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Eine Folge der Finanzkrise war es, die Regularien für die Finanzbranche deutlich zu erhöhen. Zu den bekanntesten Stellschrauben für den Privatanleger zählen dabei das Beratungsprotokoll und das Produktinformationsblatt. Oftmals werden sie allerdings, von Beratern wie Anlegern gleichermaßen, eher als Daumenschrauben empfunden. Prinzipiell sollten beide „Produkte“ die Verantwortung der Banken für ihre Empfehlungen intensivieren (Haftung) und die Anleger so besser vor Verlusten schützen. Spötter sagen allerdings, sie schützten eher vor der Anlage (und der Beratung) als vor Verlusten.
Eingeführt wurde das Beratungsprotokoll 2010 nach einem Beschluss des Bundestages vom Juli 2009. Rechtsgrundlage bildet das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung – schon hier wird deutlich: Das Gesetz beansprucht Zeit. Der Inhalt eines solchen Beratungsprotokolls ist wiederum in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung genauer geregelt.
So müssen
- der Anlass der Anlageberatung,
- die Dauer des Gesprächs,
- die maßgeblichen Informationen zur persönlichen Situation des Kunden,
- die Informationen über die Finanzinstrumente und Dienstleistungen, über die die Beratung stattfand, und die wesentlichen Anliegen des Kunden samt einer Gewichtung und natürlich
- die erteilten Empfehlungen einschließlich der wesentlichen Gründen
festgehalten werden.
Formular statt Denken
Das Beratungsprotokoll führte zu einer erheblichen zeitlichen Mehrbelastung des Bankberaters und logischerweise damit auch des Kunden. Denn jedes Beratungsgespräch muss im Nachgang schriftlich festgehalten und vom Berater (aber nicht unbedingt vom Kunden) unterschrieben werden. Es muss sogar auch dann erstellt werden, wenn der Kunde gar kein Anlageprodukt gekauft hat. Und selbst wenn der Kunde gar kein Protokoll haben möchte, muss ein solches erstellt werden – eigenständiges Denken seiner Bürger ist dem Staat unheimlich. Und so kann es dauern, Schnellschreiben zählt nicht zu den Auswahlkriterien guter Berater. Die Folge ist, dass Bankberater kaum noch in Einzelaktien beraten sondern gleich zum Fondstopf greifen, notabene von einer bankeigenen oder -nahen Fondsgesellschaft herausgegeben.
Eine Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts DAI aus dem Jahr 2014 machte das deutlich. Schon der Titel der Studie, Regulierung drängt Banken aus der Aktienberatung wies auf das Ergebnis hin: 65 Prozent der befragten Banken und Sparkassen reduzierten ihr Beratungsgeschäft, 22 Prozent stellten es sogar ganz ein. Hauptgrund: 89 Prozent nannten das Beratungsprotokoll. Dreiviertel derjenigen Banker, die an einer Aktienberatung festhalten, halten überdies den Nutzen eines Beratungsprotokolls für übersichtlich.
Geeignet statt beraten
Die Kritik ließ auch die Politik nicht kalt und so soll das Beratungsprotokoll künftig - ab Janaur 2018 - durch eine Geeignetheitserklärung ersetzt werden. Sie soll die erbrachte Beratung benennen und erläutern, wie der Berater/die Beraterin auf die Präferenzen, Anlageziele und sonstigen Merkmale des Kunden eingegangen ist. Dazu muss das beratende Unternehmen über den Kunden alle Informationen
- über Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden mit Blick auf die Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten und Wertpapierdienstleistungen,
- über die finanziellen Verhältnisse des Kunden, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und
- über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz
einholen müssen.