Zwischen Moral und Potenzial - Investoren im KI-Dilemma

Shanna Strauss-Frank, Freedom Finance Europe
Shanna Strauss-Frank /Bild: Freedom Finance Europe
Der Markt für künstliche Intelligenz wächst, doch mit ihm auch die Zweifel. Fordern die einen überwältigt von den Fähigkeiten eine sofortige KI-Pause, um Auswirkungen und Gefahren eruieren zu können, erkennen die anderen darin eine Zukunftstechnologie. In welchen Branchen gibt es das größte Wachstumspotenzial und kann man nun überhaupt guten Gewissens in KI investieren?
Jedes Jahr wächst der Markt für künstliche Intelligenz um bis zu 25 Prozent – auf schätzungsweise circa 130 Milliarden Dollar bis 2025. Trotz europaweiter Teuerung, dem Fachkräftemangel und damit verbundenen Budgetkürzungen investieren internationale Tech-Riesen wie Apple oder Microsoft derzeit erhebliche Summen in die Industrie 4.0. Haben die Vereinigten Arabischen Emirate seit einigen Jahren sogar einen Staatsminister für künstliche Intelligenz, bemängeln Experten eine fehlende Strategie europäischer Länder. Denn steckte Deutschland zwar 2021 fünf Milliarden Euro in die Forschung künstlicher Intelligenz, so werden momentan dennoch 73 Prozent der großen KI-Modelle in den USA und 15 Prozent in China abgewickelt  – dadurch macht sich Deutschland nicht nur von anderen Staaten abhängig, es könnte den digitalen Fortschritt abermals verschlafen.

Exponentielles Wachstum in Milliardenhöhe

„Im letzten Jahr erfuhr der KI-Markt ein erhebliches Wachstum im Bereich des Deep-Learnings, wie die Audio-, Video- oder Texterkennung. Aber auch im Segment des maschinellen Lernens wird enorm viel weiterentwickelt und investiert, wenn es um Clustering, Visualisierung und Filterung geht. Der größte Anteil des Marktes entfällt auf KI-gestützte Software. Beliefen sich die Investitionen in die Forschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz 2019 noch auf knapp 37,5 Milliarden Dollar, lag das Investitionsvolumen 2022 schon bei 118 Milliarden Dollar und bis 2026 sollen es 300 Milliarden Dollar werden – das wäre fast eine Verdreifachung in nur wenigen Jahren. Der globale Markt für KI wurde im letzten Jahr auf 119 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2030 soll er bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 38,1 Prozent auf rund 1,5 Billionen Dollar anstiegen. Vor allem Nordamerika dominiert derzeit den KI-Markt, sind hier Cloud Computing und IoT (Internet of Things) hoch im Kurs. Aufgrund der steigenden Nachfrage in Schwellenländern wie China und Indien wird jedoch erwartet, dass der asiatisch-pazifische Raum die höchste Wachstumsrate aufweisen wird.

In welchen Branchen KI großgeschrieben wird

Relativ früh wurde die künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie im Zuge des autonomen Fahrens zum Thema. In vielen Branchen wird KI auch herangezogen, um Vorhersagen zu treffen. Seien es Prognosen für den Straßenverkehr, oder im Bereich der Cybersecurity Bedrohungs- sowie prädiktive Analysen. Auch in der Finanzbranche soll durch künstliche Intelligenz die Betrugserkennung erhöht werden, hier ist aber vor allem der Handel durch Algorithmen spannend. Bis 2025 soll der Markt für KI im Finanzsektor 26 Milliarden Dollar erreichen. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Bedeutung künstlicher Intelligenz im E-Commerce: Hier wird ein Marktvolumen von 45 Milliarden Dollar bis Ende des Jahres erwartet und Software für Produktempfehlungen und das Lieferkettenmanagement zählen zu den häufigsten Anwendungsbereichen. Hinzukommen Chat-Bots, die das Kundenerlebnis personalisieren und Kundenanfragen beantworten sollen.

