Folge dem Trend – insbesondere in volatilen Märkten

Antti Ilmanen und Thomas Maloney, AQR Capital Management (AQR)
Antti Ilmanen und Thomas Maloney / Bild: AQR Capital Management (AQR)
Zur Diversifikation ihres Portfolios setzen viele Investoren auf die privaten Märkte. Ein anhaltend turbulentes Marktumfeld dürfte aber auch an diesen nicht spurlos vorübergehen – schließlich sind sie denselben Einflussfaktoren unterworfen wie Aktien. Warum können liquide Alternativen eine interessante Ergänzung für Portfolios sein , insbesondere in schwierigen Börsenzeiten?
Das hat es seit mehr als 40 Jahren nicht mehr gegeben: An den Aktienmärkten ging es 2022 steil bergab und auch bei Anleihen waren massive Verluste zu verzeichnen. Das sind schlechte Nachrichten für alle Investoren, die auf ein klassisches Portfolio aus Unternehmensbeteiligungen sowie festverzinslichen Wertpapieren setzen – und zeigt: Die Diversifikation über Aktien und Anleihen hinaus kann sinnvoll sein. In einem solchen Umfeld müssen Anleger nach Alternativen Ausschau halten, um ihre Diversifizierung zu stärken und ihr Risiko zu managen. Das führt uns zu den privaten Vermögenswerten.

Immer mehr Anleger setzen auf die privaten Märkte – zu Recht?

Die Nachfrage nach privaten Anlagen ist in den vergangenen zehn Jahren massiv gestiegen. Zu den Gründen dafür gehören die höheren Renditeerwartungen, zum Beispiel durch Umstrukturierungen und eingebettetes Leverage, oder die als stabil wahrgenommenen Cashflows aus Immobilien und Infrastruktur. In der Tat können Investments an den privaten Märkten in Zeiten erhöhter Unsicherheit dazu beitragen, die Turbulenzen im Portfolio zu dämpfen. Aber: Viele der Belastungsfaktoren, denen die öffentlichen Märkte ausgesetzt sind, treffen auch ihre privaten Pendants. Die Bewertungen sind schwieriger zu messen – aber vermutlich hoch, was die erwarteten Renditen belastet. Außerdem werden makroökonomische Faktoren wie die Inflationserwartungen und die geldpolitische Straffung auch auf die privaten Märkte Druck ausüben, wenn auch zeitverzögert.
 
Ein wesentliches Risiko für private Vermögenswerte ist eine anhaltende Phase niedrigen Wachstums und schlechter Marktperformance, in der die Glättung nicht hilft und die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Risiken („Slow Beta“) zum Tragen kommen. Solche Episoden waren in der jüngeren Geschichte selten: Selbst auf die Finanzkrise folgte 2009 eine kräftige Markterholung, die zum Teil durch geldpolitische Anreize ausgelöst wurde – ein Muster, das sich 2020 wiederholte.

Liquide Alternativen: stark in schwachen Marktphasen

Um aber in längeren Bärenmarktphasen die Diversifikation zu stärken und das Abwärtsrisiko im Portfolio zu begrenzen, bieten sich insbesondere für Investoren mit einer beträchtlichen Allokation in privaten Anlagen liquide Alternativen an. Das sind Anlagestrategien, die in der Regel eine geringe Korrelation zu den Aktien- und Anleihemärkten aufweisen und gleichzeitig Renditepotenzial durch liquide Anlageklassen bieten. Dazu gehören Long/Shortstrategien, die marktneutrales Exposure zu einem diversifizierenden Risikofaktor oder Direktionalität via Trendfolge liefern, oder aber Rohstoffe, die zu Aktien und Renten unterschiedliche makroökonomische Exposures auszeichnen.
 
Die Trendfolgestrategie kann eine besonders nützliche liquide Alternativstrategie sein. Sie neigt dazu, dann besser abzuschneiden, wenn man es am meisten braucht. Auch wenn sie keinen direkten Schutz gegen plötzliche Schocks bietet: In Zeiten langanhaltender Unsicherheit haben Trendfolgestrategien in der Vergangenheit überdurchschnittliche Renditen erzielt.
 
Es handelt sich dabei um Strategien, die in breite Aktien-, Anleihe- und Rohstoffindizes sowie Währungen investieren und dabei von bestehenden Trends profitieren möchten. Denn die Marktteilnehmer neigen dazu, auf Nachrichten zunächst zu wenig zu reagieren – und schließlich zu übertreiben. Im Zuge makroökonomischer Schocks entstehen besonders viele solcher Trends.
Die 2010er-Jahre waren daher nicht einfach für Trendfolgestrategien: Durch die stützende Geldpolitik der Zentralbanken gab es nicht viele Trends und die Volatilität war allgemein niedrig. Nun hat sich das Umfeld jedoch geändert und in turbulenten Zeiten können sie ihre Stärken ausspielen.

