Leena ElDeeb und Karim AbdelMawla / Bild: 21Shares
Der Oktober brachte den Vereinigten Staaten eine Verbraucherpreissteigerung von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, was unter dem Wert von September, aber immer noch über dem Zwei Prozent-Ziel der Fed liegt. Was noch schwerer wiegt, ist jedoch das kürzlich vom Moody's Investors Service aktualisierte Kreditwürdigkeitsrating der USA, das nun „negativ“ ausfällt. Daraufhin kletterten die Renditen der langfristigen Anleihen in die Höhe, was nicht nur ein Zeichen für das Vertrauen der Anleger in die US-Wirtschaft ist, sondern von vielen auch als Maßstab für Hypothekenzinsen und risikobehaftete Vermögenswerte wie Aktien und Kryptowährungen verwendet wird. Bitcoin und Ethereum sind in der vergangenen Woche um 1,54 bzw. 7,82 Prozent gesunken. Die Gewinner der vergangenen Woche waren Solana (27,56 Prozent), Avalanche (66,56 Prozent) und Optimism (3,45 Prozent).
Abb. 1: Wöchentliche Preis- und TVL-Performance der wichtigsten Krypto-Kategorien
Quelle: Coingecko, DeFi Llama. 16.11.2023
Vier wichtige Entwicklungen sind zu beachten
Ethereum ist wieder im Rennen
Der mit einem Volumen von 8,6 Millionen an verwaltetem Vermögen weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hat – nach einer Handvoll von Unternehmen, von denen ARK Invest und
21Shares im September die ersten waren – am 9. November offiziell Antrag auf einen Ethereum-Spot ETF eingereicht, worauf das Krypto-Asset über Nacht um 12,54 Prozent zulegte. Und nicht nur der Kurs, sondern auch die Aktivität auf der Ethereum-Chain legte zu, wie steigende Grundgebühren und Burn-Rates erkennen lassen.
Zugleich erlitt jedoch im gleichen Zeitraum – am 10. November – einen Exploit: Dadurch gingen einem Wallet im Besitz der Kryptobörse Poloniex ETH im Wert von rund 41 Millionen US-Dollar verloren. Würden die geplünderten Bestände liquidiert, könnte dies zu einem kurzfristigen Verkaufsdruck auf ETH von etwa 10 Prozent führen.
Abb.2: Jährliche Inflationsrate von Ethereum und tägliche Veränderung des Angebots
Quelle: Coingecko, DeFi Llama. 16.11.2023
Datenstreaming auf Bitcoin könnte enormen Markt erschließen
Mit BitStream, ein dezentrales Dateihosting auf
Bitcoin, können Nutzer individuelle Dateien hochladen und so ihre überschüssigen Daten und Datenspeicherkapazität zu Geld machen, ohne auf das übliche Konsensverfahren (Trust) oder schwerfällige kryptografische Verfahren angewiesen zu sein. Dieser Pay-to-Download-Ansatz könnte das Problem explodierender Bandbreitenkosten ohne entsprechende Umsätze lösen, in dem für jeden Download Gebühren verlangt werden könnten. Dem zugehörigen Whitepaper zufolge sind die hochgeladenen Dateien fälschungssicher, indem sie in Stücke fester Größe aufgeteilt und dann in einem Merkle-Baum gehasht werden, um eine eindeutige Kennung zu erzielen.
Diese Entwicklung stellt eine weitere Erweiterung der stets wachsenden Anwendungsfälle der Bitcoin-Blockchain dar und würde ein breit gefächertes Publikum ansprechen – der gesamten adressierbare Markt der Datenspeicherung beläuft sich auf mindestens 230 Milliarden Dollar. Generell haben sich dezentrale Datenspeicherlösungen wie Filecoin und Arweave als wesentlich günstiger erwiesen als zentralisierte Lösungen wie beispielsweise Google Cloud oder Amazon S3.
