Die EU treibt die Transformation der Realwirtschaft mit ihrer Sustainable Finance Strategie voran

Philipp Melzer und Dr. Anna-Maja Schaefer, CMS Deutschland
Philipp Melzer und Dr. Anna-Maja Schaefer /Bild: CMS Deutschland
Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral werden. Hierfür sollen, nach den Plänen der EU-Kommission, die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent unter den Wert des Jahres 1990 sinken. Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es einer Vielzahl von (privaten) Investitionen in klimafreundliche Projekte und Unternehmen. Dem Finanzsektor kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu: Er muss die Mittel für die notwendige Transformation der Realwirtschaft mobilisieren. Dies sieht der im Jahr 2018 von der EU-Kommission veröffentlichte Aktionsplan zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums vor, auf den die EU-Kommission mit ihrer kürzlich vorgelegten, erweiterten Sustainable Finance Strategie aufbaut.
 
In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach nachhaltigen Investments deutlich angestiegen. Damit einher geht die Gefahr von Greenwashing, das heißt die Vermarktung von (Finanz-)produkten als grün, die tatsächlich nicht als solche bezeichnet werden können. Bei ihren Regulierungsvorhaben setzt die EU daher insbesondere auf Harmonisierung und Transparenz, unter anderem durch die Einführung von grünen Standards, Referenzwerten für CO2-arme Investitionen und nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungsverpflichtungen von Unternehmen und Finanzmarktakteuren. Die Maßnahmen der EU-Kommission umfassen unter anderem die Taxonomie-Verordnung sowie den kürzlich vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung zur Regelung eines Standards für grüne Anleihen (Europäischer Green Bond Standard).

Besonderheiten von Grünen Anleihen

Die Emission von grünen Anleihen verläuft analog zu klassischen Anleihen, mit der Besonderheit, dass die Erlöse für grüne Projekte verwendet werden müssen. Häufig werden grüne Anleihen daher für die Beschaffung von Finanzmitteln im Bereich erneuerbare Energien, Elektromobilität, energieeffizientes Wohnen oder Infrastruktur für CO2-armen Transport und Verkehr eingesetzt.
 
Der Markt für grüne Anleihen hat sich zwar in den letzten Jahren bereits dynamisch entwickelt, nach Einschätzung der EU-Kommission besteht aber noch erhebliches weiteres Entwicklungspotential. Es haben sich bereits einige Marktstandards herausgebildet, wie die kürzlich aktualisierten Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA). Mit dem vorgestellten freiwilligen Europäischen Green Bond Standard (EU-GBS) beabsichtigt die EU-Kommission daneben einen „Goldstandard“ für grüne Anleihen zu implementieren, mit dem andere Marktstandards verglichen werden können. Freiwilligkeit bedeutet dabei, dass weder Emittenten gezwungen sein werden, grüne Anleihen zu begeben, noch, dass Anleihen, die den EU-GBS nicht entsprechen, nicht mehr als grün bezeichnet werden dürfen. Allerdings müssen Anleihen, die als den EU-GBS entsprechend deklariert werden, diesem eben auch genügen. Der EU-GBS ist als ein Gütesiegel vorgesehen, welches Vermarktungsvorteile bieten soll, weil die Investoren ihm vertrauen und sich darauf verlassen können, dass ihnen bekannte Vorgaben eingehalten sind. Der EU-GBS soll dabei nicht auf europäische Märkte beschränkt werden, sondern auch Emittenten aus Drittstaaten offenstehen.

Koppelung des EU-GBS an die Taxonomie-Verordnung

Eine Besonderheit des EU-GBS ist die Koppelung an die Taxonomie-Verordnung. Die im Juli 2020 in Kraft getretene Taxonomie-Verordnung ist das Kernstück des Sustainable Finance Gesetzespakts der EU. Sie etabliert erstmalig einen rechtlich verbindlichen Standard für nachhaltiges Investieren und regelt sukzessive, welche Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig sind.
 
Hierfür legt die Taxonomie-Verordnung sechs Umweltziele (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verhinderung von Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme) fest.

Wesentlicher Beitrag zu einem Umweltziel unter der Taxonomie-VO

Um als ein grünes Projekt unter dem EU-GBS klassifiziert werden zu können, muss der Erlös der grünen Anleihe zur Finanzierung oder Refinanzierung von Wirtschaftsaktivitäten verwendet werden, die einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem dieser sechs Umweltziele leisten. Darüber hinaus darf kein anderes Umweltziel erheblich beeinträchtigt und bei der Wirtschaftstätigkeit müssen internationale soziale sowie arbeitsrechtliche Mindeststandards eingehalten werden.
 
Weitere wesentliche Merkmale für die Qualifizierung als EU-GBS sind die Erstellung eines European Green Bond Factsheet. In diesem wird dargestellt, dass und in welcher Form die Vorgaben des EU-GBS umgesetzt werden. Zudem ist eine jährliche Berichterstattung (allocation report) über die Mittelverwendung, eine mindestens einmalige Berichterstattung zu den Umweltauswirkungen der Mittelverwendung sowie eine externe Verifizierung der Einhaltung des EU-GBS im Green Bond Factsheet sowie bei der Mittelverwendung vorgesehen. Die externe Verifizierung muss, anders als bei anderen Marktstandards, von bei der European Securities and Markets Authority (ESMA) registrierten und von ihr beaufsichtigen Prüfern vorgenommen werden.

Fazit und Ausblick

Der Vorschlag des Europäischen Green Bond Standards ist ein wichtiger Schritt: Verlässliche Nachhaltigkeitsstandards stärken das Vertrauen von Investoren im Hinblick auf eine zweckentsprechende Verwendung der Erlöse und werden den Markt voraussichtlich positiv beeinflussen. Weitere Maßnahmen der EU-Kommission schließen sich im Rahmen ihrer erweiterten Sustainable Finance Strategie an. So hat sie weitere Nachhaltigkeitsstandards für Finanzprodukte, unter anderem einen Standard für Sustainability linked Bonds angekündigt. Die Märkte haben auch nach anderen nachhaltigen Anleihen (Social, Sustainability und Sustainability linked Bonds) eine steigende Nachfrage zu verzeichnen. Auch hierfür besteht ein Interesse an einheitlichen, klaren Vorgaben. Vor diesem Hintergrund ist die Erweiterung der Taxonomie-Verordnung auf soziale Ziele zu begrüßen. Zur Social Taxonomy hat die Plattform on Sustainable Finance, die die EU-Kommission unter anderem im Hinblick auf die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Taxonomie-Verordnung berät, im Juli 2021 einen ersten Report veröffentlicht und bis zum 27. August 2021 zur Konsultation gestellt.
Philipp Melzer ist Rechtsanwalt und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er verfügt über große Erfahrung bei der Beratung von Emittenten, emissionsbegleitenden Banken und Altaktionären bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Zweitplatzierungen. Dr. Anna-Maja Schaefer ist Rechtsanwältin und Counsel bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich Akquisitions- und Unternehmensfinanzierung. Daneben liegt ihr Fokus auf rechtlichen Entwicklungen im Bereich Sustainability und Sustainable Finance.