Großes Potenzial auch im Gesundheitswesen

Die Verarbeitung und Analyse von Big Data ist ein wichtiger Treiber für die Entwicklung des KI-Marktes. Das zeigt insbesondere die Gesundheitsbranche, in welcher mit KI-Geräten die Ergebnisse für Patienten verbessert, und Kosten gesenkt werden können. Wie groß das Potenzial ist, zeigt eine McKinsey Untersuchung aus 2017: Bis zu 700.000 Anträge auf Kostenrückerstattung bekam laut damaliger Datenlage eine mittelgroße deutsche Versicherung jedes Jahr von Krankenhäusern übermittelt. Dabei ist der Versicherer dazu verpflichtet, diese Rechnungen zu prüfen – dafür bedarf es nicht nur mehrere hunderte Mitarbeiter, auch erweist sich fast jede zehnte Abrechnung als fehlerhaft. Der Einsatz von KI kann hier nicht nur Personal entlasten, sondern auch die Erfolgsquote verbessern. Denn die Prüfalgorithmen identifizieren die tatsächlich fehlerhaften Rechnungen und weisen beispielsweise nur Anträge mit hoher Erfolgsaussicht für die Kasse zur menschlichen Bearbeitung aus. Doch auch Anwendungsbereiche wie die Roboterchirurgie oder virtuelle Pflegeassistenten sind nicht zu vergessen. Der Markt für KI im Gesundheitswesen soll bis 2025 34 Milliarden Dollar erreichen. Wie medizinische Behandlungen in der Industrie 4.0 aussehen können, zeigt bereits das börsennotierte Teladoc Health, einer der führenden Anbieter von Telegesundheitsdiensten. Patienten können sich so auch aus der Ferne von Fachpersonal beraten lassen. Teladoc nutzt dabei die KI, um virtuelle Pflegelösungen zu entwickeln und auch um Patienten ortsunabhängig diagnostizieren und behandeln zu können.

KI-Investoren vor einem Dilemma

Während die Anwendungsmöglichkeiten beträchtlich sind, werden auch warnende Stimmen immer lauter. Doch die Forderung nach einer Entwicklungspause klinge auf den ersten Blick drastischer, als sie tatsächlich sei: Die Aussetzung soll sich primär auf eine Untergruppe beziehen, nämlich auf den Bereich der generativen künstlichen Intelligenz wie die Bild- und Texterstellung. Eine Software zur Datenverarbeitung von Lagerbeständen wäre aber beispielsweise von dem Stopp wohl nicht betroffen. Investoren sehen sich dennoch im Zwiespalt, einerseits wächst der Markt enorm schnell und lockt Milliarden von Dollar an Risikokapital, privaten Aktien und Unternehmensinvestitionen an. Andererseits sind die Technologien noch lange nicht perfekt und stoßen oft an ihre Grenzen. Investoren müssten demnach ihren Wunsch nach Profit und Innovation mit ihrer Verantwortung abwägen, welche ethischen, sozialen und rechtlichen Auswirkungen auftreten können. Forscher, Unternehmen und Regierungen müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Entwicklung und Anwendung von künstlicher Intelligenz von ethischen Grundsätzen geleitet wird und dass geeignete Sicherheitsmaßnahmen vorhanden sind, um unbeabsichtigte Folgen oder Missbrauch zu vermeiden. Ist dies der Fall, könnte wohl guten Gewissens in künstliche Intelligenz investiert werden.
Shanna Strauss-Frank ist Deputy Sales Director bei der Investmentgesellschaft Freedom Finance, eine  internationale und international geprüfte Investmentgesellschaft mit mehr als 370.000 Kunden. Freedom Finance ist Teil der amerikanischen Freedom Holding Corp. mit einer Kapitalisierung von über 3 Milliarden US-Dollar. Sie beschäftigt weltweit über 3.000 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in sieben Ländern. Die Freedom Finance ist als einziger europäischer Broker an der NASDAQ, einer führenden US-Börse, gelistet. Freedom Finance bietet direkten Zugang zum Handel an den größten Börsenplätzen an amerikanischen, europäischen und asiatischen Märkten. Aktuell unterstützt Freedom Finance humanitäre Hilfsorganisationen in der Ukraine mit 2,7 Millionen Euro
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