Abb. 3: Kosten für dezentralen Speicher im Vergleich zu zentralem Speicher im Jahr 2023
Kraken will eine eigene Blockchain aufbauen
Die Krypto-Tauschbörse Kraken prüft aktuell mögliche Partnerschaften mit Polygon Labs, Matter Labs oder der Nil Foundation, um ein von Zero Knowledge betriebenes Netzwerk zu etablieren und sich damit von ihrem Konkurrenten Coinbase abzusetzen. Dieser Schritt überrascht nicht, denn Coinbase hat seit dem Start von Base etwa 5,4 Millionen Dollar, also etwa 20 Millionen Dollar Jahresgewinn, erwirtschaftet. Trotz des jüngsten Rückgangs der Sequencer-Einnahmen und des AUM von 30 Prozent übertrifft Base immer noch den Rest der ETH-Skalierungslösungen in Bezug auf das Hosten neuer Anwendungen, was auf ein robustes Entwickler-Ökosystem hinweist, das in der Lage ist, diversifizierte Einkommensströme zu generieren.
Es ist durchaus nicht neu, dass Börsen ihre Netzwerke starten. Denn der aktuelle Trend, auf Ethereum aufzubauen, macht die Einführung eines Tokens überflüssig, was strategisch gesehen eine regulatorische Überprüfung im aktuellen Umfeld vermeidet. Demzufolge gehen wir davon aus, dass konforme Börsen dieses Modell nachahmen und die Gelegenheit ergreifen werden, im kommenden Zyklus aus einer diversifizierten Einkommensquelle Kapital zu schlagen.
Abb. 4: Einsatz von neuen Anwendungen über ETH-Skalierungslösungen hinweg
Lido dezentralisiert Node-Infrastruktur
Der Staking-Anbieter Lido DAO hat zwei Vorschläge zur Einführung der Distributed Validation Technology (DVT) verabschiedet. DVT ist ein Mechanismus, der die Verantwortlichkeiten für die Schlüsselverwaltung und das Signieren von Krypto-Transaktionen auf mehrere Parteien verteilt, um einzelne Fehlerpunkte zu reduzieren und die Ausfallsicherheit der Validatoren zu erhöhen. So wird LIDO, das fast ein Drittel der eingesetzten ETH ausmacht, künftig durch die Integration von DVT-Modulen in die Protokolle Obol und SSV ein vielfältigeres Profil von Knotenbetreibern einführen und damit der Debatte über den unerwünschten Einfluss auf den Validierungsprozess und die Blockproduktion auf Ethereum den Boden entziehen.
Neben der Diversifizierung der Knotenbetreiber sorgt diese Implementierung daneben für mehr Zuverlässigkeit bei Validierungsausfällen oder Zensurversuchen. Auf der anderen Seite stellen SSV- und Obol-Netzwerke neue technische Funktionen dar, so dass es unerlässlich ist, im Hinblick auf alle unvorhergesehenen Schwachstellen, die sie einführen skönnten, wachsam zu bleiben.
Abb. 5: Dominanz der Entitäten, die auf das Ethereum-Netzwerk setzen
Worauf man jetzt achten sollte
Negativer Ausblick auf US-Haushaltsbudget
Mit Verweis auf eine „politische Polarisierung“ und bestehende Haushaltsdefizite stellte die Ratingagentur Moody’s der US-Wirtschaft eine negative Prognose aus und senkte ihr Kreditrating von stabil auf negativ. Die Renditen für 10- und 30-jährigen Staatsanleihen stiegen am Montag an, was sich auf die Portfolios der Anleger auswirkte und das Ausleihen von Geld für die Regierung verteuerte. Für den Fall, dass die US-Regierung ihre Bundesschulden von aktuell über 33,7 Billionen Dollar nicht einhält, könnte der Weg in eine Rezession führen. Die aktuelle Hausse von Bitcoin unter diesen Bedingungen stützt das Narrativ von Absicherung gegen Inflation – wenngleich sicher auch Spekulationen um einen potenziellen Spot-ETF in den USA dabei beteiligt sind.
