Biodiversität: Schlüsseljahr 2024 – auch an den Kapitalmärkten

Gemma Corrigan und Mitch Reznick, Federated Hermes Ltd.
Gemma Corrigan und Mitch Reznick / Bild: Federated Hermes Ltd.
Das gerade begonnene Jahr 2024 besitzt für die globale Biodiversität zentrale Bedeutung. Bei der am Wochenende begonnenen „Grünen Woche“ in Berlin ist der Erhalt der Artenvielfalt ein wichtiges Thema. Im Juni richtet Deutschland den „Welttag gegen Wüstenbildung und Dürre“ in Bonn aus. Und von Oktober bis November findet die COP 16, die Weltklimakonferenz für Biodiversität, in Kolumbien statt. Wir gehen davon aus, dass die COP 16 einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Biodiversität leisten und dass die Bedeutung von „Naturkapital“ („Nature Capital“) auch als Anlagethema 2024 zunehmen wird.
Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung von „Natur“-Kapital als Anlagethema 2024 zunehmen wird. Bislang haben wir die Natur und ihren dauerhaften Bestand als selbstverständlich betrachtet. Angesichts kritischer, irreversibler Kipppunkte stoßen wir an die Grenzen des Wachstums und stehen vor erheblichen finanziellen Verlusten, wenn wir unseren bisherigen Kurs beibehalten. Die gute Nachricht ist, dass wir das Problem immer noch lösen können.

Die 16. Weltbiodiversitätskonferenz (COP16) wird wesentlich dazu beitragen, die für diesen Wandel erforderlichen Maßnahmen zu benennen.  Von den Ländern wird erwartet, nationale Biodiversitätsstrategien zu entwickeln, und wir werden die Regierungen dazu drängen, sowohl ihre 30-Prozent-Ziele für 2030 als auch die detaillierteren Zielsetzungen des globalen Biodiversitätsrahmens einzuhalten. Dies bedeutet, die wichtigsten Hotspots der biologischen Vielfalt zu schützen, Subventionen neu auszurichten, um naturfreundliche Aktivitäten zu belohnen, und die Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt zu bekämpfen.

Von der Risikominderung zur Umweltpositivität

Der politische Wille muss in klaren, effektiven und fairen Maßnahmen mit Kontrollsystemen zum Schutz der Regenwälder, Ozeane und anderer wichtiger Ökosysteme zum Ausdruck kommen. Unternehmen sollten sich ihre Auswirkungen auf die Natur und ihre Abhängigkeit von ihr vergegenwärtigen und überlegen, wie sie den daraus resultierenden Schaden beheben können. Wir müssen unseren gemeinsamen Fokus von der Risikominderung zur Umweltpositivität verlagern, indem wir neue regenerative und zirkuläre Geschäftsmodelle und Einnahmequellen vorantreiben. Bereits heute gibt es viele innovative Unternehmen, die Lösungen entwickeln – und für diese brauchen wir ebenso innovative Finanzierungslösungen. Um in den am stärksten gefährdeten Ökosystemen (insbesondere im Globalen Süden, wo die Finanzierung deutlich aufgestockt werden muss) die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, wird Blended Finance (eine Finanzstrategie, bei der öffentliche und private Mittel kombiniert werden, um nachhaltige Entwicklungsprojekte in Entwicklungsländern zu unterstützen) – ein entscheidender Teil der Lösung sein.

Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Klimaberichtspflichten und der freiwilligen Übernahme der Finanzberichterstattungsstandards der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures, die ebenfalls an Fahrt aufnimmt, dürften Regulierungsbehörden und Standards definierende Zusammenschlüsse (zum Beispiel das International Sustainability Standards Board) ihre Aufmerksamkeit bald auf umweltbezogene Berichterstattung richten.

Doch Berichterstattung ist kein Selbstzweck. Je mehr sich die Datenlage verbessert, desto stärker werden sich Vorschriften herausbilden, die Unternehmen und Finanzinstitute zu konkreten Maßnahmen drängen. In der EU beispielsweise dürfte 2024 die europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CS3D) verabschiedet werden, die Unternehmen und möglicherweise auch Finanzinstitute verpflichten wird, potenzielle negative soziale und ökologische Auswirkungen in ihren Lieferketten zu identifizieren und Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen.

Tag der ökologischen Überlastung bereits im August

Am 2. August 2023 erreichte unser Planet den „Earth Overshoot Day“. An diesem Tag hat die Menschheit rechnerisch ihr jährliches Budget an Naturkapital erschöpft, das notwendig ist, um Wohlstand zu generieren. Die Ressourcen, die ab dem Earth Overshoot Day verbraucht werden, zehren bereits vom Naturkapital des Folgejahres. Das bedeutet: Ab dem jährlichen Tag der ökologischen Überlastung überziehen wir unser Budget an natürlichen Ressourcen. Als Wissenschaftler in den 1970er Jahren erstmals den „Erdüberlastungstag“ berechneten, lag dieser noch im späten Dezember. Vor zehn Jahren hatte er sich bereits in den späten August verlagert. Der Trend bewegt sich also in die falsche Richtung.

Forscher des Stockholm Resilience Centre (SRC) haben zudem geschätzt, dass die Erde inzwischen sechs ihrer neun planetaren Grenzen deutlich überschritten hat. Das SRC glaubt, dass der Planet innerhalb dieser neun Grenzen bleiben muss, um stabil bleiben und für die wachsende Bevölkerung sorgen zu können. Wenn es je ein Warnsignal dafür gab, dass der Planet die Menschheit nicht mehr dauerhaft versorgen kann – dann ist es das.

Bedrohtes Naturkapital gefährdet die weltweite Wertschöpfung

Warum ist das alles so wichtig? Dem Weltwirtschaftsforum zufolge ist mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) „in moderatem bis hohem Maß von der Natur und ihren Leistungen abhängig“. Ein bedrohtes Naturkapital gefährdet also die weltweite Wertschöpfung und resultiert in einem gravierenden systemischen Risiko.

Glücklicherweise erkennen zahlreiche internationale Organisationen, Staaten, Regulierungsbehörden, Unternehmen und Anleger das Problem und reagieren entsprechend. Dieser weltweite Widerstand gegen die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf den Planeten fördert nachhaltigen Wandel, was sich in regulatorischen Veränderungen, wandelnden Wertvorstellungen und verändertem Konsumverhalten äußert. Diese Kräfte lösen systematische Transformationsprozesse in der Wirtschaft und in der Folge auch in der Finanzwelt aus.  

Unternehmen, die diese strukturellen Veränderungen erkennen und über die nötige Governance verfügen, um sich an sie anzupassen, indem sie Risiken managen und Chancen nutzen, sind die resilienten Unternehmen der Zukunft. Sie sind die Gewinner dieses unaufhaltsamen wirtschaftlichen Wandels. Und mit Blick auf 2024 sind es diese Unternehmen, in die wir vorbehaltlich einer attraktiven Bewertung investieren wollen. Denn wir sind überzeugt, dass sie nicht nur wesentliche Alpha-Quellen für unsere Kundinnen und Kunden sein, sondern auch positive Auswirkungen auf die Umwelt und dadurch auf die Gesellschaft haben werden.
Gemma Corrigan, Head of Policy and Advocacy und Mitch Reznick, Head of Sustainable Fixed Income bei Federated Hermes Ltd.

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