Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Man hat uns in den vielen Jahresausblicken vorgewarnt, dass 2022 ein spannendes Jahr (nicht nur) an der Börse wird. Aber es muss uns nicht von Woche zu Woche neu bewiesen werden! „Nichts für schwache Nerven“, die Headline der Börsen-Zeitung passt nicht nur für Wall Street-Werte. Der DAX pendelte deutlich um die 16.000er Punkte-Schranke, gegen Ende der Woche gings eher bergab als bergauf. Omikron zeigt uns graphisch, was „Wand“ bedeutet („Droht der Kontrollverlust?“ – Handelsblatt) und fordert die Politik heraus mit Impfpflicht oder nicht – „Olaf Scholz will bei Impfpflicht doch mitreden“ (Die Welt), manche Kanzler hätten wahrscheinlich sogar mitentscheiden wollen. Die Suche nach dem Positiven fällt einem da nicht leicht.
Tiefe
In der dritten Woche dieses noch jungen Jahres präsentiert Focus Money „Die besten Börsenstrategien 2022“ samt Hinweis: „So schlagen Sie den DAX – 15 Prozent Rendite ohne Stress“. Wenn wir richtig sehen, bedeutet diese relaxte Methode „mit ETFs das Vermögen vervielfachen!“ Dagegen setzt Börse Online klassisch auf „Dividende statt Strafzins“: „Schlagen Sie der Inflation mit den richtigen Aktien ein Schnippchen“. Wir fürchten, die Inflation lässt das kalt, aber für unser Depot ist das sicher richtig. Außerdem wirbt das Heft mit „Mehr Seiten, mehr Inhalt, mehr Tiefe!“ Zumindest bei den Überschriften hat man sich ins Zeug gelegt, über die „Tiefe“ mag jeder selbst entscheiden: So gibt es „Echte Prozent-Protze“ oder „Vorsicht, bissig!“ (zur Dogs-of-the-Dow-Strategie) sowie eine „Strahlende Zukunft“ (Atomenergie, natürlich!). Wir sind gespannt, ob das so bleibt, und hoffen, dass nicht Demokrit Recht behält: „In Wirklichkeit erkennen wir nichts, denn die Wahrheit liegt in der Tiefe“! Gefahr hingegen erkennt die WirtschaftsWoche, sie macht ganz in schwarz auf mit einer Maske, geformt aus grünen Nullern und Einsern: "Dieser Erpresser ruiniert auch Ihre Firma", es geht, wie anders, um die Hacker-Industrie.
Poet
Kein Thema für Finanzen, oder doch? Immerhin haben es auch Wirtschaftszeitungen dankbar aufgenommen, schließlich geht es um einen Spitzenjob: Katrin Göring-Eckardt, unsere Bundestagsvizepräsidentin, hat die Stelle eines Parlamentspoeten oder einer Parlamentspoetin vorgeschlagen. Ziel: Die Debattenkultur verbessern. Die Medien nahmen es dankbar auf: „Im Bundestag soll gedichtet werden“ (Focus), „Poesie im Bundestag“ (Der Spiegel) oder „Die Poesie der Macht“ (Die Zeit) war etwa zu lesen. Zurück ging der Vorschlag jedoch auf einen Antrag dreier Dichterinnen und Dichter von Anfang des Jahres, die eine „Parlamentspoetin“ einforderten, die Gedichte zur Lage schreiben und vortragen solle nach dem Vorbild Kanadas. Dort übernimmt dies Louise Bernice Halfe, eine Sozialarbeiterin und Poetin, vielleicht eine ideale Kombination für diesen Job? Ihr Cree-Name ist im Übrigen „Sky Dancer“! Das Handelsblatt hat gleich selbst zu dichten begonnen in Person des Textchefs Christian Rickens. „Eine Ode der Ablehnung“ nennt er sein Werk – wir ahnen, zum Parlamentspoeten reicht es nicht. Gabor Steingart hat in seinem vielgelesenen Newsletter gar Wolf Biermann, Herta Müller oder Peter Handke ins Spiel gebracht. Ob wir uns mit Poeten dann auf so manche Debatte einen Reim machen könnten – Frau Göring-Eckardt nimmt sicher Bewerbungen entgegen.
Tränen
Wir freuen uns ja über jede richtungsweisende Erfindung, die unser Leben vereinfacht, wenn nicht revolutioniert. In den USA wird nun eine Zwiebelart angebaut, die das Tränen beim Schneiden vermeidet. Die von Bayer entwickelte und inzwischen von BASF erworbene Züchtung, so meldet die Süddeutsche Zeitung unter „Zu Ende geweint“, wird Sunion genannt – die sonnige Zwiebel ohne Nebenwirkungen stellt ihre echte Vorgängerin in den Schatten! Werden kommende Generationen Filmausschnitte aus Diva, bei der einer der Protagonisten Zwiebeln mit Taucherbrille und Schnorchel schneidet, noch verstehen? Gibt es nie wieder weinende Kinder, die in der Küche versuchen, ein Mahl zu kreieren? Tränen lügen nicht, sang Michael Holm, Zwiebeln nun wohl schon? Wir wissen es nicht, genauso wenig, wie den deutschen Namen des Produkts – die Süddeutsche unkt mit „Swiebel“.
Frosch
Und zum guten Schluss: Hätten wir doch nur, statt unsere Zeit in der Schule zu vertrödeln, freitags demonstriert, dann wäre vielleicht auch ein Frosch nach uns benannt worden. „Ungewöhnlich hervorstechende schwarze Augen, eine kontrastierende helle Oberlippe und ein größerer Kopf“, so zitiert Die Welt das Biologenteam, das den Pristimantis gretathunbergae im tropischen Tieflandregenwald von Panama entdeckt und nach Greta benannt hat. Bei uns war es noch die Tigerente, die in Panama nicht gefunden wurde, womit wir bei Kinderbüchern und auf seltsamen Umwegen bei Ali Mitgutsch gelandet wären, dessen Wimmelbücher noch immer Groß und Klein so viel Freude bereiten – vor allem, die darin versteckten Gemeinheiten. R.I.P Ali Mitgutsch! Möge sich im Tiergewimmel noch ein Tier entdecken lassen, das nach dir benannt wird!