Industriemetalle: Ist 2023 das Jahr des Neustarts?

Marco Mencini,Plenisfer Investments SGR / Generali Investment
Marco Mencini,Plenisfer Investments SGR / Generali Investment
Im Jahr 2022 haben die Bewertungen der wichtigsten Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium unter der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft – auf die allein 50 Prozent der weltweiten Nachfrage nach diesen Metallen entfallen – stark gelitten. Ein weiterer negativer Treiber war der starke US-Dollar, der traditionell für den Handel mit diesen Metallen verwendeten Währung.
Vor diesem Hintergrund stieg der MSCI World Metal & Mining Index, der den Bergbauaktiensektor repräsentiert, im Jahr 2022 um 8,5 Prozent und übertraf damit den globalen Aktienmarkt, der um -18,5 Prozent zurückging.
 
Wir sind der Meinung, dass dieser Abstand nicht nur auf die starken Bilanzen der Bergbauunternehmen zurückzuführen ist, sondern vor allem auf die besondere Dynamik von Angebot und Nachfrage nach Metallen, die zudem vom globalen Markt immer noch deutlich unterschätzt zu werden scheint.
 
Wir beurteilen die Aussichten für die Bergbauindustrie sehr positiv, da diese von zwei großen Faktoren angetrieben werden: Angebotsknappheit und starke Nachfrage.

Angebotsknappheit und ihre Gründe

Das Angebot an Metallen ist besonders begrenzt und seine Knappheit scheint vom Markt immer noch unterschätzt zu werden. Die Versorgungsengpässe sind eine Folge der fiskalischen Sparmaßnahmen, die von den wichtigsten Bergbauunternehmen in den letzten 10 Jahren angewandt wurden. Diese führte zu verminderten Investitionen in den Ausbau. Die Erschließung neuer Minenerze wurde vernachlässigt. Infolgedessen sehen heute selbst Unternehmen, die das Angebot erhöhen möchten, ihre Pipelines bereits weitgehend ausgeschöpft. Andererseits ist es schwieriger als früher (und in einigen Regionen sogar unmöglich) geworden, Genehmigungen für die Entwicklung neuer Projekte zu erhalten. Auch geopolitische Risiken und die Auswirkungen der Inflation auf die Kapitalkosten halten von neuen Investitionen ab.
 
Ende 2022 korrigierten die großen Bergbaukonzerne weltweit ihre Produktionserwartungen nach unten. Für 2023 werden noch stärkere Kürzungen von 5-10 Prozent erwartet, insbesondere bei Eisen und Kupfer.

Defizit bei Kupfer

Betrachtet man Kupfer im Detail, so verzeichneten die fünf größten Bergbauunternehmen in den letzten drei Jahren alle einen Nettorückgang des Produktionsvolumens zwischen -2 Prozent und -8 Prozent. Chile, das Land mit dem größten Volumen, verzeichnete im letzten Jahr einen Rückgang von etwa 5 Prozent, was auf die Auswirkungen von Covid auf die Lieferkette und die Produktion, den strukturellen Rückgang der Produktivität der Minen und andere betriebliche Herausforderungen zurückzuführen ist. Wir gehen davon aus, dass das Defizit an raffiniertem Kupfer bis 2030 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen könnte.

Produktivitätsrückgänge aufgrund steigender Strompreise und Sanktionen

Auch das Angebot an Aluminium und Stahl ist aufgrund des Produktivitätsrückgangs der europäischen Hütten unter dem Druck steigender Strompreise zurückgegangen, und wir gehen davon aus, dass sie ihren Betrieb erst dann wieder in vollem Umfang aufnehmen können, wenn die Energiekrise nachhaltig gelöst ist. Dies wird nach den EU-Richtlinien möglicherweise nicht vor 2025/26 der Fall sein.
 
Im Bereich Aluminium müssen auch die Auswirkungen der Sanktionen gegen die russischen Produzenten berücksichtigt werden, die etwa 6 Prozent des Weltmarktes erzeugen, wovon ein Großteil (37 Prozent) für den europäischen Markt bestimmt ist.
 
Im Falle von Sanktionen könnte es schwierig werden, russische Aluminiumeinheiten auf westlichen Märkten zu platzieren; gleichzeitig kann eine Umlenkung des gesamten Handelsstroms auch schwierig sein, da beispielsweise China Selbstversorger ist.

Strukturelles Defizit in den kommenden Jahren

Wir schätzen, dass das Primäraluminiumdefizit bis 2030 5,4 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen könnte, wenn die Produktionsgrenze von 45 Millionen Tonnen/Jahr in China in Kraft tritt.
 