Abb. 6: Rendite von 30-jährigen US-Staatsanleihen im Vergleich zu Bitcoin (YTD)
NEAR: Partnerschaften für engere Zusammenarbeit mit Ethereum
Bei NEAR handelt es sich um eine Blockchain-Plattform, die eine skalierbare und entwicklerfreundliche Umgebung für dezentrale Anwendungen (DApps) anbietet. Der Entwickler, die NEAR Foundation, kündigte nun eine Kooperation mit Polygon Labs an, um einen sogenannten „zkWASM Prover“, also ein Tool, das Zero-Knowledge-Proofs speziell im Kontext des Programmierstandards WebAssembly (WASM) ermöglicht zu entwickeln. WASM-basierten Netzwerke sollen künftig ihre Abrechnungen auf Ethereum validieren und dessen bewährte Sicherheitsgarantien nutzen können. WebAssembly stellt eine Alternative zur Ethereum Virtual Machine von Ethereum dar.
Diese Zusammenarbeit ist für Entwickler, die das Polygon CDK verwenden, von entscheidender Bedeutung, da sie die Möglichkeiten zur Erstellung anpassbarer Netzwerke über die EVM-Beschränkungen von Ethereum hinaus erweitert. Sie ermöglicht die Nutzung von Technologien wie Sharding, die derzeit auf Ethereum nicht möglich sind und bietet über Polygons Shared Layer Zugang zur Liquidität von Ethereum. Diese Integration bietet einen strategischen Vorteil für Nicht-EVM-Entitäten, da sie die Interkonnektivität zwischen inkompatiblen Blockchain-Systemen fördert. Darüber hinaus hat sie das Potenzial, die ZK-EVM-Nutzerbasis von Polygon zu erhöhen und die Lücke zu Ethereum und Near-Netzwerken zu schließen.
Abb. 7: Täglich aktive Nutzer von Near (weiß) im Vergleich zu Polygon ZK-EVM (lila) und Ethereum (grau)
Die NEAR Foundation stellte zudem auch ihre neue Datenverfügbarkeitslösung NEAR DA vor. Diese soll Ethereum-Skalierungslösungen ein kosteneffizientes Mittel zum Einstellen von Daten bieten. Herkömmliche Blockchains vereinen alle wichtigen Funktionen wie Abrechnung, Konsens, Ausführung und Datenverfügbarkeit, was Netzwerke mit zunehmender Größe ineffizient macht. Der modulare Ansatz konzentriert sich stattdessen auf die Trennung einiger weniger intensiver Prozesse, wie z. B. das Einstellen von Daten auf Ethereum zum Nachweis ihrer Gültigkeit, um L2-Blockchains bei der Rationalisierung ihres Betriebs zu helfen.
Im Fall von Near es deren Blogpost zufolge nun voraussichtlich 8000-mal billiger, einen Satz an „calldata“, also Eingabedaten, die für eine Smart Contract-Transaktion benötigt werden, zu verwenden, als auf Ethereum. Near ist nun das zweite Protokoll, das einen solchen modularen Ansatz anbietet, nachdem das Krypto-Projekt Celestia Ende Oktober die Einführung des Mainnets angekündigt hat. Dies ist eine wichtige Entwicklung, um das Ethereum-Ökosystem weiter zu skalieren und von den monolithischen Architekturen, die komplexer und weniger flexibel sind, unabhängiger zu werden.
Leena ElDeeb ist als Research Associate Mitglied des
Research-Teams von
21.co, vormals 21Shares und ursprünglich
Wirtschaftsjournalistin. Für 21Shares untersucht und erklärt sie den
Kryptomarkt mit einem besonderen Fokus auf regulatorische und
ökologische Auswirkungen.
Karim AbdelMawla ist Research Associate bei 21.co, wo er Einblicke in das globale Kryptoasset-Ökosystem bietet. Er studierte Internationale Beziehungen und Journalismus. Vor 21Shares arbeite Karim arbeitete als Forschungspraktikant am Cambridge Center for Alternative Finance. Dort arbeitete an der Veröffentlichung der 3. globalen Kryptoasset Benchmarking-Studie über die globale Digital Asset-Industrie mit. Karim studiert zudem derzeit im Master über Blockchain und digitale Währung an der Universität von Nikosia.
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