Trendfolgestrategien punkten in längeren Bärenmarktphasen

Dies lässt sich zum Beispiel anhand der größten Rückschläge bei US-Aktien im Zeitraum von Januar 1985 bis März 2020 zeigen. Während Aktien litten, erzielten Trendfolgestrategien in solchen Marktphasen tendenziell positive Renditen. Sie waren meist in allen Anlageklassen passend positioniert und hatten zum richtigen Zeitpunkt Short-Positionen in Aktien, Long-Duration-Positionen in Anleihen, Long-Gold-Positionen im Rohstoffbereich und Anti-Carry-Positionen bei Währungen – alles „Risk-off“-Trades.
Andere Studien zeigen, dass Trendfolgestrategien seit mehr als einem Jahrhundert eine gute Absicherung gegen Verluste auf der Aktienseite darstellen, solange der Bärenmarkt allmählich verläuft – was ihnen Zeit gibt, von einer Hausse auf eine Baisse umzuschwenken. So war es historisch gesehen in den meisten Fällen. Nur 1937 und 1987 fielen die Kurse so schnell, dass die Trendfolger Geld verloren. Doch selbst da waren die Verluste begrenzt.

Private Equity und Trendfolger: ein perfektes Paar?

Zu Private-Equity-Investments (PE) können Trendfolgestrategien eine noch bessere Ergänzung darstellen. Es ist bekannt, dass die PE-Renditen künstlich geglättet sind. Denn es gibt keine einfache Möglichkeit, vierteljährlich den Marktwert für private Vermögenswerte zu ermitteln. Illiquidität und geglättete Renditen sind dann ein echter Vorteil für Investoren, solange die Marktrückgänge nur vorübergehend sind. Das Hauptrisiko besteht darin, dass sich der Rückgang der Aktienmärkte nicht umkehrt, sondern jahrelang anhält. Trendfolgestrategien dürften in genau diesen Szenarien hilfreich sein. Schließlich haben sie sich in langen, allmählichen Bärenmärkten gut bewährt. Umgekehrt sind plötzliche Markteinbrüche das Hauptrisiko für Trendfolger. Und diese wirken sich auf private Assets weniger negativ aus als auf börsennotierte Aktien. In anderen Worten: Private Equity ergänzt Trendfolgestrategien, wenn es am nötigsten ist – und umgekehrt.
 
Das lässt sich anhand von Daten belegen: In den schlechtesten Quartalen für Private Equity von 1986 bis 2021 lagen Trendfolgestrategien in der Regel deutlich im Plus. Umgekehrt sind private Investitionen in den schlechtesten Quartalen für Trendfolgestrategien tendenziell profitabel.

Mehr Schwankungen, mehr Trends

In diesem Jahr tendierten Aktien nach unten, während die Anleiherenditen stiegen. Am Devisenmarkt hat der US-Dollar stark zugelegt. Auch die Rohstoffmärkte waren geprägt von starker Volatilität. Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheiten hoch bleiben und wir weiterhin ein gutes Umfeld für Trendfolgestrategien sehen werden.
 
Innerhalb dieser Strategiefamilie gibt es unterschiedliche Ansätze. So sind beispielsweise Preis- und makroökonomische Trendstrategien relativ neue Entwicklungen im Bereich der Trendfolge. Das heißt: Man analysiert Entwicklungen bei den Fundamentaldaten – unter anderem Wirtschaftswachstum, Handel und Geldpolitik – und geht dann Positionen in den Vermögenswerten ein, die wahrscheinlich auf diese Bewegungen reagieren.
 
Darüber hinaus gibt es Verbindungen zwischen den Anlageklassen. Wenn sich zum Beispiel eine Währung stark bewegt, wirkt sich das auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Marktes aus. Dadurch könnten Investoren von Währungsbewegungen auf Entwicklungen am Aktienmarkt schließen.
Wir sind überzeugt, dass sich Preis- und Makrotrends perfekt ergänzen: Wenn die makroökonomischen Fundamentaldaten auf einen Trend bei einem bestimmten Vermögenswert hindeuten, hat sich dieser wahrscheinlich bereits in diese Richtung bewegt. Der Preistrend wird also ähnlich sein – wir haben aber bereits öfter beobachtet, dass die wirtschaftlichen Trendsignale den Preisentwicklungen zuvorkommen.

Passgenau ins Portfolio integrieren

Wie genau sich liquide Alternativen sinnvoll in ein Portfolio integrieren lassen, ist von Investor zu Investor je nach bestehender Allokation, Anlagezielen, -beschränkungen und -überzeugungen unterschiedlich. Grundsätzlich aber gilt, die diversifizierenden Elemente so zu gestalten, dass sie bestehende Engagements – auch in privaten Vermögenswerten – sinnvoll ergänzen. Dabei sollten Anleger keine Perfektion anstreben: Am wichtigsten ist es, die bestehenden Risiken im Portfolio durch Investments mit anderen Einflussfaktoren zu diversifizieren.
Antti Ilmanen ist Global Co-head der Portfolio Solutions Group, Thomas Maloney, European Head of Portfolio Solutions Group bei AQR CapitalManagement (AQR)