Die wichtigsten Metallmärkte wie Kupfer und Aluminium befinden sich in einem strukturellen Defizit, und obwohl wir für 2023 eine leichte Erholung des Angebots erwarten, wird eine Reihe von Faktoren das Angebot mittelfristig weiterhin begrenzen. Dazu gehören:
  • die regulatorische und steuerliche Unsicherheit in den wichtigsten Bergbauregionen (Chile, Peru, Australien)
  • längere Zeit für die Erteilung von Bergbaugenehmigungen durch die Behörden und für den Bau von Projekten, die sich im Laufe des Jahrzehnts verfünffacht haben
  • höhere Energiekosten
  • die immer häufigeren Unterbrechungen der Aktivitäten aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen
  • und z.B. Las Bamba, die größte Kupfermine in Peru und die fünftgrößte der Welt, ist nach Angaben von MMG, dem Unternehmen, das sie kontrolliert, nur noch zu 40 Prozent ausgelastet.

Glencore schlägt Alarm

Das Metallangebot und die Lagerbestände gehen zurück, während es strukturelle (wie die Dekarbonisierung) und zyklische Faktoren gibt, die die Nachfrage nach Metallen langfristig stützen könnten.
 
Die Nachfrage an Edelmetallen, insbesondere nach Kupfer, wird aufgrund der Energiewende steigen. Diesbezüglich hat einer der drei größten Produzenten der Welt, Glencore CMD, kürzlich Alarm geschlagen: „Wir brauchen einen Preis von 15.000 Dollar pro Tonne im Vergleich zu den derzeitigen 8.500 Dollar, um eine ausreichende Produktion zur Deckung des Bedarfs der Energiewende anzuregen.“
 
Vor allem aber wird das Nachfragewachstum im Jahr 2023 durch den wahrscheinlichen Neustart Chinas angetrieben. Dies dürfte die erwartete Verlangsamung der US-Wirtschaft, auf die etwa 20 Prozent der Metallnachfrage entfallen, ausgleichen.
 
Was China im Einzelnen betrifft, so war die Nachfrage nach Rohstoffen im letzten Jahr aufgrund des Lockdowns, aber vor allem wegen des Rückgangs des Immobilienmarktes, eines für Stahl und andere Metalle kritischen Sektors, sehr schwach. Wir schätzen, dass etwa 35 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Eisenerz auf dem Seeweg und 12-15 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Kupfer und Aluminium direkt auf den chinesischen Immobilienmarkt entfallen.
 
Auch die Entwicklung des Immobiliensektors wird sich weiter verlangsamen, allerdings in einem moderateren Tempo als im Jahr 2022. Wir schätzen, dass die Nachfrage nach Metallen aus dem Immobilienbereich in den nächsten drei Jahren um 10 Prozent pro Jahr zurückgehen wird, bevor sie sich stabilisiert. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Konsumausgaben, die Produktion und die Investitionen in die Infrastruktur außerhalb des Immobiliensektors im Laufe des Jahres 2023 verbessern werden, wodurch die Auswirkungen der Verlangsamung der Immobiliennachfrage auf den Metallmärkten mehr als ausgeglichen werden, auch wenn die chinesische Stahlnachfrage wahrscheinlich weiterhin schwach sein wird.

Langfristig driften Angebot und Nachfrage weiter auseinander

Wir sind der Ansicht, dass die erwartete strukturelle Wiederbelebung der Nachfrage nach Metallen langfristig nicht mit einem entsprechenden Anstieg des Angebots einhergehen wird, und zwar angesichts der Beschränkungen, denen es unterliegt, und der Knappheit der Lagerbestände.
In einem solchen Szenario werden die Metallpreise unter Druck bleiben, so dass eine Aufwärtsdynamik entstehen dürfte, die nach dem Rückgang im Jahr 2022 die Erholung des Wertes auf eine höhere Wachstumsrate als in früheren Phasen des wirtschaftlichen Neubeginns beschleunigen dürfte.
 
Diese These hat bereits im Januar eine erste Bestätigung gefunden, in dem einige Industriemetalle einen Wertzuwachs von über 10 Prozent verzeichneten: Der Preis für Kupfer stieg von 8.500 US-Dollar pro Tonne zum Jahresende auf rund 9.500 US-Dollar pro Tonne, während Aluminium von 2.368 US-Dollar pro Tonne auf 2.613 US-Dollar pro Tonne zulegte.
 
Unsere Erwartung einer allmählichen Erholung der chinesischen Wirtschaft ist eine Schlüsselkomponente unserer positiven Zwölfmonatsprognose für den Metallsektor - insbesondere für diejenigen, die mit der Energiewende in Verbindung stehen, wie Kupfer - und ist daher der wichtigste zu beobachtende Risikofaktor.
Marco Mencini ist Senior Portfolio Manager Equity bei Plenisfer Investments SGR, einer Managementeinheit von Generali Investment.

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