht sind die durchwachsenen Quartalsergebnisse zahlreicher Unternehmen im Konsumgütersektor – etwa die schlechten Zahlen, die Wallgreens in den vergangenen Tagen bekannt gab – ein weiterer Beleg. Die von der, zu den größten Drogerieketten in den USA gehörenden, Gruppe veröffentlichten Ergebnisse blieben leicht hinter den Erwartungen zurück. Vor allem jedoch hat sie ihre Aussichten für die kommenden Quartale deutlich nach unten korrigiert und dies mit einer unerwartet ausgeprägten Schwäche des amerikanischen Konsums begründet.
Die Geschichte wiederholt sich niemals eins zu eins, und der Immobiliensektor stellt heute nicht dasselbe systemische Risiko dar wie vor der Krise von 2008. Er könnte sich jedoch durchaus erneut als einer der entscheidendsten Faktoren für die künftige Entwicklung der US-Wirtschaft erweisen.
Enguerrand Artaz, Fondsmanager bei LFDE - La Financière de l’Echiquie
Haftungsausschluss
Die ausgedrückten Meinungen entsprechen den Einschätzungen des Autors.
LFDE übernimmt dafür keine Haftung. Die genannten Unternehmen und
Sektoren dienen als Beispiele. Es ist nicht garantiert, dass sie im
Portfolio enthalten bleiben.