Überlegungen zur Berichtssaison

Axelle Pinon, Carmignac
Axelle Pinon / Bild: Carmignac
Etwa 80 Prozent der Unternehmen des S&P 500 und 60 Prozent des Stoxx 600 haben ihre Ergebnisse für das 3. Quartal vorgelegt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse für Aktienanleger?
 
Die letzten Wochen waren für Aktienanleger sehr ereignisreich. Nach einem enttäuschenden Start und einigen sehr schwachen Zahlen der Tech-Giganten hat die Berichtssaison nun einen positiven Verlauf genommen. Das ist zwar eine gewisse Erleichterung für die Anleger, aber die Prognosen (oder das Fehlen solcher Prognosen) machen deutlich, dass sich viele Unternehmen auf ein schwieriges Jahr 2023 einstellen.

Und nach mehreren Quartalen, in denen vor allem die Inflation und die Zentralbankpolitik die treibende Kraft hinter den Aktienbewertungen waren, spielen jetzt die Erträge wieder eine größere Rolle.
 
Wir sehen drei Hauptaussagen:

Erstens: Die Q3-Ergebnisse sind etwas weniger schlecht als befürchtet

Jeder war auf schlechte Nachrichten vorbereitet, aber insgesamt ist es besser gelaufen als erwartet. Das bedeutet jedoch nicht, dass das schmerzhafte makroökonomische Umfeld weniger Auswirkungen hatte als befürchtet. Wir glauben, dass es dafür mehrere Gründe gibt:
  1. Bislang liegt das durchschnittliche Gewinnwachstum des S&P 500 im dritten Quartal bei +3 Prozent (gegenüber -3 Prozent vor einer Woche), wobei der größte Teil der positiven Entwicklung auf den Energiesektor entfällt (+150 Prozent). Kommunikationsdienstleistungen, Finanzwerte und Rohstoffe verzeichneten aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber dem frühen Stadium des Konjunkturzyklus mit die stärksten Rückgänge des Gewinnwachstums in diesem Quartal.
  2. Gewinnwarnungen, insbesondere in Europa, hatten sich im Vorfeld und zu Beginn der Ertragssaison gehäuft und die Erwartungen gesenkt.
  3. Die Zahlen für das 3. Quartal sind rückwärtsgerichtet und spiegeln daher noch nicht die anhaltende Verschlechterung der makroökonomischen Daten wider.
  4. Die Prognosen waren kurzfristiger als üblich. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Rezession und der strengeren finanziellen Bedingungen dürften mit einer gewissen Verzögerung eintreten.

Zweitens: Diese Themen stechen hervor

  • Die Rentabilität der Konsumgüterunternehmen hält sich vorerst noch in Grenzen. Die Inflation hat sich positiv auf die Rentabilität der Unternehmen ausgewirkt, da die starke Preissetzungsmacht und die widerstandsfähigen Verbraucher (die von den während der Pandemie angesammelten hohen Ersparnisüberschüssen profitierten) es ermöglichten, die steigenden Inputkosten an die Kunden weiterzugeben. Da jedoch die Preiselastizität einsetzt und sich die Aussichten verdüstern, wird die Nachfrage schwächer werden. Damit dürfte die Preissetzungsmacht schwinden, so dass die Unternehmen zwischen steigenden Input-Kosten und sinkenden Produktionspreisen oder der Nachfrage in die Zange genommen werden. Unternehmen mit einer starken Preissetzungsmacht oder defensive Wachstumswerte dürften sich am besten behaupten.
  • Widerstandskraft der US-Verbraucher: Die Ergebnisse von Amazon waren zwar insgesamt enttäuschend, zeigten aber die Resilienz der amerikanischen Verbraucher, da der Umsatz in Nordamerika im Jahresvergleich um 20 Prozent stieg (gegenüber 10 Prozent im 2. Quartal). Im Gegensatz dazu machen sich die Schmerzen der europäischen und britischen Verbraucher bemerkbar, je näher die bevorstehende Rezession rückt. Bei mehreren Finanzunternehmen ist derselbe Trend zu beobachten.
  • Die Aussichten verschlechtern sich: Die Unternehmen kürzen ihre Werbe- und IT-Budgets. Snapchat und YouTube (im Besitz von Google/Alphabet) sind von einer Kürzung der Werbeausgaben betroffen und Amazon und Microsoft haben deutlich gemacht, dass die IT-Budgets allmählich nach unten korrigiert werden.

Drittens: Big Tech war die Hauptüberraschung

Einige der fundamentalen Probleme, die in letzter Zeit bei den Mega-Cap-Aktien aufgetreten sind, scheinen die Analysten überrascht zu haben. Sie werden wahrscheinlich auch in den nächsten sechs bis neun Monaten bestehen bleiben.

In den letzten zehn Jahren waren diese Aktien für die Anleger die beste Möglichkeit, in einem globalen Umfeld, in dem Wachstum Mangelware war, ein überdurchschnittliches Wachstum gegenüber dem übrigen Markt zu erzielen. Diese Unternehmen verfügten über enorme Wettbewerbsvorteile, einen hohen operativen Leverage und einen Wachstumskurs, der unaufhaltsam schien... bis jetzt.

Die Anleger haben nun ihren Fokus von attraktiven langfristigen Wachstumsaussichten auf Rentabilität verlagert, die die Unternehmen in naher Zukunft erzielen können. Dieser Sinneswandel wird durch das steigende Zinsumfeld noch verschärft.

Die Beispiele Google (Alphabet) und Facebook (Meta) zeigen, dass Investoren sich auf die Unternehmen konzentrieren, die fähig sind, Margen und Rentabilität auch unter Druck steuern zu können.

Und was noch wichtiger ist: Die Anleger werden es nicht gutheißen, wenn Unternehmen um jeden Preis nach Umsatzwachstum streben.

Nach den berauschenden Tagen der ultraniedrigen Zinsen ist klar, dass die Unternehmen, die ihre Kostenstruktur besser anpassen können, am besten zurechtkommen werden. Jetzt ist die Zeit für das gute alte Stock Picking gekommen.

Die Gewinnsaison ist offiziell wieder im Gange.
Axelle Pinon, Mitglied des Investmentkomitees von Carmignac

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

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