Bulle und Bär

Keine Kuscheltiere - Was bedeuten die Tiermetaphern?

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Von Ulrich Kirstein
Kaum ein Bericht oder Artikel über das aktuelle Börsengeschehen, der nicht entweder durch Kursverläufe in Zackenform oder zwei voluminöse Tiere – Bulle und Bär – bebildert ist. Doch warum stehen Bulle und Bär symbolisch für die Stimmung an der Börse und wer personifiziert eigentlich was?
Die Frage, warum Bulle und Bär für die Börsenkurse stehen, ist nicht ganz so einfach zu beantworten, denn es gibt unterschiedliche Theorien. Die Wahrscheinlichste blickt auf das 16. Jahrhundert zurück: Im wohl ersten literarischen Werk zum Thema Börse verglich der spanische Autor und Edelmann Don José de la Vega seinen Besuch an der Börse Amsterdam in „Die Verwirrung der Verwirrungen: Vier Dialoge über die Börse in Amsterdam“ mit dem Geschehen während eines Stierkampfes. Dabei hatte er eine südamerikanische Art des Stierkampfes vor Augen, bei dem es wohl tatsächlich um einen Kampf zwischen Bär und Stier ging.

Das Fell des Bären vor dem Erlegen verkaufen

Auch eine Herleitung, dass an der Londoner Börse einst Anleger Aktien verkauften, die sie noch gar nicht besaßen (heute als sogenannte „Leerverkäufe“ nicht unüblich), und sozusagen das Fell des Bären veräußerten, bevor sie ihn erlegt hatten, wird gerne angeführt. Außerdem wurden wohl auch in London Kämpfe zwischen (echten) Bären und Bullen ausgetragen, auf die man wetten konnte.
 
Der Bulle steht jedenfalls für eine Aufwärtsbewegung an der Börse (auch Bullenmarkt oder Hausse genannt), weil er die Kurse geradezu auf die Hörner nimmt, nach oben schleudert und so einer positiven Stimmung an den Kapitalmärkten Ausdruck verleiht. Auch wenn diese positive Stimmung nicht jeder, der von einem Bullen in die Luft geworfen wird, teilen möchte. Der Bär hingegen drückt sie mit seinen Tatzen nach unten, so steht der Bärenmarkt (oder Baisse) für sinkende Kurse und viel Pessimismus rund um die Aktienanlage.

Bulle und Bär aus Bronze

Bildlich vor Augen haben am Börsengeschehen Interessierte meistens die Skulpturen vor der New Yorker Börse an der Wallstreet oder der Deutschen Börse in Frankfurt. Wobei der dynamische Charging Bull vor der New Yorker Börse in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von dem sizilianischen Künstler Arturo de Modica direkt vor der Börse aufgestellt wurde. Da es deshalb zu Verkehrsproblemen kam, die New Yorker die Figur aber unbedingt behalten wollten, wurde sie etwas „verrückt“ und steht nun ca. 200 Meter entfernt von der eigentlichen Börse. In Frankfurt hingegen kam Bulle und Bär sozusagen die Börse im Hintergrund abhanden, denn das eigentliche Geschäftsgebaren findet längst außerhalb Frankfurts, in Eschborn, statt. Geschaffen hat die Skulpturen der Bildhauer Reinhard Dachlauer. Erst seit Oktober 1985 zieren sie den Platz vor der (alten) Börse, gestiftet anlässlich der 400-Jahr-Feier in Frankfurt.
Die Börse München hat ein eigenes Bulle-und-Bär-Paar kreieren lassen, aber nicht schwer und dunkel und aus Bronze, sondern klein und handlich in weißem Porzellan. Formgeber war die Künstlerin Jana Linn. Käuflich zu erwerben sind sie allerdings nicht.