Sebastian Olbert / Bild: L.E.K. Consulting
Mit über 10 Prozent ist die Inflationsrate in Deutschland so hoch wie seit den 50er-Jahren nicht mehr. Die hohen Energiepreise treiben die Kosten für die produzierende Industrie zusätzlich in die Höhe. Das geht bei den meisten Unternehmen zulasten der Umsätze, da die Kosteninflation nicht in vollem Umfang an die Konsumenten weitergegeben werden kann.
Eine von L.E.K. Consulting durchgeführte europäische Studie bei Unternehmen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien zeigt, dass sich bei 65 Prozent der Bruttogewinn um durchschnittlich 25 Prozent verringern wird. Für den Umsatz bedeutet das einen durchschnittlichen Rückgang um 5 Prozent. Damit kostet die Inflation rund zwei Drittel der Unternehmen mehr, als diese weitergeben können. 20 Prozent der Firmen erwarten sogar, dass sie mehr als die Hälfte ihrer Bruttogewinne innerhalb der letzten und der nächsten 12 Monaten verlieren werden. Im gleichen Zeitraum erwarten die Unternehmen eine durchschnittliche Kosteninflation von 16 Prozent.
90 Prozent haben bereits die Preise erhöht
Nur 35 Prozent der befragten Unternehmen sind in der Lage, die gestiegenen Kosten weiterzugeben. Sie verzeichnen demnach einen Preisanstieg, der höher ist als die Kosteninflation und eine positive Auswirkung auf die Brutto-Marge hat. Die inflationsresistentesten Branchen sind diejenigen, die Preiserhöhungen gewohnt sind, wie etwa im Bereich Rohstoffe, Verpackung, Energie und Umwelt. Die beiden letztgenannten Branchen machen zusammen mit der Chemie in der Studie mehr als die Hälfte der Befragten aus. Insgesamt haben rund 90 Prozent der befragten Unternehmen
ihre Preise in den vergangenen 12 Monaten erhöht. 80 Prozent planen weitere Erhöhungen.
Ländervergleich: Krise belastet deutsche Unternehmen stärker
Kleinere Unternehmen leiden laut der L.E.K.-Studie stärker unter der aktuellen Wirtschaftslage, da sie in einem schwierigen Marktumfeld häufig geringere finanzielle Spielräume und damit weniger Marktmacht haben, was sich sowohl bei Einkaufsverhandlungen als auch eigenen Preisverhandlungen bemerkbar macht. Im Ländervergleich ist die Zahl der krisengeschüttelten Unternehmen in Deutschland mit 28 Prozent am höchsten, gefolgt von Spanien mit 24 Prozent, Frankreich mit 16 Prozent und Großbritannien mit 15 Prozent. Gründe dafür sind Kostenbelastungen wie die hohen Gas- und Strompreise, die im europäischen Vergleich in Deutschland am höchsten sind und sich direkt auf die Produktion auswirken. Die daraus entstehenden finanziellen Vorleistungen können kleine Unternehmen nicht lange überbrücken. Hinzu kommen die umfangreichen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und China, die nach wie vor durch komplette Lockdowns auf asiatischer Seite zu enormen Störungen in der Lieferkette führen. Bei der allgemeinen Widerstandsfähigkeit von Unternehmen haben alle untersuchten Länder mit 30-34 Prozent etwa das gleiche Niveau.
Gewinner und Verlierer
Schaut man sich die Branchenunterschiede an, gibt es eindeutige Gewinner und Verlierer: Insbesondere Industrieservices sowie die Automobil-, Bau-, Dienstleistungs- und Bildungsbranche sind weniger widerstandsfähig. Zwischen 66-82 Prozent der Unternehmen aus diesen Gebieten mussten Verluste hinnehmen. Die Gewinner waren die Unternehmen, die ihre Vertriebsmitarbeiter frühzeitig angewiesen haben, die Preise zu erhöhen, nachdem die Finanzabteilungen mit den Folgen der Inflation konfrontiert wurden. Vorne dabei waren auch jene, die vor der Krise an ihrer operativen Widerstandsfähigkeit gearbeitet haben und durch eine flexibel gestaltete Lieferkette zu den besten Konditionen einkaufen konnten. Diese Flexibilität war entscheidend, um Zeitverzögerungen zwischen
Kosten und Preiserhöhungen zu vermeiden, die sich direkt auf die Gewinne auswirken.
Ü
ber die L.E.K. Consulting-Studie zur Widerstandsfähigkeit gegen die Inflation
Unsere im Juli und August 2022 durchgeführte Studie untersuchte die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen gegen die Inflation in 11 Branchen und 44 Industriezweigen. Wir haben 1.000
Führungskräfte aus mittelständischen Unternehmen mit unterschiedlichen Eigentums- und
Schuldenstrukturen befragt. Die Befragten kamen aus Frankreich, Deutschland, Spanien und dem
Vereinigten Königreich.
Weitere Details zur Studie finden Sie im
Business Inflation Report
.
Sebastian Olbert ist Partner bei
L.E.K. Consulting in München, ein globales Strategieberatungsunternehmen, das mit Führungskräften zusammenarbeitet, um Wettbewerbsvorteile zu nutzen und das Wachstum zu steigern. Seit 1983 beraten wir weltweit – in Nord-, Mittel- und Südamerika, im asiatisch-pazifischen Raum und in Europa – Führungskräfte aus allen Branchen, von globalen Konzernen bis hin zu aufstrebenden Unternehmen und Privatinvestoren.