Alles wie erwartet - zu den Zinsentscheiden von EZB und Fed

Kevin Thozet, Carmignac, Altaf Kassam, State Street Global Advisors, Michelle Cluver und Jon Maier, Global X
Bilder: EZB und Fed

Kevin Thozet: Licht am Ende des Tunnels

Wie von den Anlegern weitgehend erwartet, hat die EZB die Zinsen um 25 Basispunkte angehoben. Die zukunftsgerichteten Elemente der Erklärung deuten darauf hin, dass das Ende des Zinserhöhungsprozesses in Sicht ist und zwei weitere 25 Basispunkte anstehen. Hinzu kommt die Reduzierung des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten, das im Juli auslaufen wird.

Das Licht am Ende des Tunnels, das sich aus dem Ende der Zinserhöhungen ergibt, dürfte die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere im Allgemeinen unterstützen. Das Ende der Reinvestitionen im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) dürfte die Renditen derjenigen staatlichen Emittenten, die am meisten von dem Programm profitiert haben, d.h. der so genannten Peripherieländer, unter Aufwärtsdruck setzen, zumal diese bisher keine Anzeichen von Stress aufgrund der Quantitativen Straffung gezeigt haben.
Kevin Thozet ist Mitglied des Investment Committee bei Carmignac

Altaf Kassam: 25 Basispunkte beruhigen den Markt

Die EZB hat heute die Leitzinsen um 25 Basispunkte (Bp) angehoben, was den aktuellen Marktpreisen entsprach. Der erste Rückgang der Kerninflation seit Juni letzten Jahres sowie die jüngste vierteljährliche Bankenumfrage, die die stärkste Verschärfung der Kreditstandards seit der Schuldenkrise im Jahr 2011 zeigt, scheinen die Entscheidung beeinflusst zu haben.
 
Letztendlich war die Erhöhung um 25 Basispunkte der Weg des geringsten Widerstands, der es der EZB ermöglichte, im Kampf gegen die Inflation weiterhin Entschlossenheit zu zeigen und gleichzeitig die Risiken für die Finanzstabilität im Auge zu behalten. Die Anhebung um 25 Basispunkte verschafft der Bank angesichts der doppelten Wachstums- und Inflationsrisiken die nötige Handlungsfreiheit für die Zukunft.
 
Die heutige Entscheidung war jedoch die vielleicht "schwankendste" seit Beginn des aktuellen Zinserhöhungszyklus. Wir sahen eine gewisse Hartnäckigkeit bei der Inflation - mit einem erneuten Anstieg der Gesamtinflationsrate und einer nach wie vor stabilen Dienstleistungsinflation. Zudem zeigten jüngste Daten, dass sich der Arbeitsmarkt nicht wie erwartet entspannt, sondern erneut verschärft hat, was einen kurzfristigen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehr unwahrscheinlich macht. Letztendlich führten die anhaltenden Bedenken hinsichtlich der variablen und verzögerten Auswirkungen früherer Maßnahmen sowie die anhaltenden Probleme im Zusammenhang mit dem Bankensektor (auch wenn der Schwerpunkt nach wie vor auf den USA liegt) zu der eher dovishen Anhebung um 25 Basispunkte.

Michelle Cluver und Jon Maier, Global X: Eine weniger restriktive Gelpolitik wird erwartet

Aus der Pressekonferenz der EZB geht klar hervor, dass die Notenbank weiter an ihrer Strategie festhält, die Straffung der Geldpolitik nicht so bald aufgeben wird und die Leitzinsen so lange hochhalten wird, bis das Inflationsziel von 2 Prozent erreicht ist. Nichtsdestotrotz hat die EZB ihre kleinste Zinserhöhung seit der Bekämpfung der Inflation vorgenommen und entspricht damit den Markterwartungen einer Anhebung um 25 Basispunkte.
 
Der OIS-Spread für die Eurozone – ein Messwert, zu dem sich europäische Banken untereinander Geld leihen – signalisiert nun eine weitere Anhebung um insgesamt 50 Basispunkte bis Oktober 2023 auf einen Endsatz von 3,54 Prozent, der etwas niedriger ist als der implizite Satz von 3,63 Prozent vor der Ankündigung. Die erste Marktreaktion signalisierte dies auch durch einen Rückgang der Rendite 2-jähriger deutscher Bundesanleihen und einen leichten Abverkauf des Euros gegenüber dem US-Dollar.
 
Die Verzögerungseffekte und die Stärke der Auswirkungen auf die Realwirtschaft bleiben ungewiss. Unsere Meinung deckt sich mit der Markterwartung einer weiteren Zinserhöhung um 50 Basispunkte bis Oktober 2023. Wir gehen davon aus, dass künftige geldpolitische Entscheidungen stark von den anstehenden Daten des Verbraucherpreisindex und den Bedingungen für die Kreditverknappung abhängen werden.
 
EZB folgt der Fed
Auch die US-Notenbank Fed hat am vergangenen Mittwoch ihre Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Die Entscheidung der US-Notenbank impliziert eine bevorstehende Pause der Zinsanhebungen. Die Märkte hatten mit so einer Entscheidung gerechnet. Eine künftig weniger restriktive Geldpolitik ist nun auch von der EZB zu erwarten.
 
In den USA steht weiterhin die Frage im Vordergrund, ob die Bankenkrise überwunden ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Fed weiterhin alle bisherigen Straffungsmaßnahmen in Betracht ziehen wird, um eine Krise abzuwenden. Dies signalisiert eine mögliche Verlagerung hin zu einem vorsichtigeren Ansatz, da die Fed weiterhin auf ihre Inflations- und Beschäftigungsziele hinarbeitet.