Michael Winkler / Bild: St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Die Zinserhöhungen der letzten Monate wurden in einer historischen Geschwindigkeit umgesetzt. Der Markt sieht das Ende jedoch bald erreicht. Im langjährigen Verlauf des EZB-Leitzinses und der Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihen ist eine sehr hohe Korrelation erkennbar. Grundsätzlich sind die Marktzinsen gegenüber dem Leitzins vorlaufend, da sie die Markterwartung schnell einpreisen. In der historischen Betrachtung wurden die Höchststände der Renditen bei 10-jährigen Bundesanleihen stets vor den Höchstständen des Leitzinses erreicht. Rückwirkend betrachtet folgt dann ein längerer Abwärtstrend der Renditen, sinkende Zinsen und steigende Anleihekurse.
Das aktuelle Marktumfeld ist insgesamt von enttäuschenden Frühindikatoren geprägt, die allesamt auf eine schwächelnde Wirtschaftsentwicklung hindeuten. Ein ähnliches Bild zeichnet auch die bisher robuste US-Wirtschaft, die sich nun abzukühlen scheint. So lag das US-Verbrauchervertrauen vergangene Woche mit 106 Punkten deutlich unter den Erwartungen von 116 – nach 114 Punkten im Vormonat – und der US-Arbeitsmarktbericht blieb ohne Überraschungen: Die neu geschaffenen Stellen lagen mit 187.000 leicht über den Erwartungen (170.000), der Lohnanstieg fiel erwartungsgemäß von 4,4 auf 4,3 Prozent und die Arbeitslosenquote stieg leicht, von 3,5 auf 3,8 Prozent. Einzig der Chicago Einkaufmanagerindex überraschte mit 48,7 Punkten positiv – nach 42,8 Punkten im Vormonat und erwarteten 44 Punkten.
Mit Blick auf den US-Rentenmarkt hat die Rendite für 10-jährige US-Treasury das
Hoch aus dem Herbst 2022 wieder erreicht. Die Marke von 4,3 Prozent hat
eine hohe Bedeutung für die Kapitalmärkte: Weiter steigende US-Zinsen
würden den Aktienmarkt „in die Knie zwingen“, den USD begünstigen und
Gold, Rohstoffe sowie Emerging Markets belasten. Da die wichtige
Marke von 4,3 Prozent bisher nicht überschritten wurde, zeichnet sich
kurzfristig eine Entspannung an den US-Rentenmärkten ab.
Auch der Sektor „Erneuerbare Energien“ bleibt weiter unter Druck: Auf der einen Seite der Kupferhersteller
Aurubis, der nach eigenen Angaben erneut um einen dreistelligen Millionenbetrag bestohlen wurde. Auf der anderen Seite
Siemens Energy – mit einen Quartalsverlust von fast drei Milliarden Euro – und der dänische Energieanbieter
Orsted, dessen Abwärtstrend die Titel der gesamten Branche belastet. Zwar kämpften sich Windkraftkonzerne – wie
Nordex und
Vestas – aus der Krise, die Hersteller bleiben jedoch weiter in den roten Zahlen. Fazit ist, dass der positive strukturelle Trend „Dekarbonisierung“ aufgrund häufiger Probleme im operativen Geschäft, Qualitätsproblemen gegenübersteht, was zu hohen Kosten und niedrigen Margen führt
und die Rentabilität im Sektor Erneuerbare Energien insgesamt niedrig bleibt.
Die Inflationsraten sinken nicht mehr deutlich, sondern nur noch geringfügig: Die Inflation in der Eurozone bleibt unverändert bei 5,3 Prozent und enttäuscht, da ein Rückgang auf 5,1 Prozent erwartet wurde. Die Kerninflation entwickelt sich erwartungsgemäß von 5,5 auf 5,3 Prozent. Die Konsolidierung an den Aktienmärkten läuft seit Anfang August und die ungünstige Saisonalität bleibt noch einige Wochen erhalten – mit September, als statistisch betrachtet dem schwächsten Börsenmonat.