Europas Konjunktur dürfte seinen Tiefpunkt überwunden haben

Tobias Friedrich, Santander Asset Management
Tobias Friedrich / Bild: Santander Asset Management
  • Die Wirtschaft in der Eurozone zeigt noch immer rezessive Tendenzen, dennoch dürfte der Tiefpunkt bereits überwunden sein.
  • Das robuste Wirtschaftswachstum in den USA zeigt erste „Schwächesignale“. Eine weiche Landung sollte möglich sein.
  • Chinas Konjunktur zeigt sich verbessert, doch der Immobilienmarkt lastet auf der weiteren Entwicklung.

Bei Europas Konjunkturdaten ist Besserung in Sicht

Zwar sind zuletzt sowohl der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Eurozone als auch der entsprechende Index für den Dienstleistungssektor stärker gestiegen als erwartet (auf 43,8 bzw. 48,2 Saldenpunkte), dennoch bleiben beide Indikatoren deutlich unter ihren Durchschnittswerten. Insgesamt deutet der Gesamtindex damit weiterhin ein negatives Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von etwa 0,2 Prozent im Quartalsvergleich hin. Wir gehen zwar davon aus, dass das BIP in der Eurozone ab dem vierten Quartal 2023 wieder leicht positive vierteljährliche Raten erreichen wird, wenngleich die Prognose mit Risiken verbunden ist. In Deutschland ist der ifo-
Geschäftsklimaindex im November von 86,9 auf 87,3 Saldenpunkte gestiegen und lag damit etwas unter den erwarteten 87,5 Punkten. Wie beide Einkaufsmanager-Indikatoren bleibt auch der ifo-Index trotz seines Anstieges weit unter den historischen Durchschnittswerten.
 
Immerhin lässt in Deutschland wie auch in der gesamten Eurozone der Inflationsdruck weiter nach. Trotz des anhaltenden Nahostkonflikts ist es zu rückläufigen Ölpreisen gekommen, was sich an den Tankstellen und bei den Heizölpreisen positiv ausgewirkt hat. Auch im Dezember und zu Beginn des neuen Jahres dürften Basiseffekte einen Inflationsrückgang begünstigen. Insgesamt waren die Konjunkturdaten der Eurozone in den zurückliegenden Wochen sehr schwach. Da sie jedoch dem dritten Quartal zuzuordnen sind, zeigen sie entsprechend auf, warum das BIP-Wachstum um 0,1 Prozent zum Vorquartal zurückging. Was die Aussichten für das kommende Jahr betrifft, so glauben wir, dass das Wachstum 2024 mit 0,7 Prozent etwas höher ausfallen könnte als in diesem Jahr. Die Hoffnungen ruhen dabei vor allem auf dem privaten Konsum; durch einen weiteren Rückgang der Inflationsraten und relativ kräftigen Lohnsteigerungen sollte es wieder zu Reallohnsteigerungen kommen.

Die US-Inflationsdaten sind weiter rückläufig

Die US-Inflationsdaten für Oktober lagen unter den Erwartungen und bestätigten den Mitte 2022 begonnenen disinflationären Trend. So ist der Preisanstieg im September von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 3,2 Prozent im Oktober zurückgegangen. Die Kerninflation, die Energie und Nahrungsmittel ausschließt, sank von 4,1 auf 4,0 Prozent ebenfalls. Infolgedessen beruhigten diese verbesserten Inflationsdaten die Märkte.
 
Die US-Wirtschaft ist im dritten Quartal um mehr als fünf Prozent annualisiert gewachsen, dennoch glauben wir, dass die größte Volkswirtschaft der Welt nun im vierten Quartal einen deutlichen Wachstumsrückgang gegenüber dem Vorquartal erfahren könnte. So deutet beispielsweise die Schnellschätzung der US-amerikanischen Regionalzentralbank Atlanta Fed auf ein schwächeres BIP-Wachstum von annualisierten rund einem Prozent hin. Trotz der Widerstandsfähigkeit der Schätzung der Atlanta Fed deuten die Signale anderer Indikatoren, wie  der Chicago Fed National Activity Index und der Conference Board Leading Indicator, eindeutig auf ein noch geringeres BIP-Wachstum hin. Eine klare Tendenz ließ sich aus den jüngst veröffentlichten Konjunkturdaten in den USA jedoch nicht ablesen. Während die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung unerwartet deutlich fielen und für die Robustheit des Arbeitsmarktes sprechen, zeigten die Auftragseingänge für langlebige Güter Mitte November ein insgesamt schwächeres Konjunkturbild.

Die Wirtschaft in China dürfte langsamer wachsen

In China fällt die Erholung nach der Abkehr von der Null-Covid-Politik Ende 2022 insgesamt schwächer aus als erwartet. Das Wachstum von rund fünf Prozent im Jahr 2023 dürfte sich auf circa vier Prozent im Jahr 2024 weiter abschwächen. Dennoch: Die jüngsten Konjunkturdaten haben sich zumindest verbessert und deuten auf eine gewisse Beschleunigung des BIP-Wachstums im vierten Quartal 2023 hin. Allerdings deutet der starke Rückgang der Immobilieninvestitionen mittelfristig auf eine allmähliche Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft hin.
Tobias Friedrich ist Senior Manager Markets and Clients bei Santander Asset Management